Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1867)

I» Beilage zur Liechtensteiner Landeszeitung R8G7« 
Landtagsv erHandlungen. 
Lanvtagscomnussions-Sitzung am 10. Mai 1867. 
Anwesend: 
Herr Landesverweser v. Hausen. Präsident Dr. Schädler. 
Abgeordnete: Marrer, Kirchthaler, Keßler, Wanger. 
Die Commission ernannte zu ihrem Secretär und Re 
ferenten den Abg. Keßler. Zur Berathung liegt vor der 
Gesetzentwurf über die RekrutenauShebung für die Jahre 
1867 und 1868. Präsid. Schädler trägt seine Ansich 
ten über die Vortage der fürstl. Regierung aus, und 
theilt dem f. Regierungscommissär mit, daß die Commis 
sionsmitglieder in einer Vorbesprechung sich für eine 
Sistirung der Truppenaushebung erklärt haben. Der 
f. Regierungcommissär legt gegen diesen Vorgang Ver 
wahrung ein, und vertheidigt die Regierungsvorlage in 
dem er die Nothwendigkeit der ununterbrochenen Recru« 
tirung und der Instandhaltung des Contingents zum 
Zwecke der Aufrechthaltung der inneren Ordnung dar 
stellt und eine in Aussicht gestellte Militärconvemion als 
den ersten Schritt zum Aufhören der Selbständigkeit des 
Landes bezeichnet. Prästd. Schädler und die andern 
Commisswnsmitglieder halten die Ansicht fest, daß eine 
Rekrutenaushebung angesichts einer doch über kurz oder 
lang in Aussicht stehenden Militärconvention mit einem 
größeren Staate zwecklos sei und alle unterdessen gesche 
henden Militärausgaben nicht zu rechtfertigen wären. 
Das Contingent müßte dann neu organisirt werden, 
erhalte wahrscheinlich neue Montur und Armatur und 
müsse nach einem andern Reglement eingeübt werden. 
Hierauf wurde von der Commission folgender Antrag 
an den Landtag beschlossen: 
zu dem Gesetzentwurf über Rekrutenaushebung für die 
Jahre 1867 und 1868 werde die Zustimmung abgelehnt 
^ und an die fürstl. Regierung die ehrerbietigste Bitte ge 
richtet, die Truppmaushebung bis zu einem unter Zu 
stimmung des Landtags erfolgten militärischen Anschluß 
an einen größern Staat, einzustellen. 
Geschlossen und gefertigt. 
Keßler, Secretär. 
Commissionsbericht 
über den Gesetzentwurf, die RekrutenauShebung für die 
Jahre 1867 »und 1868 betreffend. 
Berichterstatter Abg. Keßler. 
Meine Herren! 
Im Namen Ihrer Commission, erstatte ich folgenden 
Bericht: 
Die jährliche Recrutenaushebung gieng bisher in Ge 
mäßheit der landesgesetzlichen Bestimmungen vor sich und 
konnte deßhalb keinerlei Beanständigung von Seite des 
Landes finden. Die Ereignisse des Jahres 1866 haben 
zur Auflösung des deutschen Bundes geführt. Für un 
ser Ländchen besteht keine Bundespflicht mehr, ein Mili- 
tärcontingent zu halten. Die Frage über die Beibehal 
tung unseres MilitärcontingentS ist daher gemäß § 21 
der Landesverfassung lediglich ein Gegenstand der Lan 
desgesetzgebung. 
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, fordert die fürstt. 
Regierung für die Jahre 1867 und 1868 je einund 
zwanzig Recruten. 
Da es sich bei der Prüfung der gegenwärtigen Re 
gierungsvorlage im Grunde nicht blos um je 21 Re 
eruten für die Jahre 1867 und 1868, sondern um 
weit mehr, um die Frage über den Fortbestand des Con 
tingents in der bisherigen Weise handelte, hatte die 
Commission eine ebenso wichtige als schwierige Aufgabe. 
Die Motive der fürstl. Regierung zu dem Gesetzent 
wurf sagen: „Das hiesige Militärcontingent hat nebst der 
Aufgabe der Vertheidigung des Vaterlandes wie aller- 
wärts noch die besondere Pflicht, der Regierung bei der 
Ausübung der Executive zur Seile zu stehen; so ersetzte 
es bisher in vorkommenden Fällen das Institut der 
Landjäger und Gensdarmen, wurde auch zur Eintreibung 
von Steuerrückständen sowie zur Ausführung Veterinär- 
polizeilicher Verfügungen z. B. zur Überwachung der 
Landesgrenze bei verhängter Viehsperre zc. verwendet." 
Die fürstl. Regierung erklärte sich auch in der Commis 
sionsverhandlung für den Fortbestand des Contingents in 
der bisherigen Weise, und vertheidigte ihre Vorlage aufs 
Entschiedenste. 
Die Landtagskommission erklärte sich aus folgenden 
Gründen gegen die Regierungsvorlage: 
Für den Schutz des Landes nach außen hätte das 
Liechtensteinische Contingent nur eine Bedeutung in Ver 
bindung mit einem größern Truppenkörper, eine Verbin 
dung die gegenwärtig nicht bestehe, mit der Zeit aber 
wieder nothwendig werden dürfte. Alsdann müsse das 
Contingent mit dem größern Truppenkörper gleichheitlich 
organisirt, bewaffnet und eingeübt werden, alle zwischen- 
weilig gemachten Ausgaben wären zwecklos. Zur Auf 
rechthaltung der Ordnung im Lande, zu Militärerecutio- 
nen, zur Durchführung von Polizeimaßregeln genüge 
unterdessen die bereits conscribirte Mannschaft, nöthigen- 
falls eine vermehrte Polizeimannschaft; überhaupt reiche 
man damit für das praktische Bedürfniß aus. Die Er 
sparnisse welche sowohl in finanzieller als volkswirt 
schaftlicher Hinsicht gemacht werden können, seien bedeu 
tend und sprächen für die einstweilige Sistirung der 
Recrutenaushebung. Die Landeskasse erspare jährlich an 
3000 fl, die jungen Leute könnten ungehindert ihrem 
Verdienste nachgehen. Der einzige Feind des Landes 
sei der Rhein der an verschiedenen Stellen ins Land 
einzubrechen drohe; gegen diesen Feind müsse man Gut 
und Blut einsetzen. 
Aus diesen Gründen beschloß die Commission einstim 
mig den Antrag zu stellen: 
Dem Gesetzentwurf über die Recrutenaushebung für 
die Jahre 1867 und 1868 werde d,'e Zustimmung nicht - 
ertheilt und an die fürstl. Regierung die ehrerbietigste 
Bitte gerichtet, die Truppenaüshebung bis zu einem un 
ter Zustimmung des Landtags erfolgten militärischen 
Anschluß an einen größern Staat, einzustellen. 
Vaduz den 52. Mai 1867. 
Die Commission.
	        

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