vom Bürger RıetHOF
Dr. Alois Ospelt
Die folgenden historischen Notizen zu den von der
Gemeinde Vaduz geschaffenen Einrichtungen «Bürgerheim»
und «Riethof» zeichnen in kurzen Zügen deren Entwicklung.
Sie skizzieren gleichzeitig Beständigkeit und Wandel der
Probleme der Armen- und Krankenversorgung einerseits und
der Lebensmittelversorgung in Krisenzeiten andererseits.
Armen- und Krankenversorgung in alter Zeit
Arme und Kranke zu versorgen, war seit alter Zeit eine
Gemeinschaftsaufgabe. Wenn Verwandtschaftshilfe fehlte,
musste die dörfliche Gemeinschaft, später der Staat den
Bedürftigen beistehen. Bereitzustellen waren Lebensmittel;
Pflege und Obdach.,
Wirtschaftliche Not und Armut trafen nicht nur Einzelne, sie
konnten unverhofft auch weite Teile der Bevölkerung erfas-
sen. Unsere Vorfahren kannten noch keine Versicherungen,
keine staatlichen Sozialeinrichtungen. Hunger und Lebens-
mittelknappheit gehörten zu ihrer Lebenserfahrung. Krank-
— heit war für sie vielfach
ANIaNGgE DER SLAU4tLICHEN gleichbedeutend mit
5 wirtschaftlichem Ruin.
50Z1aLgesetZgeBUNg Noch bis ins beginnen-
de 19. Jahrhundert bot
die dörfliche Genos-
senschaft einen gewis-
sen Schutz vor völliger
Verarmung. Umfang-
reicher Gemeinbesitz,
gemeinsam genutzt
oder zur Nutzung an
die Haushaltungen ver-
teilt, erlaubte eine
minimale Selbstversor-
gung des Einzelnen.
Dieser Besitz war gleich-
sam ein Vorläufer der
neutigen öffentlichen
Sozialwerke. Er war
steuerfrei und konnte
nicht im Privatkonkurs
‚erloren gehen. Sehr
Massive Verringerung des Gemeinbesitzes
durch Privatisierung, Bevölkerungszuwachs,
aber auch Kriegsjahre, Überschwemmungen
und Fehlernten, verschlimmerten die Lage in
den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts.
Das Armenwesen musste auf neue
Grundlagen gestellt werden. Es entstand in
den 1840er Jahren eine erste staatliche
Sozialgesetzgebung. Ein Armengesetz wurde
erlassen. Ein landschäftlicher Armenfonds
und Ortsarmenfonds in den einzelnen
Gemeinden wurden gegründet. Das fürstli-
che Oberamt versuchte seit dem Ende des 18.
Jahrhunderts mehrmals ohne Erfolg, in
Vaduz ein Armenhaus und eine Pflegestation
für das ganze Land zu errichten. Mit diesem
Haus verbunden, sollte auch ein
Vorratsmagazin für Getreide als Vorsorge für
Hungerzeiten realisiert werden.
unzulänglich hingegen war die ärztliche Pflege und Unter-
bringung von armen Kranken. Wer nicht innerhalb der eige-
nen Familie und Verwandtschaft unterkam, wurde auf Kos-
ten der Dorfgemeinde in einem Haushalt untergebracht
oder im Turnus von Haus zu Haus in Pflege und zur Ver-
köstigung gegeben.
1869 - 1966: Gesetzliche Armenunterstützung, eine
Aufgabe der Bürgergemeinde
1860/62 scheiterte das Projekt einer «Landeskranken- und
Siechenanstalt» gleich wie weitere Versuche eines zentralen
landeskrankenhauses. Ein solches konnte erst mehr als hun-
dert Jahre später, 1981 mit dem neuen Vaduzer Krankenhaus
\ınd Landesspital verwirklicht werden,
869 verabschiedete der Landtag ein neues Armengesetz.
Die gesetzliche Armenunterstützung blieb wie bisher
1ach\ den Verwandten eine Hauptaufgabe de:
semelden Der Anspruch auf Unterstützung durch
lie Gämeinde im Falle der Verarmung oder
Erwerbsunfähigkeit bildete den Kern des Heimat
ınd Bürgerrechts. Wie die alte Dorfgenossen-
°chaft wär die Ortsbürgergemeinde auch eine
\rmengenossenschaft. Jeder Bürgerverband
ıatte für seine Armen und Kranken zu sorgen
ınd die Mittel für deren Unterstützung bereitzustel-
en. Das Bürgervermögen, land- und waldwirt
‘chaftlicher Gemeinbesitz, bot dem einzelnen
Jaushalt nach wie vor einen gewissen Schutz
‚or Verarmung. Die Zuteilung von landwirt-
chaftlichem Nutzboden und Brennholz war eine
‚jedeutende Sozialeinrichtung. So gab es beispielsweise
945 in Vaduz 201 Bürgerhaushalte, die Anspruch auf 350
lafter Pflanzboden und jährlich 4 m3 Brennholz hatten.
Veitere Mittel für die Unterstützung bildeten die Zinsen
ıus dem Lokalarmenfonds, Beiträge aus dem landschäftli-
hen Armenfonds sowie allfällige Haushaltumlagen.
Die Gemeinden bevorzugten anstelle eines zentralen
‚andesinstituts den Bau von lokalen Armenhäusern mit
ingegliedertem Landwirtschaftsbetrieb und billigen eigenen
Arbeitskräften. So sah denn das Gesetz von 1869 Armen-
instalten der Gemeinden unter Leitung eines Verwalters vor.
n diesen Gemeindearmenhäusern sollten nicht nur «kranke
ind arbeitsunfähige sondern auch andere hilfsbedürftige
Dersonen unter angemessener Beschäftigung» unterge-
»racht werden. Bald nach Erlass des Gesetzes entstanden in
len 1870er Jahren in Schaan, Mauren und Triesen Armen-
‚Auser. In Vaduz wurde 1891/92 ein Armenhaus errichtet.
Das geschilderte System des Armen- und Fürsorgewesens
ıatte im Wesentlichen Bestand bis 1966, als das neue Sozial-
nilfegesetz die Wohnsitzgemeinde und das Land anstelle
der Heimat- und Ortsbürgergemeinde für die Fürsorge und
Wohlfahrtspflege zuständig erklärte. Die Bürgergemeinde
bildete nun keine Armengemeinde mehr. Sie verlor eine
jahrhundertalte wichtige Aufgabe.
Entstehung des Vaduzer Bürgerheims
1890 suchte die Gemeinde Vaduz einen Bauplatz für eine
«Gemeindearmenanstalt». Zunächst wurde ein Platz im
Mühleholz ins Auge gefasst, dann aber einem Standort der
Vorzug gegeben, der näher bei Kirche und Schule gelegen
war. Der Geistlichkeit und auch den an der Schule tätigen
Barmherzigen Schwestern sollte der weite Weg ins Mühle-
holz nicht zugemutet werden. Von der Hofkaplanei-
pfründe konnte eine Parzelle von etwa 4’000
Klaftern in der oberen Spania erworben werden.
Die Baupläne erstellte Landestechniker
Peter Rheinberger. Im viergeschossigen
Gebäude waren neben Räumen für die Lehr-
und Krankenschwestern von Zams, darunter
eine kleine Kapelle, acht Schlafzimmer mit 27
Betten und vier Krankenzimmer mit 8 Betten
vorgesehen.
Die Kosten für das Armenhaus wurden auf 13'000
bis 15'000 Gulden geschätzt. Zusammen mit wei-
teren Kosten für Erstellung des Ökonomiegebäudes samt
den verschiedenen landwirtschaftlichen Gerätschaften und
der Einrichtung des Hauses selbst ergab sich ein Gesamtauf-
wand von mindestens 20’000 Gulden. Der Fürst entsprach
einem Gesuch der Gemeinde und des Pfarramtes Vaduz und
gewährte ein in 20 Jahresraten zurückzuzahlendes zinsloses
Darlehen von 12’000 Gulden. Der Landtag bewilligte ein
Darlehen bis zu 6’000 Gulden zu einem Zins von 3%, rück-
zahlbar in 15 Jahresraten. Mit einer Sammlung in der
Gemeinde wurden für die Einrichtung des Wohnhauses
1'300 Gulden Spenden sowie Naturalien und Möbel beige-
steuert. Zur Kostendeckung diente auch der Ortsarmen
"onds. Er betrug 7’000 Gulden.
1891 stand das Armenhaus bereits in Bau. Es folgte das Bau-
zesuch für den Vieh- und Schweinestall. Er hatte eine für
damalige Verhältnisse beachtliche Grösse und wurde in un-
mittelbarer Nähe des Armenhauses hangaufwärts errichtet.
Die Baupläne sind leider nicht mehr vorhanden. Die Kosten
‘ür den Stall samt Einrichtung und Viehhabe wurden mit
»400 Gulden errechnet. Im Juli 1892 war das Wohnhaus fer-