‘Die Gemeinde Vaduz bringt ihrem durchlauchtigsten Landesherrn aus Anlass der Einwei-
hung der neuerbauten Pfarrkirche ein dreimaliges donnerndes Hoch!
Ebenso wurde dem Dombaumeister Schmidt telegraphisch der Toast gemeldet.“
Baukosten
Ursprünglich war man davon ausgegangen, dass „eine für 7-800 Seelen berechnete in ein-
fachem gotischen Baustile gehaltene Kirche auf wenigstens 28’000 Gulden zu stehen kom-
me“. Für die Kirche nach den Plänen von Dombaumeister Schmidt wurde die Bausumme
zunächst mit 50’000 Gulden begrenzt. Bereits im August 1869 werden die Baukosten auf
130’000 Gulden geschätzt. Schließlich belaufen sie sich, ohne Innendekoration und Sakri-
steiausstattung auf rund 205’000 Gulden, fast zehnmal höher als der Voranschlag des er-
sten Projekts und viermal höher als die erste gesetzte obere Grenze! 164’000 Gulden wer-
den von der fürstlichen Kassa übernommen, 41’000 Gulden entfallen auf die Gemeinde.
Zu diesen Geldsummen sind noch die unentgeltlichen Natural- und Arbeitsleistungen zu
rechnen: das Bauareal, die unzähligen Fuhr- und Handfrondienste und die Lieferung von
Baumaterial (Holz, Steine, Kalk). Die Gemeinde deckt einen Teil ihres Kostenanteils durch
eine Reihe von Krediten, die sie bei Privaten (darunter Pfarrer Decurtins und Kanonikus
Wolfinger), kirchlichen Fonds und bei der Sparkassa aufnimmt. Weitere Einnahmen resultie-
ren aus dem Verkauf des alten Schulhauses und des Inventars der alten St. Florinskapelle,
sowie aus Geldersatz für rückständige oder nicht geleistete Frontage. Das Schulhaus wird
übrigens an Lehrer Georg Magnus Verling (s’rota Lehrers) verkauft und von diesem an der
Feldstrasse wieder aufgestellt. An Geldersatz für Tagwerk fließen mehr als 3'000 Gulden in
die Gemeindekasse. Ein Taglohn kann durchschnittlich mit 1 Gulden berechnet werden. Die
Summe steht also für mehr als 3000 Tage Arbeitsdienst!
Ich möchte die genannten Zahlen anhand einiger Vergleiche noch etwas verdeutlichen. Die
effektive Bausumme des Vaduzer Kirchenbaus betrug rund die Hälfte des gesamten Steu-
erwerts sämtlicher Liegenschaften in Liechtenstein (1875 = 514’000 Gulden). Die Gesamt-
einnahmen des Landes Liechtenstein betrugen 1873 ca. 38'000 Gulden. Der Gemeindean-
teil am Kirchenbau überstieg diesen Betrag noch um 3’000 Gulden! Die gesamten Kosten für
den Vaduzer Kirchenbau übertrafen die jährlichen Einnahmen des Landes um mehr als das
Fünffache!
C. Schlussbemerkungen
Ich denke, die Bemühungen unserer Vorfahren um eine eigene Seelsorge in Vaduz müssen
uns erstaunen. Ihre außerordentlichen Leistungen und Opfer für den prächtigen Pfarrkir-
chenbau verdienen unsere Bewunderung. Die Pfarrkirche ist noch heute ein sichtbares
Zeugnis für den Stellenwert der Religion zur damaligen Zeit.
Pfarreigründung und Kirchenbau belegen eindrücklich, wie eng Gemeinde und Pfarrei mit-
einander verbunden sind, wie sich die Wirkungsbereiche der beiden Gemeinschaften bis auf
den heutigen Tag in vielfacher Weise überschneiden. Heute wächst die Tendenz, die beiden
Bereiche voneinander zu scheiden. Die Epoche der engen Verflechtung von Kirche und poli-
tischer Gemeinschaft scheint zu Ende zu gehen. Es liegt in unserer Verantwortung, dafür
Sorge zu tragen, dass gewachsene Strukturen nicht voreilig oder gar mutwillig zerstört wer-
den. Ihre guten Seiten sollen für die Zukunft bewahrt werden. Denn eines ist wohl unstrittig:
Zusammengehörigkeitsgefühl und Gemeinsinn in unserer Gemeinde waren vor 125 Jahren
viel ausgeprägter vorhanden als heute. Sie sind Existenzgrundlage jeder Gesellschaft. Parti-
kularismus und Individualismus, Grundströmungen unserer Zeit, bedrohen diese Grundlage
ernsthaft, sind kein Fundament auf Dauer. Stein um Stein haben unsere Vorfahren zum
Gotteshaus gefügt, zu einem Denkmal lebendiger Gemeinschaft. Wir sind die lebendigen
Bausteine von Pfarrei und Gemeinde der Gegenwart:
Steine in wirrem Durcheinander auf zufälligen Haufen, oder Teile eines gestalteten, sinner-
füllten größeren Ganzen?