Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit 2. Verfassung 1862 In der Verfassung von 1862 nahm der liechtensteinische Staat eine grundlegend andere Gestalt an.16 Er trägt jetzt unverkennbar die Züge einer "konstitutionellen Monarchie". Erst mit dieser Verfassung wurde der Rahmen der Deutschen Bundesakte und der Wiener Schlussakte voll ausgeschöpft.17 Die Verfassungsgerichtsbarkeit hat aber in ihr nach wie vor keinen Platz. Es hat zwar wie in anderen Staaten des Deutschen Bundes die Ministeranklage Eingang in die Verfassung gefunden. Sie mündet aber nicht in eine gerichtliche Entscheidung, so dass nicht von einer Staatsgerichtsbarkeit gesprochen werden kann. Es wird dem Land­ tag nur das Recht des Antrages auf Anklage wegen Verfassungs- und Gesetzesverletzungen der verantwortlichen Staatsdiener18 zugestan­ den,19 wobei dieser Antrag gemäss § 42 der Verfassung an den Landes­ fürsten zu richten war. Dieser Antrag blieb vom Entscheid des Landes­ fürsten abhängig. Die sogenannte Ministeranklage kann daher nicht als eigentliches Instrument zur Verteidigung der Verfassung20 gegen Über­ griffe des Fürsten verstanden werden. Volker Press meint denn auch, dass sie zur "Anzeige" beim Fürsten "degeneriert" sei.21 Dieses An­ tragsrecht ist ebenso wie die schiedsgerichtliche Regelung der Verfas­ sungsstreitigkeiten ohne praktische Bedeutung geblieben.22 16 Vgl. Gerard Batliner, Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht, S. 33 ff.; Herbert Wille, Monarchie und Demokratie als Kontroversfragen der Verfassung 1921, 17 Vgl. etwa § 122, abgedruckt in LPS 8, S. 273 (293), nachdem die Hofkanzlei bei der Ver­ fassung 1818 der "Garantie des Deutschen Bundes" noch ablehnend gegenübergestan­ den hat. So Rupert Quaderer, Politische Geschichte des Fürstentums Liechtenstein von 1815 bis 1848, S. 26 f. 18 Nach § 27 der Verfassung von 1862, abgedruckt in LPS 8, S. 274 ff. (277), wird die in der Hand des Fürsten liegende Regierungsgewalt nach Massgabe der Bestimmungen der Verfassung durch verantwortliche Staatsdiener ausgeübt, welche der Landesfürst er­ nennt. 19 So § 40 Bst. d der Verfassung von 1862, abgedruckt in LPS 8, S. 274 ff. (279). 20 Vgl. dazu Ulrich Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichtes, S. 32. 21 Volker Press, Das Fürstentum Liechtenstein im Rheinbund und im Deutschen Bund (1806-1866), S. 93. 22 So auch in den anderen Staaten des Deutschen Bundes; siehe Ernst Friesenhahn, Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, S. 15; Ulrich Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert, S. 33. 34
	        

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