Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit war, hatte mit Dr. Josef Peer45, dem vom Fürsten designierten Landesver­ weser, zu tun, der zusammen mit dem fürstlichen Kabinettssekretär Josef Martin an den Gesprächen teilnahm. Sie übernahmen den Verfassungspart des Fürsten. Auf der Gegenseite standen die Unterhändler der christlich­ sozialen Volkspartei. Die Fortschrittliche Bürgerpartei spielte eine untergeordnete Rolle.46 
Im Forderungskatalog der christlich-sozialen Volkspartei hat Dr. Josef Peer die Verfassungsgerichtsbarkeit als staats­ rechtliche Beschwerde vorgefunden. Unter seinem Einfluss wurde sie als Verfassungsfrage thematisiert. Kannte der Entwurf von Dr. Wilhelm Beck noch eine im Sinn der schweizerischen Rechtsordnung "eingeschränkte" Verfassungsgerichtsbarkeit,47 die in dieser Ausprägung als Vorlage für die vorläufige Entschliessung des Fürsten vom 11. September 192048 diente, hat sie in der revidierten Fassung vom 13. September 1920, die die Ein­ wände der Vertreter der christlich-sozialen Volkspartei berücksichtigte, in der erweiterten Form der Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Geset­ zen Gestalt angenommen. Das Gewicht ist damit eindeutig in Richtung Normenkontrolle verschoben worden. In der Regierungsvorlage ging Dr. Josef Peer noch einen Schritt wei­ ter, indem er auch die Prüfung der Regierungsverordnungen auf ihre Gesetzmässigkeit zum Zuständigkeitsbereich des Staatsgerichtshofes ge­ schlagen hat.49 Als "Liberaler"50 war er wohl ein Verfechter des Justiz­ 45 Zu Person und Lebenslauf siehe Friedrich Wilhelm Kremzow, Rechtsanwälte als Mit­ glieder des k. k. Verwaltungsgerichtshofes, in: Friedrich Lehne/Edwin Loebenstein/ Bruno Schimetschek (Hrsg.), Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsge­ richtsbarkeit, Festschrift zum 100jährigen Bestehen des österreichischen Verwaltungs­ gerichtshofes, Wien/NewYork 1976, S. 39 (53 ff.). 46 Die Fortschrittliche Bürgerpartei geriet bei den Schlossabmachungen ins Abseits. Sie fühlte sich in dieser entscheidenden Phase des Verfassungsprozesses zurückgesetzt und teilweise sogar übergangen, siehe Herbert Wille, Regierung und Parteien - Auseinan­ dersetzung um die Regierungsform in der Verfassung 1921, S. 110, und Rupert Quade­ rer, Der historische Hintergrund der Verfassungsdiskussion von 1921, S. 133. 47 So Karl-Georg Zierlein, Die Bedeutung der Verfassungsrechtsprechung für die Bewah­ rung und Durchsetzung der Staatsverfassung, S. 314. 48 Rupert Quaderer, Der historische Hintergrund der Verfassungsdiskussion von 1921, S. 128 f. 49 Nach den revidierten Schlossabmachungen vom 13. September 1920 gehörte zur Kom­ petenz des Staatsgerichtshofes nur die Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Geset­ zen. Von Verordnungen war noch nicht die Rede; siehe Rupert Quaderer, Der histori­ sche Hintergrund der Verfassungsdiskussion von 1921, S. 129. 50 Er gehörte der ehemaligen "alpenländischen liberalen Partei" an, so Rupert Quaderer, Der historische Hintergrund der Verfassungsdiskussion von 1921, S. 122/Anm. 41. Seine an­ geblich liberale Geisteshaltung stiess beim Bischöflichen Ordinariat in Chur auf Kritik. Vgl. dazu Herbert Wille, Die Verfassung von 1921: Parteien und Kirche, S. 112. 40
	        

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