Der Heilige Geist und wir, die Kirche zu Vaduz
Festpredigt
Pfingsten ist das Geburtsfest der Kirche. Denn sie hat ihren Anfang genommen mit dem
Kommen des Heiligen Geistes als versprochener Wegbegleiter durch die Zeiträume und als
Erinnerer an alles, was Jesus gesagt und getan hat (vo 14,26); erfahrbar gekommen unter den
Zeichen der Feuerzungen und des Sturmes; mit anderen Worten: er feuerte die junge kirchli-
che Gemeinschaft zum begeisterten Zeugnis an und brachte Bewegung in sie. Dass sie
nicht auf sich selbst begrenzt bleiben wird, deuten bereits die vielen Namen von Volksgrup-
pen an, die im Pfingstbericht aufgezählt werden. Da wird niemand ausgeschlossen oder auf
sine bestimmte Form festgenagelt. Die aus dem Judentum kommenden Glieder der Kirche
anerkennen jene aus dem Heidentum und umgekehrt. Sie hätten alles gemeinsam gehabt,
wird weiter berichtet (Apg 2,44). Gemeint ist damit die Sorge füreinander. Sammlungen, die
Paulus in Griechenland und anderswo für die Armen in Jerusalem durchführt, zeigen das
eindrücklich. Das alles ging keineswegs ohne Auseinandersetzungen ab; so ist in der Apo-
stelgeschichte auch von Streit die Rede, aber sie haben sich nicht zerstritten, sondern die
Argumente der anderen angehört und miteinander den Weg gesucht (Apg 15,f.22-29). In den
wichtigen Entscheidungen wurden alle miteinbezogen, weil der Heilige Geist der Wegbe-
gleiter der kirchlichen Gemeinschaft als ganzer ist. Hart greift Paulus durch, wenn der Streit
um Personen geht und Spaltungen hervorruft, beispielsweise bei den Korinthern, denen er in
seinem ersten Brief schreibt, was das denn soll: Ich halte zu Paulus, ich zu Apollos, ich zu
Petrus; auf Christus allein komme es an (vgl. 1 Kor 1,129.
An den Sonntagen der österlichen Zeit haben wir aus der Apostelgeschichte Berichte über
die Anfänge der kirchlichen Gemeinschaft gehört. Mir haben vor allem zwei Punkte Eindruck
gemacht: Sie waren sich der Anwesenheit des Heiligen Geistes bewusst und das hat sie
befähigt, voll überzeugt zu sagen: Der Heilige Geist und wir sind Zeugen der Auferstehung
(Apg 5,32) oder: der Heilige Geist und wir haben beschlossen ... (Apg 15,28).
Ich staune über die Weite des Herzens und die Großzügigkeit in der Kirche, über die die
Apostelgeschichte berichtet, sowie über die Fähigkeit, Konflikte beizulegen. So wurde ihr
Zeugnis von der Auferstehung machtvoll (Apg 4,33), und immer mehr wurden zum Glauben an
den Herrn geführt (Apg 5,14). Beim Blick auf die Kirche der frühen Zeit wird für uns um so
schmerzlicher, was heute in ihr geschieht. Zugegeben: Es ist die Schwierigkeit einer Groß-
kirche wie jeder Großorganisation, dass die persönlichen Beziehungen zu allen nicht mehr
so leicht möglich sind wie in einer Kleingruppe. Doch wo das möglich ist — eben in der Pfarrei
als der kirchlichen Gemeinschaft am Ort und in der Kirche unseres Landes muss das Bild
der Urkirche das Modell bleiben.
Pfingsten als Geburtsfest der Kirche ist auch das Geburtsfest der Pfarreigemeinschaft zu
Sankt Florin, die vor 125 Jahren am 27. Mai gegründet worden ist und am 6. Juni 1873 die
bischöfliche Anerkennung erhalten hat. Ich finde es tiefgründig, dass dieses Jubiläum mit
dem Pfingstfest zusammenfällt. Will uns das nicht deutlich daran erinnern, dass der Heilige
Geist auch uns als Wegbegleiter gegeben ist?
Darum möchte ich mir an diesem Jubiläumstag drei Weisungen zu eigen machen, die der
Apostel Paulus seinen Gemeinden — heute würden wir sagen: seinen Pfarreien — gegeben
hat.
Erstens: „Löscht den Geist nicht aus!“ (7 Thess 5,19)
Er ist der Grund für die Glaubensbegeisterung — nicht zu verwechseln mit kurzlebigem En-
thusiasmus oder engstirnigem Fanatismus! Lassen wir uns die Begeisterung — oder sagen
wir besser — die Freude am Glauben nicht zertreten wie eine Glut! Sie darf gerade heute