Zur Rolle von Souveränität, Identität und Prosperität ad 1) Die
Internationalisierung der Politik manifestiert sich in interna tionalen Vereinbarungen, Verträgen und Institutionen sowie im Aufbau von SupraStaatlichkeit, von staatsübergreifenden Institutionen mit eige nen, übergeordneten Souveränitätsrechten, etwa im Zusammenhang mit der Europäischen Union. Es kommt zu nationalen Souveränitätseinbus sen, also einer
Entmächtigung der nationalen Souveränität (Kohler 1996). Die nationalen demokratischen Legitimations- und Willensbildungs prozesse werden in ihrer territorialen Wirksamkeit im eigenen Staats wesen zunehmend eingeschränkt. Durch die Vereinheitlichung von wesentlichen Rechtsbereichen werden traditionelle Instrumente und Handlungsspielräume, insbesonders auch in den Bereichen der Wirt- schafts- und Finanzpolitik, der nationalen Gestaltung entzogen (zum Beispiel die Geld- und Währungspolitik im Zuge der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion). Schrittweise zeigt sich eine staats übergreifende öffentliche Aufgabenerfüllung (zum Beispiel Verteidi gung, harmonisierte Teilpolitiken). Für den Kleinstaat ist diese Entmächtigung der nationalen Politik nichts Neues. Die Bürger des Kleinstaates wissen um den engen Hand lungsspielraum, der ihnen für ihre Eigenstaatlichkeit verbleibt. Es stellt sich daher die Frage, welche Handlungsspielräume und staatlichen Auf gaben sie als strategisch, als identitätsstiftend betrachten, die sie folglich, trotz aller Internationalisierung der Politik, unter keinen Umständen aus der Hand geben möchten und können, ohne die Eigenstaatlichkeit und Identität zu verlieren. Daraus könnten in der Folge auch Schlüsse gezogen werden, auf welche Aufgaben sich grössere Staaten im Zuge der Internationalisierung, Globalisierung und Integration zurückziehen dürften. ad 2) Die sich aus sehr verschiedenen Gründen verstärkende
Globa lisierung der Wirtschaft lässt ein traditionelles wirtschaftliches Argu ment pro Grösse eines Staates obsolet werden: der grosse Heimmarkt, mit dessen Hilfe wirtschaftliche Schocks besser abgefedert werden kön nen. In Zeiten der Wirtschaftsliberalisierung, der Globalisierung und der Reduktion der Transport- beziehungsweise Telekommunikations kosten können sich Kleinstaaten den
wohlfahrtserhöhenden Luxus (und das Risiko) der Spezialisierung leisten. Es wachsen die "gewichtslosen" Güter und Leistungen, wie zum Beispiel die Informationsverarbei- tungs- und -Verbreitungsleistungen sowie die Finanzdienstleistungen am schnellsten (vgl. o.V., "The Economist" 1998, S. 65). 27