Volltext: Staat und Kirche

Herbert Wille und mehr Abstand.120 Dies geschieht wohl aus der Einsicht heraus, dass der moderne Staat um der Einheit der Rechtsordnung und um der Freiheit und Gleichheit seiner Bürger willen in einer zunehmend kon­ fessionell gemischteren Bevölkerung allgemeine Normen setzt, für deren einheitliche Interpretation und Auslegung er einstehen und sie einheit­ lich vollziehen muss.121 Mit Blick auf eine konsequente Durchsetzung der Religionsfreiheit und des Gleichheitssatzes (Art. 31 LV)122 ist einer der Hauptkritikpunkte des heutigen staatskirchenrechtlichen Systems die privilegierte Stellung der römisch-katholischen Kirche als Landes­ kirche. Ihre öffentlichrechtliche Rechtsstellung soll nicht mehr verfas­ sungsrechtlich verankert werden bzw. bleiben.123 Landesschulrat (Art. 95 LV), dem nach Art. 3 des bisherigen Schulgesetzes (1929) auch ein Mitglied aus der (katholischen) «Landesgeistlichkeit» angehörte, abgeschafft. 120 
Vgl. die kirchlichen Stellungnahmen zum Schwangerschaftsabbruch im Zusammen­ hang mit der Strafrechtsreform (StGB 1988 in Fn 4) und neuestens die Scheidungs­ reform (vorne Fn 11). Ein solcher Vorschlag wäre 1973 noch nicht möglich gewesen, obwohl auch damals staatlicherseits klargestellt worden ist, dass der Staat nicht aus­ schliesslich konfessionell-katholische Gesichtspunkte berücksichtigen darf. Siehe dazu den Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein zur Schaffung eines neuen Ehegesetzes vom 19. Oktober 1973, S. 5, und die Ausführun­ gen bei Peter Sprenger (Fn 8). 121 Vgl. Martin Hecket, «In Verantwortung vor Gott und den Menschen...» - Staatskirchenrecht und Kulturverfassung des Grundgesetzes 1949-1989, in: 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland. 40 Jahre Rechtsentwicklung. Tübingen 1990, S. 22 f. In diesem Sinne auch der Bericht und Antrag der Regierung vom 19. Oktober 1973 an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein zur Schaffung eines neuen Ehegesetzes, wenn es dort heisst: «Eine Vereinheitlichung des Eherechts für alle Konfessionen ist daher an­ gebracht. Staatliche und kirchlich-katholische Rechtsordnung sind ihrem Selbstver­ ständnis nach nicht miteinander vergleichbar und können nicht in Einklang gebracht werden. Nach der Verfassung kann die staatliche Ehejurisdiktion nicht zu Gunsten der kirchlichen aufgegeben werden» (S. 5). 122 So ist beispielsweise das deutsche Staatskirchenrecht im Prinzip der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates zusammengefasst, das auf der weltlichen Legitimität des säkularen Verfassungsstaates, auf der Gleichheit vor dem Gesetz und auf der Religionsfreiheit basiert. Vgl. Peter Badura, Das Staatskirchenrecht als Gegen­ stand des Verfassungsrechts. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchen­ rechts, in: Joseph Listl/Dietrich Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., Berlin 1994, S. 211 (223). 123 Vgl. Art. 46 Abs. 3 des Verfassungsvorschlages der Freien Liste, der die Möglichkeit vorsieht, dass der Staat Religionsgemeinschaften als «öffentlich-rechtliche Körper­ schaften» anerkennen kann und der keine Rücksicht mehr darauf nimmt bzw. davon absieht, dass die römisch-katholische Kirche in ihrem öffentlich-rechtlichen Status mit den herkömmlichen Vorrechten und Privilegien und ihren Einrichtungen von Verfas- sungs wegen gesichert ist. So in Freie Liste Info 3/96, S. 12. Ihre Vorstellungen über eine zeitgemässe Staatskirchenordnung legt die Freie Liste im Beitrag «Das Kreuz mit der Kirche» in: Freie Liste Info 3/1998, S. 1 ff., insbesondere S. 6 f., dar. Ausgangspunkt ihrer Argumentation ist der religiös neutrale Staat. Vgl. auch den Bericht und Antrag 104
	        

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