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lagen und der übrigen verkehrshemmenden Vor
schriften im Interesse beider Teile, unter dem
Gesichtspunkt der Preislage aber besonders in
jenem des liechtensteinischen Produzenten liegt,
ist eine Tatsache, die wohl keines weiteren Nach
weises bedarf. Liechtenstein wird wirtschaftlich
ein Teil des Rheintales und damit Hinterland
einiger bedeutenden Konsumzentren der Schweiz.
So zeigt es sich denn, daß eine erfreuliche
Uebereinstimmung der Interessen für den Fall
des Zollanschlusses alle Gewähr dafür bietet, daß
ein reger Warenaustausch sich entwickeln kann
und alte Handelsbeziehungen wieder angeknüpft
werden können, die durch eine straffere Aus
gestaltung des schweizerischen Zollsystems und
anderer Grenzvorschriften seit rund 30 Jahren
teilweise Not gelitten haben.
c) Wenn wir — zur Behandlung der Fragen
betreffend die Beschaffung von Ar
beitsgelegenheit übergehend — glau
ben, ein gemeinsames Interesse der Schweiz und
Liechtensteins am Zollanschluß voraussetzen zu
können, so scheint dies beim ersten Blick den
Tatsachen und dafür gemachten Aeußerungen zu
widersprechen. tàhon oben ist darauf aufmerk
sam gemacht worden, daß die Beschäftigung des
Bevölkerungszuwachses für die Schweiz ein
Problem von größter Wichtigkeit sei. Dieselbe
Frage hat wohl für Liechtenstein eine noch grö
ßere Bedeutung. Wird denn durch einen Zoll
anschluß das Problem beiderseits nicht noch
verschärft? Wir scheiden hier einen Teil des
Problems aus, um ihn weiter unten (B 2) zu
behandeln, nämlich die Frage nach dem Charak
ter der Zollpolitik mit Bezug auf die Ent
wicklung der Arbeitsgelegenheit im Lande
Liechtenstein selbst. Hier gehen wir an die
Aufgabe nur insoweit heran, als die Be
schäftigung von Liechtensteinern
in der Schweiz in Frage kommt. Die
Frage wird behandelt unter der Voraussetzung,
daß durch den abgeschlossenen Zollvertrag der
schweizerische Arbeitsmarkt den liechtensteinischen
Arbeitsuchenden geöffnet werde- Inwiefern dies
geschieht, wird der zweite Abschnitt des Gut
achtens zeigen.
Ist denn der schweizerische Arbeitsmarkt
überhaupt in der Lage, Arbeitskräfte aufzuneh
men und insbesondere solche aus dem Fürsten
tum?
Daß dies normalerweise der Fall war, geht
aus der starken Zuwanderung ausländischer
Arbeitskräfte in die Schweiz überhaupt hervor.
Wie stehen die Dinge aber heute, wo noch immer
für rund 35,000 Mann in der Schweiz keine
Arbeit beschafft werden konnte und wo der Grad
der Arbeitslosigkeit jetzt noch ein solcher ist, daß
der Bund sogar die Auswanderung nach über
seeischen Ländern durch Subventionen unter
stützen muß, um den Arbeitsmarkt zu entlasten?
Es ist sehr wohl denkbar, daß der Arbeits
markt eines Landes im allgemeinen überfüllt
sein kann und daß trotzdem ein Zuzug von Ar
beitern notwendig ist. Erziehung, Bildungs
niveau, plötzliches Auftreten oder Aufblühen
neuer Industrien und Gewerbe, starke Nachfrage
auf einem Teilgebiete des Arbeitsmarktes neben
anderen Faktoren können solche Zustände tatsäch
lich hervorrufen. So ist z. B. die Klage inter
national und allgemein, daß landwirt
schaftliche Arbeitskräfte auch zu Zei
ten der Arbeitslosigkeit rar sind. Dieser Zustand
zeigt sich nun gerade auf dem schweizerischen
Arbeitsmarkte in besonders deutlicher Weise. In
der Landwirtschaft ist an tüchtigen Knechten und
Mägden fast immer Mangel. Von ganz besonde
rer Wichtigkeit ist aber, daß gewisse gewerb
liche Berufe in der Schweiz vorwiegend zur
Domäne der Ausländer geworden sind. Es sind
dies die sogen, schweren („rauhen") gewerblichen
Berufe, wo Kraftentfaltung bei gleichzeitigem
Standhalten gegenüber Wind und Wetter not
wendig ist. Erdarbeiter, Kanal- und Tunnel
arbeiter, Maurer, Zimmerleute usw., mit einem
Worte vor allem Bauarbeiter sind Berufe, vor
denen sich die schweizerischen Arbeiter bis zu
einem gewissen Grade scheuen. In diesen Be
rufen haben seit vielen Jahrzehnten ausländische
Arbeitskräfte in der Schweiz ihr gutes Auskom
men gefunden. Der Schweizer wendet sich mehr
und mehr den leichteren, den sogen, „besseren"
Berufen zu. Da ist denn gerade für die liech
tensteinischen Arbeitskräfte die Situation beson
ders günstig. Die Kargheit des Bodens und die
Armut des Landes zwingt den Liechtensteiner
in seiner Heimat zu schwerem Arbeiten. Wir
stoßen bei einer Durchprüfung des Bevölke
rungsstandes nach seiner beruflichen Zusammen
setzung vorwiegend auf Bauern, Taglöhner,
Maurer, Holzarbeiter, Fuhrleute und dergl. Be
rufe. für die es in der Schweiz auch unter den
ungünstigsten Verhältnissen immer Arbeitsgele
genheit gibt und für welche die Schweizer feit
manchen Jahrzehnten die Arbeitskräfte zumeist
von außen und zum Teil weither beziehen muß
ten. Der schweizerische Arbeits
markt ist das natürliche Aufnahme
gebiet der liechtensteinischen Ar
beitskräfte. Bei der Mehrzahl dieser
Berufe handelt es sich nun gerade um solche,