Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit gerechtfertigt, die unter den heutigen Bedingungen einer umfassenden Sozialstaatlichkeit vielfachen Gefährdungen durch die politischen Insti­ tutionen ausgesetzt seien, die durch rein negative Entscheidungen der Verfassungsgerichte nicht hinreichend beseitigt werden könnten. Sie würden oft einen noch verfassungswidrigeren Zustand herbeiführen, als dies ohne eine solche Entscheidung der Fall wäre.143 Der Staatsgerichts­ hof beruft sich in diesem Zusammenhang auf "schwergewichtige Sach- zwänge"144, die gegen eine Kassation der als verfassungswidrig erkann­ ten Bestimmungen sprechen. In einer anderen Formulierung heisst dies, dass er nicht ohne Not in die Gesetzgebungsbefugnis des Landtages ein­ greifen darf, andernfalls er Gefahr laufen würde, sich als politische In­ stanz zu betätigen und damit gegen das Gewaltenteilungsprinzip Ver­ stössen würde,145 m.a.W. sich nur als Organ der Rechtsprechung betäti­ gen dürfe. Es lassen sich auch in der Rechtsprechung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes - wie bereits vorhin vermerkt - vermehrt Ansätze dafür finden, wonach sich seine Tätigkeit nicht mehr nur auf negative, kassatorische Entscheidungen beschränkt. Eine solche Entwicklung überrascht nicht, steht er doch mit seiner Verfassungspraxis stark im Einflussbereich von Judikatur und Lehre seiner beiden Nachbarstaaten Osterreich und der Schweiz.146 
Auch die Spruchpraxis des deutschen 143 Vgl. zu diesem Themenkreis Alexander v. Brünneck, Verfassungsgerichtsbarkeit in den westlichen Demokratien, S. 166 ff. (177). 144 StGH 1995/20, Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1/1997, S. 30 (37). 145 StGH 1993/3, Urteil vom 23. November 1993, LES 2/1994, S. 37 (38). Für Deutschland kritisch Gerd Roellecke, Verfassungsgerichtsbarkeit, Gesetzgebung und politische Führung, S. 32, der meint, dass sich die Verfassungsgerichtsbarkeit nicht in das übliche Gewaltenteilungsschema einordnen lasse. 146 Nach Peter Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen, S. 198 f., hat der österreichische Verfassungsgerichtshof in den letzten Jahren "zunehmend verfassungsrechtliche Normen auch als inhaltlichen Prüfungsmass­ stab von Gesetzen benutzt". Er greift bisweilen auch als "positiver Gesetzgeber" durch. So Rene Marcic, Verfassung und Verfassungsgericht, S. 205. Für die Schweiz: Jörg Paul Müller, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, S. 94, spricht dem Verfassungsgericht die Aufgabe einer "korrektiven und komplementären Funktion gegenüber dem Gesetzgeber" zu. Vgl. auch Walter Kälin, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 169, der dafürhält, dass "aktive verfassungsgerichtliche Rechts­ schöpfung" zur Notwendigkeit werde, wenn sich dem Gericht zeige, dass dem Gesetz­ geber die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Lösung anstehender Grundrechtsprobleme abgehe. Vgl. in diesem Zusammenhang auch bei Giovanni Biaggini, Verfassung und Richterrecht, S. 455 ff., die Darstellung der neueren Rechtsprechung des schweizeri­ schen Bundesgerichts zum Thema des "säumigen Gesetzgebers". 66
	        

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