Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Gegenstand, Umfang und Massstab der Normenkontrolle schränkt beziehungsweise begnügt sich mit der Feststellung, dass das besagte Ermächtigungsgesetz nicht in einem offensichtlichen Wider­ spruch zur Verfassung steht. Aus dieser Aussage lässt sich zur Frage der Verfassungsmässigkeit des Ermächtigungsgesetzes beziehungsweise ei­ nes Verfassungsgesetzes wie auch zu seiner Prüfungskompetenz nicht viel gewinnen. Eine andere in der Entscheidung gemachte Äusserung hat nichts mit dieser Thematik zu tun. Sie bezieht sich auf das Verord­ nungsrecht der Regierung, dessen Grenzen er mit den Worten festlegt, sie dürfe "neben der Verfassung und neben den übrigen Gesetzesbe­ stimmungen, nicht aber gegen diese, ein Notrecht schaffen." Man könnte angesichts dieser wenig aussagekräftigen Formulierungen der Meinung sein, dass hier der Staatsgerichtshof seine Prüfungskompe­ tenz als Selbstverständlichkeit betrachtet, die keiner weiteren Begrün­ dung mehr bedarf. Fest steht jedenfalls, dass er sich grundsätzlich als zuständig erachtet hat, das Ermächtigungsgesetz beziehungsweise ein Verfassungsgesetz auf seine Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. Dies lässt auch den Schluss zu, dass der Staatsgerichtshof verfassungswidriges Verfassungsrecht zumindest theoretisch für möglich hält.61 Keinem Ein­ wand dürfte begegnen, wenn man annimmt, dass der Staatsgerichtshof ein Verfassungsgesetz darauf hin überprüfen kann, ob es der Verfassung entsprechend, das heisst formgerecht zustande gekommen ist.62 Schwie­ riger ist jedoch die Frage zu beantworten, ob auch formell einwandfrei zustande gekommene Verfassungsgesetze auf ihre inhaltliche Uberein­ stimmung mit der Verfassung, das heisst der "Grundordnung" (Landes­ grundgesetz/Grundgesetz, Art. 111 Verfassung) überprüft werden kön­ 61 Das deutsche Grundgesetz stellt mit Art. 79 Abs. 3 einen eigenständigen Prüfungsmass­ stab für Verfassungsrecht bereit. Siehe dazu beispielsweise BVerfGE 30, 1 ff; 89, 155 ff. Vgl. zur deutschen Verfassungsrechtslage auch Klaus Schiaich, Das Bundesverfassungs­ gericht, S. 84/Rdnr. 118 und 93/Rdnr. 133, und Benda/Klein, Lehrbuch des Verfassungs­ prozessrechts, S. 178 f./Rdnr. 427; zur Rechtslage in Osterreich Martin Hiesel, Verfas­ sungsgesetzgeber und Verfassungsgerichtshof, S. 67 ff.; Felix Ermacora, Die Bedeutung der Überprüfung von Bundesverfassungsgesetzen durch den österreichischen Verfas­ sungsgerichtshof, S. 538; Herbert Haller, Die Prüfung von Gesetzen, S. 79 f.; Theo Oh­ linger, Verfassungsgesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 1 ff.; Heinz Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht, S. 396, und Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, S. 420/Rdnr. 1153. 62 Vgl. etwa Felix Ermacora, Die Bedeutung der Uberprüfung von Bundesverfassungsge­ setzen durch den österreichischen Verfassungsgerichtshof, S. 538. Es findet eine Prüfung in formeller Hinsicht statt, das heisst, ob Verfassungsgesetze eine Verfassungsänderung enthalten und von der vorgeschriebenen qualifizierten Mehrheit beschlossen worden sind. 222
	        

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