Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Gegenstand, Umfang und Massstab der Normenkontrolle Passivität"268, wenn der Gesetzgeber an sich genügend Zeit gehabt hätte, eine aufgrund des allgemeinen Gleichheitsgebotes offensichtlich nach wie vor verfassungswidrige Gesetzeslage zu bereinigen. So hebt er die in Art. 34 Abs. 1 des Steuergesetzes enthaltene Mehrbesteuerung von Ehe­ paaren gegenüber Konkubinatspaaren auf, die er zuvor schon mehrfach beanstandet hatte,269 da sie nach wie vor "massiv" und eine Abhilfe durch den Gesetzgeber nicht absehbar sei. In diesem Fallbeispiel scheint dem Staatsgerichtshof die gesetzgeberi­ sche "Regelungsprärogative" als gleichsam "verwirkt" zu sein.270 Er hatte schon in StGH 1991/14271 erkennen lassen, dass vor dem Hinter­ grund des neu geschaffenen Art. 31 Abs. 2 der Verfassung die bisher "eher zurückhaltende" Rechtsprechung angesichts dieser veränderten Verfassungslage nicht mehr gelten solle und ihm die Aufgabe zugefallen sei, den Gesetzgeber überall dort direkt oder indirekt zu entsprechenden legislatorischen Schritten zu zwingen, wo die Rechtslage nicht rechtzei­ tig oder nur mangelhaft dem Gleichheitsgrundsatz angepasst worden sei.272 Der Staatsgerichtshof kann aber nicht an Stelle des Gesetzgebers eine bestimmte Regelung treffen. Er hat nach eigenen Worten nicht dar­ über zu befinden, ob und welche Lösung der Gesetzgeber im einzelnen zu treffen hat.273 Dies ist Aufgabe des Gesetzgebers.274 Es wird aber aus 268 StGH 1994/6, Urteil vom 4. Oktober 1994 als Verwaltungsgerichtshof, LES 1/1995, S. 16(23). 269 So in StGH 1989/15, Urteil vom 31. Mai 1990 als Verwaltungsgerichtshof, LES 4/1990, S. 135 (138 ff.), und StGH 1990/15, Urteil vom 2. Mai 1991 (nicht veröffentlicht), S. 13 f. Diese Fallbeispiele verdeutlichen, dass der Staatsgerichtshof im Umgang mit dem "säumigen Gesetzgeber" auch zum Appell an den Gesetzgeber greift. Vgl. auch StGH 1995/12, Urteil vom 31. Oktober 1995, LES 2/1996, S. 55 (61). 270 Beatrice Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, Basel/Frankfurt a. M. 1983, S. 3; in gleichem Sinn Giovanni Biaggini, Verfassung und Richterrecht, S. 468. 271 StGH 1991/14, Urteil vom 23. März 1993, LES 3/1993, S. 73 (76). 272 Der Staatsgerichtshof bezieht sich dabei auf den Bericht der Regierung an den Landtag Nr. 79/1991 und insbesondere auf seine Appelle in StGH 1990/13, Urteil vom 3. Mai 1991, LES 4/1991, S. 136, und StGH 1990/16, Urteil vom 2. Mai 1991, LES 3/1991, S. 81 (83). 273 StGH 1991/15, Urteil vom 2. Mai 1991, LES 3/1991, S. 77 (80). Vgl. auch StGH 1993/3, Urteil vom 23. November 1993 als Verwaltungsgerichtshof, LES 2/1994, S. 37 (38), wo der Staatsgerichtshof seine Grenzen als Verfassungsgericht absteckt. Ein Verfassungs­ gericht habe von vornherein eine eingeschränkte funktionelle Eignung zur Korrektur allfälliger gesetzgeberischer Fehlleistungen, da es nur kassatorisch und damit punktuell in die Gesetzgebung eingreifen könne. 274 In diesem Sinn etwa StGH 1990/16, Urteil vom 2. Mai 1991, LES 3/1991, S. 81 (83); StGH 1988/16, Urteil vom 28. April 1989 als Verwaltungsgerichtshof, LES 3/1989, S. 115 (118); StGH 1981/14, Beschluss vom 9. Dezember 1981, LES 1982, S. 169, und StGH 1966/14, Gutachten vom 26. Juni 1967, ELG 1967 bis 1972, S. 215 (217). Vgl. auch vorne S. 65 ff. und 153. 276
	        

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