schaft funktioniert. Eine kommunale, regionale oder kulturelle Identität
kann grundsätzlich die gleichen Funktionen erfüllen. Wer sich beispiels-
weise einer Region wie dem Rheintal zugehörig fühlt, wird sich auch für die
Region einsetzen, ungeachtet der nationalen Grenzen. Daher ist die Forde-
zung nach einer Neuorientierung, das heisst nach neuen gemeinsamen Iden-
titäten, auch nicht vorweg von der Hand zu weisen. Obwohl aber solche
Identitäten bereits bestehen und für den einzelnen durchaus von grösserer
Bedeutung sein können als die nationale Identität, so fehlt es ihnen bislang
an politischer oder rechtlicher Verbindlichkeit zur Durchsetzung von be-
stimmten Interessen. Diese Verbindlichkeit besitzt, zumindest zum gegen-
wärtigen Zeitpunkt, ausschliesslich die nationale Identität, weil sie durch
eine staatliche Organisation mit politischen und rechtlichen Strukturen ge-
stützt wird — wenngleich die Bemühungen um ein vereintes Europa diese
Verbindlichkeit auch für die europäische Identität zum Ziel haben.
Die Instrumentalisierung der nationalen Identität
Gerade die Verbindlichkeit in der Durchsetzung von bestimmten Interessen
spielt nun aber in der Diskussion um die nationale Identität in Liechtenstein
eine wichtige Rolle. So taucht der Begriff «nationale Identität» in der Öf-
fentlichkeit vor allem auf im Zusammenhang mit dem EWR und dem freien
Personen- und Grundverkehr sowie mit der erleichterten Einbürgerung und
mit Ausländerfragen im allgemeinen (Gewährung von Asyl und Aufenthalts-
bewilligungen). Die liechtensteinische Regierung stützt sich beispielsweise
dei der Anrufung der Schutzklausel im Hinblick auf den freien Personen-
verkehr unter anderem auch auf die Wahrung der nationalen Identität, die ihr
von den anderen EWR-Staaten zugesichert worden ist. In einer 1994 abge-
gebenen Gemeinsamen Erklärung von Liechtenstein und dem EWR-Rat
heisst es denn auch sinngemäss: «Der EWR-Rat bestätigt das vitale Interesse
Liechtensteins am Erhalt der nationalen Identität.»
Dass die nationale Identität Liechtensteins gerade in diesem Zusammenhang
betont wird, hat mit handfesten Interessen zu tun. Bislang war es die Staats-
bürgerschaft, die den Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern ganz be-
stimmte Privilegien garantiert hat. Neben den staatsbürgerlichen Rechten
auf nationaler und kommunaler Ebene waren dies ausserdem vor allem wirt-
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