Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Die gutachterliche Tätigkeit des Staatsgerichtshofes lieh die in einem besonderen Verfahren erfolgende, gerechtigkeitsorien- tierte "Zusprechung" von Rechten und Pflichten im Einzelfall durch un­ abhängige Gerichte sei. Obwohl er seine Gutachtertätigkeit in seinem Zu- ständigkeits- und Aufgabenbereich aus "grundsätzlichen Überlegungen zur Natur der höchstrichterlichen Rechtsprechung" als "Fremkörper" empfindet, möchte er in ihr jedoch keine Verletzung des Gewaltentei­ lungsgrundsatzes und auch keine unzulässige "Uberdehnung" des Be­ griffes der Rechtsprechung erblicken.102 Er begegnet diesem funktionell- rechtlichen Einwand, indem er für sich "gewisse Sicherungen" reklamiert, die ausschliessen, dass in einem Gutachtenverfahren über die "Rechte von Parteien" entschieden wird. Auch gibt er zu bedenken, dass einem Gut­ achtenverfahren die "Fall-Orientiertheit" fehle, m.a.W. ein konkreter Fall an sich nicht Gegenstand eines solchen Verfahrens sein könne. Mit diesem Vorgehen sieht er sich in Ubereinstimmung mit "bewähr­ ter Lehre und Rechtsprechung". Eine rechtsvergleichende Untersu­ chung führe nämlich zum gleichen Ergebnis. So hätten sich in denjeni­ gen Staaten, in denen Verfassungsgerichte Gerichtsgutachten erstatteten, die meisten dieser Gerichte geweigert, Gutachten zu erstatten, wo eine Präjudizierung privater Rechte zu befürchten gewesen sei oder eine Ein­ mischung in hängige Gesetzgebungs- oder Verwaltungsverfahren nötig gewesen wäre. Auch hätten sie unterstrichen, dass die "Abstraktheit" der Gutachten eine strikte präjudizielle Verbindlichkeit unerwünscht mache.103 Daraus zieht der Staatsgerichtshof für sich den Schluss, dass er sich in einem Gutachten nur mit "aller Zurückhaltung und Behutsam­ keit" zu "Rechtsfragen" äussern könne.104 Es entspräche auch besser seiner der "Gerichtsbarkeit zugewiesenen Stellung" oder den ihm zu­ kommenden und von ihm wahrzunehmenden "Aufgaben der Recht­ 102 StGH 1976/6, Gutachten vom 10. Januar 1977, ELG 1973 bis 1978, S. 407 (409). Ähn­ lich das deutsche Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 2, 79 (86 f.), das auch von der Verfassungsmässigkeit seiner Gutachterkompetenz ausgegangen ist, obwohl es die Er­ stattung von Gutachten als dem Gerichtscharakter wesensfremd gehalten hat. 103 StGH 1976/6, Gutachten vom 10. Januar 1977, ELG 1973 bis 1978, S. 407 (410). So weist Theo Ritterspach, Unvorgreifliche Gedanken zu Reformen im verfassungsge­ richtlichen Verfahren, S. 291, darauf hin, dass beispielsweise das spanische Gesetz (Organgesetz über das Verfassungsgericht) in Art. 79 Abs. 5 ausdrücklich vorsehe, dass eine solche präjudizierende Wirkung nicht eintrete. 104 StGH 1976/6, Gutachten vom 10. Januar 1977, ELG 1973 bis 1978, S. 407 (409). Wie es sich allerdings mit dieser Devise in der Praxis verhält, ist hinten S. 98 f. und 100 f. dar­ gestellt. 95
	        

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