Volltext: Staat und Kirche

Pfarrei und Gemeinde am Beispiel Vaduz 2. 
Kirchgemeinde und politische Selbständigkeit5 Die Teilung einer Pfarrei konnte für eine Nachbarschaft oder Dorfge­ nossenschaft den ersten Schritt auf dem Weg zur politischen Selbständig­ keit bedeuten. Die politische und kirchliche Verselbständigung eines Dorfes verlief vielfach parallel. Oft folgte auf die Bildung einer Kirchge­ meinde die Teilung des Gemeindeterritoriums. Die Konstituierung eines neuen politischen Gemeinwesens konnte aber auch der Teilung des alten Pfarrverbands vorangehen. Dies war in Vaduz der Fall. Die im Kirch­ spiel oder in der Mutterpfarrei Schaan zu einer Markgenossenschaft ver­ bundenen dörflichen Genossenschaften von Schaan, Vaduz und Planken teilten ihr Territorium um 1800 und erhielten 1809 nach der Aufhebung der alten Landammannverfassung den Status von politischen Gemein­ den. Die kirchliche Selbständigkeit erlangte Vaduz erst einige Jahrzehnte später. Das Interesse der Bauern und Bürger am kirchlichen Angebot lässt sich mit dem Wunsch nach intensiverer sakramentaler Betreuung und vermehrter Teilnahme an der Eucharistiefeier erklären. Das Kirchenvolk legte Wert auf die tägliche Feier der heiligen Messe, die Taufe der Kinder, die Erteilung der Sterbesakramente und die Bestattung der Toten im Kreis der Gemeinde. Eine Kultstätte am Ort vermittelte den Ortsbe­ wohnern den Eindruck, Gott und den Heiligen näher zu sein. Zudem profitierte die ganze Dorfgemeinde vom Schutz, den der Heilige als Patron der Dorfkirche den Dorfbewohnern mit seiner Anwesenheit in ihrer Gemeinde bot. Zu den religiösen Motiven gesellten sich aber noch andere. So hatte die Kirche im Dorf besondere Bedeutung als Statussymbol der dörf­ lichen Gemeinde. In den Filialgemeinden wurde der Besuch der vielfach weit entfernten Pfarrkirche zunehmend vernachlässigt. Sie unternahmen alles, um durch Aufstockung von Stiftungskapital Pfarrrechte für die Pfründe in ihrem Dorf zu gewinnen. Die Unabhängigkeit von der Mut­ terkirche und die Erhebung der Filialkirche zur eigenständigen Pfarrei wurden auf diese Weise angestrebt. 5 Vgl. dazu Ospelt, 125 Jahre Pfarrei (Fn 2). 119
	        

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