Volltext: Liechtenstein und die Revolution 1848

komplexes Gebilde, da sich mit dem Herreneigentum am Boden und mit den 
Rechten über die darauf ansässigen, wirtschaftenden Menschen auch andere 
Herrschaftsformen, die Leib-, Gerichts- und Landesherrschaft, verbinden 
konnten. Zudem befanden sich die verschiedenen Herrschaftsrechte nicht 
in einer Hand. So steht man denn bei der Betrachtung von konkreten Ver- 
hältnissen oft vor schwer entwirrbaren, ineinander verschlungenen recht- 
lichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen innerhalb der 
Gesellschaft. 
Die Landesherrschaft, mit der verschiedene Regalien und Hoheitsrechte 
verbunden waren, und die Gerichtsherrschaft hatte das Fürstenhaus inne. 
Eng mit der Landes- und Gerichtsherrschaft verknüpft waren bestimmte 
Relikte der alten Leibherrschaft. Der Gehalt dieses persönlichen Bezugs der 
liechtensteinischen Untertanen zum Landesherrn war zwar weitgehend ver- 
schwunden, die Leistungen verschiedener Frondienste, die jährliche Abgabe 
der Fasnachtshenne, die bei Wegzug zu bezahlende Manumissionsgebühr 
und das dabei zu entrichtende Abzugsgeld waren hingegen deutliche Merk- 
male der alten Leibeigenschaft. Diese wurde 1808 aufgehoben. Manumis- 
sionsgebühr und Abzugsgeld waren damit zwar beseitigt, die Fasnachtshenne 
und die verschiedenen Fronen mussten jedoch weiterhin geleistet werden. 
Die Obrigkeit verband damals mit dem Begriff der Leibeigenschaft lediglich 
noch die Beschränkung des Untertans bei einer beabsichtigten Auswande- 
rung mit Vermögensabzug. Fasnachtshenne und Fronen wurden im Zusam- 
menhang mit Landes- und Gerichtsherrschaft gesehen. Hier wird deutlich, 
dass die ursprünglich personale Beziehung zwischen Herrn und Untertan, 
die Wurzel und tiefere Begründung der alten Ordnung, bei Behörden und 
Volk allgemein weitgehend verschwunden waren. Geblieben war für die 
Obrigkeit lediglich die Tatsache der Realleistungen als Renten für die Herr- 
schaft, für das Volk das Bewusstsein, dass diese Ordnung auf uraltem Her- 
kommen beruhte, von dem man nicht abweichen durfte. Neben dem Fürsten 
als Landes-, Gerichts- und Grundherrn in einer Person gab es in Liech- 
tenstein noch andere geistliche und weltliche Grundherren. Der grundherr- 
liche Bodenbesitz umfasste insgesamt etwa 1 Million Klafter landwirt- 
schaftliches Nutzland. Dies entsprach etwa 6 Prozent des Agrarlandes mit 
einer Gesamtfläche von rund 17 Millionen Klaftern. Wertmässig war der 
Anteil wesentlich grösser, da die minderwertigen, teilweise versumpften 
Böden der Talebene fast ausschliesslich Eigentum der Gemeinden waren. 
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