Volltext: Staat und Kirche

Liechtenstein im Bistum Chur Kirche» anzunehmen. Ein neues Patrimonium Petri sollte auf generöse und elegante Weise offeriert werden. Das war im Frühjahr 1916. Der Papst sah darin das Ei des Kolumbus. Diese Lösung würde ihn wieder in den Kreis der politischen Mächte einreihen. Und damit wäre er mit einem Schlag die lästigen Sorgen los um italienische Zusicherun­ gen und die Angst wegen allfälliger Unberechenbarkeit der Römer Re­ gierung. Die katholischen «Neuen Zürcher Nachrichten» griffen das Thema auf, allerdings ohne Bezug auf Liechtenstein. In einem Artikel vom 4. März 1916 sollten die Leser für die leidige, immer noch desolate Situation des Papstes im kirchenfeindlichen Rom sensibilisiert werden. Der Papst habe von einem künftigen Friedensschluss nichts Positives zu erwarten. In einer Vortragsreihe in Köln im Februar und März 1916 wurde die These vertreten, dass der Papst zwar grundsätzlich ein Terri­ torium brauche, aber ein paar Quadratkilometer könnten auch genügen. Offenbar bräuchten die nicht unbedingt in Rom ausgemessen zu wer­ den, wie der vatikanische Kommentar dazu verlauten liess. Die desillu- sionierte Kurie wäre mittlerweilen mit einer Minimallösung zufrieden gewesen. Die Euphorie des Papstes über das mögliche Angebot übertrug sich auch auf Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri. Über das Projekt wurde auch der Sekretär für ausserordentliche kirchliche Angelegenheiten, Eugenio Pacelli, der spätere Pius XII., orientiert. Damit hätte sich der Papst seinen Platz am Tisch der zu erwartenden Friedenskonferenz ge­ sichert. Nur eben, man hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Zwar war von Anfang an klar, dass der Papst nie daran dachte, nach Vaduz zu über­ siedeln. Der Fürst von Liechtenstein würde zum «erblichen Reichsver­ weser» ernannt - später dachte man an den geläufigeren Titel «Statthal­ ter» - und den Rang eines Kardinalbischofs erhalten. Aber die Gretchen­ frage war: Wie stellte sich das Haus Liechtenstein zur schmeichelhaft empfohlenen Grosszügigkeit? Der Vatikan wollte von sich aus nichts un­ ternehmen, damit der Nimbus der Freiwilligkeit ja nicht getrübt werde. Der Ball war nun wieder bei Erzberger. Dieser orientierte den Wiener Erzbischof und Kardinal Pfiffl, der sich für den Plan erwärmte, aber in Erwartung der fürstlichen Reaktion, skeptisch blieb. Bei der Schwester des Fürsten, Gräfin Aloisia Fünfkirchen, fand der Kardinal «kein ge­ neigtes Ohr», weil die Liechtensteiner dann nicht mehr als Ebenbürtige 189
	        

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