Volltext: Staat und Kirche

Carl Hans Brunschwiler Bereich, unabhängig davon, ob eine Religionsgemeinschaft öffentlich­ rechtlich anerkannt oder privatrechtlich organisiert ist. Soweit bei öffentlichrechtlicher Anerkennung staatskirchenrechtliche Körperschaf­ ten geschaffen werden, erfährt 
deren Organisationsfreiheit (Lehre und Kult sind ohnehin nicht tangiert) von ihrer staatlichen Grundlegung her Einschränkungen. Dies ist keine unzulässige Beeinträchtigung der Grundrechte.37 Wenn sich die katholische Kirche die dualistische Orga­ nisationsform, die ihre kanonistische Gestalt mit einer körperschaft­ lichen Hülle umgibt, nicht gefallen lassen will, kann sie theoretisch dar­ auf, d.h. auf die öffentlichrechtliche Anerkennung, verzichten, denn diese stellt nach der heutigen staatlichen Auffassung und Ausgestaltung ein Privileg dar und nicht (mehr) eine staatliche Zwangsmassnahme gegen die Kirche. Ein Verzicht seitens der Kirche wäre allerdings - ins­ besondere wenn die öffentlichrechtliche Anerkennung längst besteht und entsprechend staatlich geregelt ist - ein schwieriger Vorgang. Politisch müsste er sich eigentlich durch die Kirchgenossen artikulieren, die in den staatskirchenrechtlichen Körperschaften über deren Organi­ sation befinden, innerkirchlich aber keine Organstellung hfben und somit den Willen der Kirche auch nicht direkt zum Ausdruck bringen können. Es wäre zu fragen, wer auf der Organisationsstufe der staatskir­ chenrechtlichen Körperschaften Träger der korporativen Religionsfrei­ heit ist: die Amtskirche oder die sich selbständig organisierenden Kir­ chengenossen? Es ist denn auch paradoxerweise so, dass heute die «Gefahr» staatlicher Kirchenhoheit für die Kirche nicht so sehr als vom Staat ausgehend befürchtet wird, als von den Kirchgenossen. Was gele­ gentlich von kirchlicher Seite gegen die bestehende Verbindung von Staat und Kirche vorgebracht wird, richtet sich eigentlich gegen die Freiheit, welche die staatskirchenrechtliche Körperschaftsorganisation den Kirchen mitgliedern einräumt. Die Gefahr, dass von vermögens­ 37 Eichenberger (Fn 36), S. 369, Vorbemerkung zum siebten Abschnitt, Rz. 2. Gemäss Ueli Friedrich, Kirchen- und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat. Bern 1993, S. 262 bleibt es fraglich, ob die Europäische Konvention zum Schutze der Men­ schenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) der «Staatsnähe» von Kirchen, wie sie namentlich in den skandinavischen Ländern heute noch besteht, Grenzen setzt; die Kommission hat in dieser Hinsicht bis heute keine Bedenken geäussert. Nach bundes­ gerichtlicher Rechtsprechung steht auch eine weitgehende staatliche Organisation öffentlichrechtlich verfasster Kirchen nicht in Widerspruch zu den Art. 49 und 50 der Bundesverfassung (Friedrich, a.a.O., S. 268, Fn 142). 42
	        

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