Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Gesetze Kundmachung von Gesetzen ihm zur Prüfung zu unterbreiten hätten. Dies ist aber eine verkürzte Sichtweise von Art. 28 Abs. 2 StGHG und entspricht in keiner Weise seinem Regelungsgehalt. Aus dessen Gegen- schluss ergibt sich vielmehr, dass auch die anderen Gerichte die gehörige Kundmachung von Gesetzen prüfen dürfen. Verneint bei­ spielsweise ein Gericht die gehörige Kundmachung eines Gesetzes, so kann für es eine Anfechtung nicht in Frage kommen. Der Staatsge­ richtshof hätte allfällige derartige Anträge auf Aufhebung nicht gehörig kundgemachter Gesetze zurückzuweisen.82 Es ist dem Staats­ gerichtshof auch darin nicht zuzustimmen, wie dies gängige Praxis ist,83 dass er nicht kundgemachte Gesetze als Gesetze prüfen und wegen Kundmachungsmangels aufheben kann. Sie sind nämlich nicht existent, das heisst nichtig und können demzufolge nicht vom Staats­ gerichtshof geprüft beziehungsweise aufgehoben werden.84 Dies ergibt sich auch als logische Konsequenz aus der in Art. 104 Abs. 2 der Ver­ fassung verankerten Verwerfungskompetenz beziehungsweise Kassa­ tionsbefugnis des Staatsgerichtshofes, wonach nur in Kraft stehende verfassungswidrige Gesetze aufgehoben beziehungsweise aus dem "Rechtsbestand" ausgeschieden werden können oder, wie es der Staatsgerichtshof in StGH 1996/44 formuliert, dass eine noch nicht er­ lassene Rechtsnorm nicht aufgehoben werden kann, da eine Aufhe­ bung per definitionem den rechtsgültigen Bestand einer Rechtsnorm voraussetzt.85 82 Vgl. Siegbert Morscher, Besprechung von VwGH 28. März 1977, 159/76, in: JB1 1977, S. 660 (662). 83 Vgl. etwa StGH 1980/10, Entscheidung vom 10. Dezember 1980, LES 1982, S. 10 (11). Dieser Entscheidung lag ein Prüfungsantrag des Landgerichts wegen Verfassungswid­ rigkeit des Strassenverkehrsgesetzes von 1959, LGB1 1960 Nr. 3, zugrunde. Die Verfas­ sungswidrigkeit wurde im Mangel der gehörigen Kundmachung gesehen. Als weitere Belege können die folgenden Verordnungsbeispiele dienen. So hebt der Staatsgerichts­ hof in StGH 1996/1 und 2, Urteil vom 25. Oktober 1996 (nicht veröffentlicht), S. 1, die Richtlinien der Regierung vom 23. Oktober 1979 für die Zulassung als allgemein beei­ deter Dolmetscher und Ubersetzer und in StGH 1978/12, Entscheidung vom 11. De­ zember 1978 (nicht veröffentlicht), S. 2, die Notfalldienstordnung des Liechtensteini­ schen Ärztevereins vom 1. Dezember 1977 auf. Vgl. dazu auch vorne S. 75 f. und hinten S. 256 ff. 84 In StGH 1973/5, "Entscheid" vom 2. Juli 1973, ELG 1973 bis 1978, S. 361 (364), hatte der Staatsgerichtshof noch dafürgehalten, dass es sich erübrige, Richtlinien, die nicht publiziert sind, nach den Vorschriften des Staatsgerichtshofgesetzes aufzuheben. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hatte in der Zeit vor der Bundes-Verfassungsge- setznovelle 1975 ein Gesetz unbeachtet gelassen, wenn eine Kundmachung überhaupt nicht vorgelegen hatte. So Herbert Haller, Die Prüfung von Gesetzen, S. 126. 85 StGH 1996/44, Urteil vom 25. April 1997 (noch nicht veröffentlicht), S. 11. 227
	        

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