Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Entscheidungsinhalte und Entscheidungswirkungen eine Kassation aus Gründen der Wahrung des Rechtsbestandes und der Rechtssicherheit beziehungsweise aus Gründen der Praktikabilität oder der Rücksichtsnahme auf den Gesetzgeber.133 Es soll also der fest­ gestellten Verfassungswidrigkeit keine Bedeutung beigemessen werden, wofür verfassungsrelevante Gründe ins Feld geführt werden.134 Dabei fallen insbesondere die "verfassungspolitischen" Konsequenzen einer allfälligen Aufhebung der als verfassungswidrig gerügten Bestimmung ins Gewicht, auf die Bedacht genommen wird.135 Der Staatsgerichtshof vertritt dazu die Meinung, dass ihm eine solche "pragmatische Mit­ tellösung"136 erlaube, "unzweideutig seine verfassungsrechtliche Leit­ funktion wahrzunehmen und verfassungswidrige Rechtsnormen selbst dann als solche zu benennen, wenn eine Kassation aus gewichtigen praktischen oder verfassungspolitischen Gründen ausnahmsweise nicht realisierbar ist."137 Der Staatsgerichtshof erwartet vom Gesetzgeber in jedem Fall ein Tätigwerden, ohne dass er aber die Appellentscheidung mit einer zeitlichen Befristung versehen würde.138 Es soll gegebenen­ falls dem Gesetzgeber Zeit zu einer entsprechenden Reaktion einge­ räumt werden, da es nicht Aufgabe des Staatsgerichtshofes sein kann, den unter Umständen "komplexen, von zahlreichen, wesentlich auch politischen Faktoren abhängigen Entscheidungsfindungsprozess vor­ wegzunehmen".139 133 Die für eine Appellentscheidung ausschlaggebenden "Sachzwänge" (so StGH 1995/20, Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1/1997, S. 30 [37]) sind zu vielfältig und lassen sich kaum systematisieren, da sie zu sehr mit den Besonderheiten des Einzelfalls zusammenhän­ gen. 134 In StGH 1984/12, Urteil vom 8./9. April 1986, LES 3/1986, S. 70 (72), dienten dem Staatsgerichtshof solche Gründe ("Wahrung der Rechtsgrundlage des Versicherungs­ vertragswesens und in Erwartung der vorgesehenen Rechtsbereinigung") noch als Aus­ weg, um von einer amtswegigen Prüfung eines - wie sich aus den vorausgehenden Dar­ legungen und StGH 1981/18, Beschluss vom 10. Februar 1982, LES 2/1983, S. 39 (42 f.) ergibt - verfassungswidrigen Gesetzes Abstand nehmen zu können. 135 So StGH 1990/16, Urteil vom 2. Mai 1991, LES 3/1991, S. 81 (83). 136 Von einer "pragmatischen Lösung" spricht auch Wiltraut Rupp v. Brünneck, Darf das Bundesverfassungsgericht an den Gesetzgeber appellieren?, S. 372. 137 StGH 1995/20, Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1/1997, S. 30 (38). Vgl. auch Andreas Kley, Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts, S. 314 f. 138 Vgl. auch die bei Benda/Klein, Lehrbuch des Verfassungsprozessrechts, S. 496/Rdnr. 1193 f., wiedergegebene Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichtes. 139 StGH 1993/3, Urteil vom 23. November 1993 als Verwaltungsgerichtshof, LES 2/1994, S. 37 (39). 320
	        

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