Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Verfassungskonforme Auslegung V. Kein Akt der Normenkontrolle Wie die Praxis des Staatsgerichtshofes ausweist, ist die verfassungskon­ forme Auslegung nicht zu den "klassischen" Entscheidungstechniken93 zu zählen. Es lassen sich - soweit ersichtlich - keine Fallbeispiele finden, in denen sie im Spruch der Entscheidung Niederschlag gefunden hätte.94 Bisher sind denn auch Erwägungen dieser Art ausschliesslich nur in den Entscheidungsgründen anzutreffen95 oder in den vom Staätsgerichtshof verfassten Leitsätzen enthalten.96 Die Spruchpraxis des Staatsgerichtsho­ fes ist daher noch zu wenig gesichert. Es müssen noch weitere Judikate abgewartet werden, um eine Bewertung dieser Auslegungsmethode im Rahmen der Normenkontrolle vornehmen zu können. Es handelt sich bei der verfassungskonformen Auslegung zwar um eine "Rechtsprechungsfigur",97 sie tritt aber im Rahmen der Normen­ kontrolle nicht als Entscheidungsvariante der Kassation gegenüber. Der Staatsgerichtshof scheidet unter dem Titel der verfassungskonformen Auslegung nur jene Möglichkeiten der Auslegung aus, die zu einem ver­ fassungswidrigen Ergebnis führen. Er ist aber nicht befugt auszuspre­ chen, welche von mehreren an sich verfassungskonformen Auslegungen eines Gesetzes die richtige ist. Der Staatsgerichtshof darf nicht eine be­ stimmte Auslegung vorschreiben.98 Damit würde er neues Recht schaf­ 93 So in Anlehnung an eine Formulierung aus StGH 1989/15, Urteil vom 31. Mai 1990 als Verwaltungsgerichtshof, LES 4/1990, S. 135 (140), unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Landesbericht der Bundesrepublik Deutschland zur VII. Konferenz der Eu­ ropäischen Verfassungsgerichte, verfasst von Wolfgang Zeidler, in: EuGRZ 1988, S. 207 (213). 94 StGH 1967/2, Entscheidung vom 6. Mai 1968, ELG 1967 bis 1972, S. 219 (220), stellt einen Normenkontrollfall dar, indem der Staatsgerichtshof feststellt, dass § 6 der Wald­ ordnung, LGB1 1866 Nr. 2, nicht gesetzwidrig ist. Daran ändert auch die in der Folge getroffene Auslegung des Wortes "dermalige" in § 6 der Waldordnung, die in den Ent- scheidungsausspruch aufgenommen wurde, nichts. 95 Als Beispiele können erwähnt werden: StGH 1994/25, Urteil vom 23. Mai 1996, LES 4/1996, S. 191 (194); StGH 1994/16, Urteil vom 11. Dezember 1995, LES 2/1996, S. 49 (55), und StGH 1979/5, Entscheidung vom 11. Dezember 1979, LES 1981, S. 113 (114). 96 Zum Beispiel in StGH 1995/12, Urteil vom 31. Oktober 1995, LES 2/1996, S. 55, wo der Staatsgerichtshof eine der Verfassung widersprechende Auslegung ausscheidet. Vgl. auch StGH 1995/12, Urteil vom 31. Oktober 1995, LES 2/1996, S. 55. 97 Kurt Vogel, Das Bundesverfassungsgericht und die übrigen Verfassungsorgane, S. 243. Auf den "Kompromisscharakter" dieser Interpretationstechnik weist Ludwig Adamo- vich, Verfassungsgerichtsbarkeit und ordentliche Gerichtsbarkeit, S. 8, hin. 98 So Peter Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen, S. 201. Vgl. auch Nikiaus Müller, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung, S. 128 f. 311
	        

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