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angepaßt als ein Ergebnis durchdachter, plan
mäßiger Arbeit. Reoisionsbestrebungen waren
denn auch bereits eingeleitet. — Der Text des
Tarifs ist sehr summarisch. In 88 Positionen
erschöpft sich die Veranlagung. 24 beziehen sich
mis Lebensmittel, 11 auf Genußmittel, 4 auf
Tiere, 3 aus Kleidungsstücke, die übrigen be
treffen vorwiegend Baustoffe und Einrichtungs
gegenstände. Die Zollansätze sind sehr roh an
gelegt, speziell für Fabrikate. Statistische Ge
bühren werden nicht erhoben.
Die Regierung kann die Ansätze des Tarifs
bis auf 50 Prozent ermäßigen oder erhöhen, je
nach dem Fall den Zoll auch ganz nachlassen.
Gegenüber ausländischen Maßnahmen, die liech
tensteinische Handelsintetressen schädigen, kann
die Regierung Abwehrmaßnahmen ergreifen
und zu diesem Zwecke Positionen erhöhen oder
neue Zölle einführen.
Der Tarif ist weniger aus den Schutz wirt
schaftlicher Interessen abgestimmt, als vielmehr
als Fiskalinstrument gedacht.
Die Ernährungsschwierigkeiten, in welche
Oesterreich und damit auch Liechtenstein wäh
rend des Krieges in immer steigendem Maße
vevwickelt wurde, führten zu engeren wirischast-
lichen Beziehungen zwischen der Schweiz und
Liechtenstein, sodaß die Verproviantierung der
liechtensteinischen Bevölkerung zum weitaus
größten Teile durch die Schweiz vor sich ging.
Diese Verbindungen entwickelten sich nach dem
Kriege organisch weiter, sodaß die Schweiz der
erste Lieferant Liechtensteins ist. Gerade diese
Tatsache macht den heutigen Zustand auf die
Dauer unhaltbar. Die Schweiz bezieht die
Grundstoffe der Waren, oder sogar die Waren
selbst, welche Liechtenstein ihm abkaust, aus dem
Auslande. Es entsteht somit für Liechtenstein
hinsichtlich der Einfuhren aus der Schweiz eine
doppelte Belastung. Liechten st ein trägt
den schweizerischen und den liech
tensteinischen Zoll, ohne irgend
wie am Erträgnis des liechten st ei
ner Konsums für die schweizerische
Zollregie beteiligt zusein, aber
auch ohne daß die l rechten st einische
Einfuhr in die Schw eizeineErleich-
terung erfahren würde.
Der heutige Zustand ist somit für die liech
tensteinische Volkswirtschaft ein auf die Dauer
schädlicher. Die scheinbar autonome Zollpolitik,
die Liechtenstein betreibt, läuft letzten Endes
auf die Erhebung von Fiskalabgaben hinaus
und trägt den wirtschaftlichen Bedürfnissen des
Landes doch nicht Rechnung.
Aber auch vom fiskalischen Gesichts
punkte aus ist der heutige Zustand auf die
Dauer unhaltbar. Die Zollerträge erreichen nur
rund 28 Prozent der Staatsausgaben und 43
Prozent der Staatseinnahmen. Es muß auf
eine Erhöhung der Zolleinnahmen gedrungen
werden.
Aus volkswirtschaftlichen wie
staatsfinanziellenErwägungenist
d aher der heutige Z usta nd,de r nur
als Provisorium seine Berechti
gung hat, so rasch wie möglich zu
ändern.
3. Bei der Erkenntnis angelangt, daß eine
Aenderung der Verhältnisse dringlich ist, erhebt
sich nun sogleich die Vorfrage, ob Liech
ten st ein nicht als selbständiges
Zollgebiet den Bedürfnissen sei
ner Volks- und Staatswirtschaft
genügen könnte.
Wir haben oben (2 a) festgestellt, daß tn
Vorkriegszeiten sich Liechtenstein als selbständi
ges Zollgebiet nicht hallen konnte, sondern an
ein größeres Wirtschaftsgebiet Anschluß suchen
mußte. Liegen die Dinge heute für di« zoll-
politische Selbständigkeit günstiger? Die Ad
option der Frankenwährung hat Liechtenstein
automatisch von seinem früheren Wirtschasts-
körper abgebunden! Trotz einer unleugbaren
Annäherung der Preise in Oesterreich an das
Weümarktniveau bestehen doch so große Diffe
renzen in den Preisverhältnissen gerade jener
Waren, die als Exportprodukte für Liechtenstein
in Frage kommen, daß eine deutliche Abtren
nung Liechtensteins nach dieser Richtung hin
lange Zeit bestehen wird. Auch die Auswande
rung nach dem alten Wirtschaftsgebiete Oester
reich-Ungarn hat für die liechtensteinische Be
völkerung ihren Anreiz verloren. Denn die
Barlöhne in Oesterreich, in Realwerte umgerech
net, stehen auf einer viel niedrigeren Stufe als
in Liechtenstein oder gar etwa als in der
Schweiz. Zudem ist auch die Lage des Arbeits
marktes in Oesterreich für die Beschäftigung
Fremder ungünstig. Nach Osten hin ist also
an Stelle einer Wirtschaftsgemeinschaft eine
starke wirtschaftliche Isolierung eingetreten, was
Export und Auswanderung anbelangt. Nach
der schweizerischen Seite hin ist das Land durch
den Zollkordon am Rheine von jenem Wirt
schaftskörper getrennt, mit welchem es durch
Währungs- und Verkehrseinheit (Post und Tele
graph) und während des Krieges intensiver
gestaltete Handelsbeziehungen enger verknüpft
ist. Export stößt auf der Schweizerseite an rela-