Volltext: Liechtenstein und die Revolution 1848

danach bestehen. Der politische Reaktionserlass von 1852 vermittelte zwar 
damals und aus der Rückschau den Eindruck des Scheiterns, auch wegen der 
Entwicklung in den deutschen Ländern.? Doch die Revolutionsanliegen 
wurden alsbald wieder aufgenommen und verwirklicht. Sie gingen bleibend 
auf in der Verfassung von 1862, in den darauf basierenden Gesetzesreformen, 
schliesslich auch in der revidierten Verfassung von 1921, die bis heute 
Bestand hat. 
These 3: Materielle Interessen waren für die liechtensteinische 
Revolution zentral 
Man täusche sich nicht: Im Vordergrund standen 1848 auch in Liechtenstein 
die zahlreichen materiellen Forderungen — in Not wie Eigennutz begründet — 
nach Entlastung von Abgaben, Fronen, Kontingents- und Bundeskosten, nach 
Erleichterung des Handels mit der Region. Materielle Privilegien dagegen 
wollte man keineswegs zugunsten Benachteiligter preisgeben. Der Ruf nach 
einem neuen Gemeindegesetz hatte weniger mit Gemeindeautonomie als mit 
handfesten Fragen der Nutzung und Aufteilung von Gemeindeboden zu tun.* 
These 4: 1848 darf als das Geburtsjahr der Demokratie 
in Liechtenstein gelten 
Eine schier unglaubliche Fülle demokratischer Praxis füllte in Liechtenstein 
das Revolutionsjahr: Versammlungen, Adressen, Beratungen; Wahlen von 
Ausschüssen, eines Verfassungsrates, eines Abgeordneten nach Frankfurt, 
eines Landrates (1848); Entwürfe und Arbeit an der Verfassung. Über die 
Politik der Strasse wurde die Politik der Vernunft, des Wortes gesetzt. Er- 
staunlicherweise ohne Zeitungen. Mündliche Tradition und Kommunikation 
hatten einen hohen Stellenwert. Ein politisches Bewusstsein des Volkes 
manifestierte sich, es hatte sich seit längerem herausgebildet.” Als Bürger- 
gesellschaft, nicht mehr als Untertanenschaft agierte man. Dieses Bewusst- 
sein blieb seither. Freilich gilt auch: Die Revolution von 1848 war eine 
Männerrevolution. Die Frauen blieben in Liechtenstein noch bis anfangs der 
1980er Jahre politisch rechtlos. 
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