Volltext: Liechtenstein und die Revolution 1848

schaft funktioniert. Eine kommunale, regionale oder kulturelle Identität 
kann grundsätzlich die gleichen Funktionen erfüllen. Wer sich beispiels- 
weise einer Region wie dem Rheintal zugehörig fühlt, wird sich auch für die 
Region einsetzen, ungeachtet der nationalen Grenzen. Daher ist die Forde- 
zung nach einer Neuorientierung, das heisst nach neuen gemeinsamen Iden- 
titäten, auch nicht vorweg von der Hand zu weisen. Obwohl aber solche 
Identitäten bereits bestehen und für den einzelnen durchaus von grösserer 
Bedeutung sein können als die nationale Identität, so fehlt es ihnen bislang 
an politischer oder rechtlicher Verbindlichkeit zur Durchsetzung von be- 
stimmten Interessen. Diese Verbindlichkeit besitzt, zumindest zum gegen- 
wärtigen Zeitpunkt, ausschliesslich die nationale Identität, weil sie durch 
eine staatliche Organisation mit politischen und rechtlichen Strukturen ge- 
stützt wird — wenngleich die Bemühungen um ein vereintes Europa diese 
Verbindlichkeit auch für die europäische Identität zum Ziel haben. 
Die Instrumentalisierung der nationalen Identität 
Gerade die Verbindlichkeit in der Durchsetzung von bestimmten Interessen 
spielt nun aber in der Diskussion um die nationale Identität in Liechtenstein 
eine wichtige Rolle. So taucht der Begriff «nationale Identität» in der Öf- 
fentlichkeit vor allem auf im Zusammenhang mit dem EWR und dem freien 
Personen- und Grundverkehr sowie mit der erleichterten Einbürgerung und 
mit Ausländerfragen im allgemeinen (Gewährung von Asyl und Aufenthalts- 
bewilligungen). Die liechtensteinische Regierung stützt sich beispielsweise 
dei der Anrufung der Schutzklausel im Hinblick auf den freien Personen- 
verkehr unter anderem auch auf die Wahrung der nationalen Identität, die ihr 
von den anderen EWR-Staaten zugesichert worden ist. In einer 1994 abge- 
gebenen Gemeinsamen Erklärung von Liechtenstein und dem EWR-Rat 
heisst es denn auch sinngemäss: «Der EWR-Rat bestätigt das vitale Interesse 
Liechtensteins am Erhalt der nationalen Identität.» 
Dass die nationale Identität Liechtensteins gerade in diesem Zusammenhang 
betont wird, hat mit handfesten Interessen zu tun. Bislang war es die Staats- 
bürgerschaft, die den Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern ganz be- 
stimmte Privilegien garantiert hat. Neben den staatsbürgerlichen Rechten 
auf nationaler und kommunaler Ebene waren dies ausserdem vor allem wirt- 
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