Volltext: Staat und Kirche

Markus Walser gerecht zu werden. Der zwischen dem Hl. Stuhl und der Republik Österreich abgeschlossene Vertrag zur Regelung von vermögensrechtli­ chen Beziehungen vom 23. Juni 1960 geht von der Fortgeltung des Kir­ chenbeitragssystems aus, stellt aber ausdrücklich klar, dass die Kirche über die erzielten Einkünfte frei verfügen kann. Bemühungen um eine Verbesserung des Systems, vor allem im Hinblick auf die staatliche Hilfe bei der Erfassung der Beitragspflichtigen sowie durch Gewährung der sogenannten politischen Exekution, d.h. des Verwaltungszwangs gegen säumige Beitragspflichtige, sind aber vorerst gescheitert. Der Kirchenbeitrag beträgt seit 1992 1,15% des Einkommens abzüg­ lich öS 460.-. Vom landwirtschaftlichen Vermögen beträgt er zwischen 7 Promille (bei niedrigeren Einheitswerten) bis 2 Promille bei hohen Einheitswerten und bei übrigen Vermögenswerten. Für Alleinverdiener und Kinder gibt es Absetzbeträge. Wenn das österreichische Kirchenbei­ tragssystem in seiner heutigen Ausgestaltung den Kirchen auch grössere Freiheit im Blick auf eine eigenständige Tarifgestaltung lässt, weil die Kirchenbeiträge nicht wie die Kirchensteuer in der Bundesrepublik Deutschland an staatliche Massstabsteuern anknüpfen, und wenn es auch das in der Bundesrepublik kritisierte «lautlose Staatsinkasso» der Kirchensteuererhebung vermeidet, so enthält es doch andere Fragwür­ digkeiten: Der Kirchenbeitrag besitzt nicht den Charakter einer öffent­ lich-rechtlichen Abgabe und ist deshalb nicht wie die deutsche Kirchen­ steuer staatlich verwaltbar. Die kircheneigene Beitragsverwaltung kostet etwa 10 bis 15 % der Kirchenbeitragseinnahmen, während die staatliche Kirchensteuer-Verwaltungshilfe in der Bundesrepublik Deutschland mit der Zahlung von 3 bis 4% des Kirchensteueraufkommens - grosszügig - abgegolten wird. Die - wegen dürftiger staatlicher Hilfe - mit einer un­ zureichenden Erfassung der Beitragspflichtigen beginnenden Probleme setzen sich damit fort, dass den Kirchen nicht wie in der Bundesrepublik Deutschland die staatlichen Steuerunterlagen als exakte Grundlage der Beitragsfestsetzung zur Verfügung stehen. Der dadurch eintretende Verlust wird mit etwa einem Drittel der Kirchenbeitrags-«Soll»-Einnah- men beziffert. Hinzu kommt, dass der Kirchenbeitrag bei Nichtzahlung - auf eine persönliche Anordnung Hitlers hin - nicht wie eine von der Kirche selbst verwaltete Kirchensteuer im Wege der sog. politischen Exekution mit Hilfe eines «Rückstandsausweises» als Vollstreckungstitel beim säumigen Beitragspflichtigen direkt eingezogen werden kann, son­ dern zunächst vor den staatlichen Gerichten eingeklagt werden muss, 346
	        

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