Volltext: Staat und Kirche

Staat und Kirche in Liechtenstein die Grundrechtsausübung in jeder Form erfolgen, d.h. privat und öffentlich, allein und in Gemeinschaft. Auch wenn bei der Glaubens­ und Gewissensfreiheit des Art. 37 Abs. 1 LV der Schutz des Einzelnen im Vordergrund zu stehen scheint, kann der starke Gemeinschaftsbezug von Religion nicht in Abrede gestellt werden, so dass etwa gesagt wird, Religion sei wesensmässig mit menschlicher Gemeinschaft und gemein­ schaftlicher Ausübung verbunden.54 Art. 37 Abs. 1 LV erfährt durch Art. 9 Abs. 1 EMRK55, der die Frei­ heit der Weltanschauung56 gewährleistet, eine Schutzerweiterung. Die neuere Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes legt denn auch die Glau­ bens- und Gewissensfreiheit in diesem Sinne aus.57 Art. 37 Abs. 1 LV. Vgl. die Zusammenfassung der schweizerischen Lehre und Recht­ sprechung bei Dieter Kraus (Fn 52), S. 87/Fn 67. 54 So Nikolaus Blum, Die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit nach Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 19), Berlin 1990, S. 64. Der sog. kollektiven Religionsfreiheit wird von Dieter Kraus (Fn 52), S. 95, eine geringe dogmatische Relevanz beigemessen, da sie unter dem Aspekte des vorerwähnten Gemeinschaftsbezuges im Wesentlichen in der «Bündelung der individuellen religiösen Freiheit der Beteiligten» bestehe und kein neuer Grund­ rechtsträger geschaffen werde. 55 Diese Bestimmung stellt unmittelbar anwendbares Recht dar. Zudem geniesst die EMRK Verfassungsrang. In StGH 1995/21, Urteil vom 23. Mai 1996, LES 1/1997, S. 18 (28) heisst es: «Die Europäische Menschenrechtskonvention ist seit dem 8-9.1982 in Liechtenstein in Kraft. Deren Verletzung kann gemäss Art. 23 Abs. 1 lit. a StGHG gleich der Verletzung eines Grundrechts der LV mit Verfassungsbeschwerde gerügt werden. Die EMRK hat damit in Liechtenstein faktisch Verfassungsrang.» Vgl. auch Gerard Bat- liner, Die liechtensteinische Rechtsordnung und die Europäische Menschenrechtskon­ vention, in: Peter Geiger/Arno Waschkuhn (Hrsg.), Liechtenstein: Kleinheit und Inter- dependenz, LPS 14, Vaduz 1990, S. 91 (149 ff.). Kritisch Wolfram Höfling, Liechtenstein und die Europäische Menschenrechtskonvention, in: Archiv des Völkerrechts, Bd. 36 (1998), S. 140 (144). Zu den Auswirkungen der Konvention auf die liechtensteinische Rechtsordnung siehe auch die Zusammenfassung der Rechtsprechung des Staatsge­ richtshofes bei Wolfram Höfling, Grundrechtsordnung (Fn 50), S. 30 und Herbert Wille/Marzeil Beck, Liechtenstein und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), LPS 10, Vaduz 1984, S. 227 (243 f.). 56 Es gilt in bezug auf die Freiheit der Weltanschauung nach Art. 37 Abs. 1 LV wohl auch das, was Ulrich Häfelin, in Kommentar BV (1996), Art. 49, Rdnr. 46, diesbezüglich aus­ geführt hat. Danach schützt diese Bestimmung die Weltanschauung nur, soweit sie Ausdruck des Religiösen oder Transzendenten ist und eine Gesamtschau der Welt und des Lebens zum Gegenstand hat. Denn sonst würde sich der Schutzbereich ins Uferlose verlieren. 57 In StGH 1985/11, Urteil vom 2. Mai 1988, LES 3/1988, S. 94 (101) hält der Staats­ gerichtshof fest, dass der Einzelne nicht «zu bestimmten weltanschaulichen oder reli­ giösen Ansichten oder Verhaltensweisen angehalten» werden dürfe. In StGH 1995/34, Urteil vom 24. Mai 1996, LES 2/1997, S. 78 (83) spricht er sich dafür aus, dass sich die Beschwerdeführerin spezifisch auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit und auf Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls der EMRK berufen könne, da die von ihr betriebene Schule 91
	        

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