Volltext: Staat und Kirche

Herbert Wille Von dieser aus den Materialien klar abzuleitenden Abgrenzung abge­ sehen, ist die (staats)rechtliche Erscheinungsform dieser vom Staat er­ richteten Landeskirche im Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche vom Verfassungsgeber nicht weiter ausgeführt worden. Man scheint sich darüber keine grossen Gedanken gemacht zu haben. Es wurden für diese Landeskirche nicht wie in schweizerischen kantonalen Rechtsordnun­ gen die entsprechenden staatskirchenrechtlichen Strukturen geschaf­ fen,32 wie es auch unterblieben ist, die in Art. 38 Satz 2 der Verfassung vorgesehenen «Kirchgemeinden» durch ein «besonderes Gesetz» zu regeln. Auch eine einfachgesetzliche Ausgestaltung des Verhältnisses des Staates zur römisch-katholischen Kirche und zu den anderen Konfessio­ nen ist nicht unternommen worden.33 Die Folge davon sind Ungereimt­ heiten und kaum miteinander in Einklang zu bringende Rechtskonstella­ tionen. Es besteht zwar von Verfassungs wegen eine Landeskirche als staatliches Rechtsgebilde, das aber mangels Organisation vielfach nicht zum Tragen kommt, so dass sich daneben in der Staats- und Verwal­ tungspraxis die römisch-katholische Kirche als Amtskirche erhalten hat. Sie tritt als ein in ihren eigenen Organisationsformen vom Staate aner­ kanntes, d.h. kirchliches Rechtsgebilde in Erscheinung, z.B. als Diözese, Dekanat34 oder Pfarrei35, so dass man sagen könnte, die römisch-katho­ 32 So auch Giusep Nay, Der Übergang vom Dekanat Liechtenstein zum Erzbistum Vaduz aus staatskirchenrechtlicher Sicht (Rechtsgutachten zuhanden der Regierung des Für­ stentums Liechtenstein vom 6. Mai 1988), S. 17 f. Vgl. auch die Charakterisierung des katholisch geprägten Modells des Staatsbekenntnisses bei Christoph Winzeier, Struktu­ ren von einer «anderen Welt»: Bistumsverhältnisse im schweizerischen Bundesstaat 1848-1998, ihr historischer Wandel und ihre Inkulturation (Freiburger Veröffent­ lichungen zum Religionsrecht; Bd. 2), Freiburg/Schweiz 1998, S. 88 f. 33 Dieser Umstand erhellt auch, dass die liechtensteinische Landeskirche nicht den Charakter einer Staatskirche hat, wie z.B. in England oder in den skandinavischen Staaten. 34 Vgl. Art. 3 des Gesetzes vom 20. Oktober 1987 über die Ausrichtung von Beiträgen an die römisch-katholische Landeskirche, LGB1. 1987 Nr. 63, LR 181.0, und die Vereinba­ rung vom 2. Dezember 1993 zwischen dem Dekanat des Fürstentums Liechtenstein und den Gemeinden des Fürstentums Liechtenstein. 35 § 867 ABGB (LR 210.0) verweist für die Gültigkeit von Rechtsgeschäften mit den dadurch erfassten juristischen Personen auf öffentlichrechtliche Bestimmungen bzw. deren Verfassung, so dass die entsprechenden innerkirchlichen Gültigkeitsvorschriften von amtswegen zu beachten sind. So Richard Potz, Staat und Kirche in Osterreich, in: Gerhard Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, Baden-Baden 1995, S. 251 (272). 86
	        

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