Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Die Verfassungsgerichtsbarkeit im geschichtlichen Zusammenhang gibt es Anhaltspunkte, die sich aus dem Kontext des Entwicklungsgan­ ges der Verfassungsberatungen ergeben und aus denen sich bestimmte Schlüsse ziehen lassen. Es ist anzunehmen, dass auch rechtspolitische Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Zeitdokumente können nicht befragt werden. Denn die entscheidenden Vorgänge haben sich hinter den politischen Kulissen abgespielt, wie dies die Schlossprotokolle auch bestätigen. Das Grundanliegen der Vertreter der christlich-sozialen Volkspartei war bekannt. Sie wollten einen Rechtsstaat nach schweizerischem Mu­ ster verwirklichen. So galt ihr Blick über die Grenzen in erster Linie der Frage, wie ausländisches Verfassungsrecht und ausländische Staatspraxis behilflich sein können, den obrigkeitlichen Polizeistaat zu überwinden. Dabei interessierten die Rechtsschutzgarantien mehr als der Gedanke auf Einführung einer möglichst umfassenden Verfassungsgerichtsbarkeit in Gestalt der Normenkontrolle. Das ist nicht weiter verwunderlich, war man doch bemüht, den Freiheitsraum, der gegenüber dem Staat er­ kämpft wurde, rechtlich abzusichern. Dies war eine der Realitäten, denen das besondere Augenmerk der initiativen Verfassungskräfte galt. Der von Dr. Josef Peer gemachte Vorschlag zur Errichtung der Ver­ fassungsgerichtsbarkeit entstammte zwar einem ihnen "fremden" Recht, für das sie wenig Verständnis aufbrachten. Es ist anzunehmen, dass sie sehr wohl erkannten, dass die Verfassungsgerichtsbarkeit als rechtsstaat­ liches Instrument ihren Intentionen entgegenkam.106 Die Stossrichtung stimmte mit der ihrigen überein, so dass die Einführung der Verfas­ sungsgerichtsbarkeit nach dem österreichischen Vorbild nur positive Folgen auf die Verfassungslage haben konnte, so dass sich keine weite­ ren Erörterungen aufdrängten und Beratungen darüber ausblieben.107 106 Dies war beispielsweise auch beim Landesverwaltungspflegegesetz (LVG) von 1922 der Fall, das österreichischen Ursprungs ist; siehe dazu Andreas Kley, Grundriss des liech­ tensteinischen Verwaltungsrechts, S. 20 ff. und 317. 107 Dies ist den Grundgedanken der Verfassungsgerichtsbarkeit zu entnehmen, wie sie Hans Kelsen damals formuliert hatte. Walter Antonioiii, Hans Kelsen und die öster­ reichische Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 28 f., fassen sie wie folgt zusammen: Alle staat­ lichen Akte sollen auf eine Norm höchstens Ranges zurückgeführt werden können. Insbesondere soll ein zentrales Gericht, ein Verfassungsgericht, die Tätigkeit aller Staatsorgane, auch der höchsten, im besonderen auch des Gesetzgebers und der Regie­ rung, auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüfen und bei Verletzung der Verfassung den verfassungsmässigen Zustand wieder herstellen. Massstab dieser Prüfung soll allein die Verfassung sein. Verfassungsgerichtsbarkeit soll also Rechtskontrolle, nicht politische Kontrolle sein. 57
	        

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