Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

System und Arten der Normenkontrolle Eine unmittelbare Verfassungsbeschwerde oder ein "Individual- antragsrecht"169 gegen Gesetze oder Verordnungen kennt das Staats­ gerichtshofgesetz nicht.170 So hat auch eine "Privatperson" als Antrag­ stellerin zuerst eine Rechtssache beim Staatsgerichtshof anhängig zu machen, zu deren materiellen Behandlung die Anwendung der be­ treffenden Gesetzes- oder Verordnungsnorm notwendig ist. Nur in die­ sem Zusammenhang ist es möglich, die Prüfung der Verfassungs- oder Gesetzmässigkeit einer Norm zu beantragen.171 Es braucht in diesem Sinn einen "Parteiantrag".172 Ausserhalb dieses Verfahrens steht ihr ein Antragsrecht auf Prüfung und Aufhebung einer Gesetzes- oder Verord­ nungsbestimmung nicht zu. Der Staatsgerichtshof schliesst auch eine Popularklage aus.173 Er hält sie im Normanfechtungssystem für entbehr­ lich. Die Parteien können gemäss Art. 23 StGHG nur indirekt anlässlich der Anfechtung eines individuellen Gerichts- oder Verwaltungsaktes die Normenkontrolle durch den Staatsgerichtshof herbeiführen. Dazu zählen auch Enderledigungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbar­ keit (Rechtsfürsorgeverfahren) und in Disziplinarangelegenheiten sowie 169 StGH 1982/65, Urteil vom 9. Februar 1983, LES 1/1984, S. 1 (3). 170 StGH 1982/26, Beschluss vom 1. Juli 1982, LES 3/1983, S. 73; zur selbständigen An­ fechtung von Verordnungen (Kollektivpopularklage) gemäss Art. 26 StGHG siehe vorne S. 87 ff.; anders die Rechtslage in Österreich, siehe Art. 139 Abs. 1 und 140 Abs. 1 B-VG, zitiert nach Heinz Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht, S. 325 bzw. 334; in Deutschland (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG) wird zwischen der Verfassungs­ beschwerde gegen eine Norm und der Verfassungsbeschwerde gegen eine Gerichtsent­ scheidung unterschieden. Beide Haupttypen können jedoch nicht vollständig vonein­ ander getrennt werden. Wegen der vom Bundesverfassungsgericht geforderten "unmit­ telbaren Betroffenheit" des Beschwerdeführers gelangen Normen keineswegs immer direkt, das heisst vor Beschreiten des Rechtsweges, gegen einen sie anwendenden Indi­ vidualakt zur Entscheidung; vgl. Ekkehard Schumann, Verfassungs- und Menschen­ rechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen, S. 33 und 45, und ders., Verfas­ sungsbeschwerde (Grundrechtsklage) zu den Landesverfassungsgerichten, S. 149 (209 f.) zur Verfassungsbeschwerde als Normenkontrollbeschwerde) und Ulrich Steinwedel, "Spezifisches Verfassungsrecht" und "einfaches Recht". Der Prüfungsumfang des Bun­ desverfassungsgerichts bei Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen, S. 23 f. 171 So ausdrücklich StGH 1963/3, Entscheidung vom 17. Oktober 1963, ELG 1962 bis 1966, S. 209 (210). 172 In StGH 1970/2, Entscheidung vom 11. Januar 1971, ELG 1967 bis 1972, S. 256 (258), macht der Staatsgerichtshof darauf aufmerksam, dass er gemäss Art. 24 StGHG jeder­ zeit über die Verfassungsmässigkeit von Gesetzen von Amts wegen oder über Antrag einer Partei zu erkennen habe, wenn er eine Bestimmung in einem bestimmten Fall an­ zuwenden habe. Diese Voraussetzung sei hier gegeben, da ein entsprechender "Partei­ antrag" vorliege. 173 StGH 1993/15, Urteil vom 16. Dezember 1993, LES 2/1994, S. 52 (53); zur selbständi­ gen Anfechtung von Verordnungen gemäss Art. 26 StGHG siehe vorne S. 86 ff. 114
	        

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