Volltext: Staat und Kirche

Religionsfreiheit aus katholischer Sicht Gott gegenüber, die sich im Imperativ des Gewissens spiegelt, kann kei­ nem Menschen abgenommen werden, soll er sein eigentliches Mensch­ sein nicht verfehlen. Das bedingt, dass allen Menschen jener Freiheits­ raum zugesichert werden muss, dessen sie zu ihrer Selbstverwirklichung bedürfen. In zweiter Linie verweist der Konzilstext auf das Wesen von Wahrheit und Religion. Beide sind vom Menschen ohne Freiheit existenziell nicht verantwortlich zu vollziehen. Aus ihrem Wesen heraus lässt sich Wahr­ heit nicht durch Zwang vermitteln. Erzwungene Religion hebt sich als Religion selbst auf. Was den 
Inhalt des Rechts betrifft, sei nur erwähnt, aber nicht näher ausgeführt, dass Religionsfreiheit nach dem Konzil sowohl die 
individu­ elle Glaubens- und Gewissensfreiheit wie auch die 
korporative Freiheit der Religionsgemeinschaften umfasst. Die individuelle Gewissensfrei­ heit erstreckt sich nicht nur auf den religiösen, sondern ebenso auf den sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Bereich, wobei solche Gewis­ sensentscheide wohl meist eine religiöse Komponente haben. Weiter darf Religionsfreiheit nicht ausschliesslich im Sinne einer 
negativen Reli­ gionsfreiheit verstanden werden, also als blosse Ausschliessung von Zwang, was letztlich zu einem «Recht zum Schweigen» führen würde. Religion muss auch öffentlich ausgeübt werden können, das öffentliche Bekenntnis darf nicht verboten werden, sonst besteht die Gefahr, dass Indifferentismus von Staates wegen das Mass setzt. Es gibt daher auch eine 
positive Religionsfreiheit. Was die 
Natur des Rechts angeht, unterstreicht «Dignitatis humanae»: Beim Recht der Person auf Religionsfreiheit geht es weder um die Bezie­ hung des Menschen zu Gott noch um die Wahrheitsfrage, sondern um die Beziehungen der Menschen im gesellschaftlichen und staatlichen Le­ ben. Es geht nicht um Freiheit von der Verpflichtung Gott und der Wahrheit gegenüber, sondern um Freiheit vom Zwang in der bürger­ lichen Gesellschaft. Die Pflicht aller Menschen und der verschiedenen menschlichen Gesellschaften der Wahrheit gegenüber bleibt bestehen. Es handelt sich dabei aber um die 
moralische und nicht die 
rechtliche Ord­ nung. Diese klare Unterscheidung ist für ein kirchliches Lehrdokument wohl erstmalig. Inhalt und Ziel der rechtlichen und moralischen Ordnung sind ver­ schieden. Recht ist nicht Tugend- oder Wahrheitsordnung, sondern 55
	        

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