Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1867)

ein von Sr. Durchlaucht gnädigst zu diesem Zwecke ge 
stiftetes Grundstück vorhanden sei, weil sich hier ein vom 
Lande besoldeter Arzt finde und zugleich der Bezug der 
wirthschastlichm Bedürfnisse einer solchen Anstalt einfach 
und billig gestalte. 
Hierauf erhält der Abg. G melch das Wort, welcher 
in kurzen Worten seine Anschauungen über ein Armen 
haus oder mehre aussprechen will. „Ich bin entschie 
den gegen vie Errichtung von Armenhausern in den 
einzelnen Gemeinden und entschieden für die Errichtung 
eines Armenhauses nn Lande, und zwar aus 3 Grün 
den: > 
1. Die Gemeinden können unmöglich die Mittel auf 
bringen um solche Anstalten in den einzelnen Gemein 
den zu errichten und zu unterhalten. Selbst die kleinste 
Anstalt kostet doch wenigstens fl. 6000 zu erstellen und 
chre Unterhaltung beläuft sich auch bei der kleinsten bis 
auf fl. 1000 jährlich. Ich habe mich in dieser Be 
ziehung sowohl in Graubünden und in meiner Heimath 
umgesehen und finde meine Meinung überall bestätigt. 
Das ist aber für die Mittel einer Gemeinde zu viel, da 
dieselben ja ohne dies, wie die Petition sagt, schon na 
hezu erschöpft sind. 
2. Die Armen sind am Schlimmsten gehalten, wenn 
sie unter den Händen der Gemeindebürger und Ortsvor- 
fteher sind. Eher sollte man sich der Armen auf jede 
mögliche Weise entledigen, als sie der Hartherzigkeit, 
dem Egoismus oder der Willkür der Gemeinden zu 
überantworten. Es ist traurig, dies sagen zu müssen. 
Aber es ist nun einmal thatsächlich nicht anders, als 
daß man dem Armen den Löffel voll Suppe vorrechnet, 
den man ihm reicht. Man hat nicht das Herz, um die 
Armen menschenwürdig zu halten. 
3. Die Armen in den einzelnen Gemeinden bringen 
es noch über sich, in eine allgemeine Landesanstalt zu 
gehen, aber nicht, daß sie im eigenen Dorfe, im Ange- 
ttchte ihrer Angehörigen mit dem Brandmale der öffent 
lichen Unterstützung umhergehen. Sie würden sich schä 
men hineinzugehen und sich immer unglücklich fühlen, 
als die Ausgeschlossenen im Dorfe zu gelten. Dieses 
Gefühl haben sie in einer Landesanstalt nicht. 
Was dann speziell die Vorlage der Regierung be 
trifft, so bin ich der Ansicht, daß das Armenhaus wohl 
am besten in Vaduz plazirt sein würde. Doch das ist 
mir nicht wesentlich. Auch die Lokalität in Dur ist 
nicht so weit weg, daß sie. ein Hinderniß wäre. Dage 
gen möchte ich noch ein paar andere Punkte besprechen, 
». Die Regierung scheint mir nicht auf alle Elenden 
und Armen Rücksicht zu nehmen. Nach meiner Ansicht 
sollten alle und jede Elenden und Unglücklichen , sogar 
verwahrloste Kinder, — nur solche Zrre, die festgehal 
ten werden müssen, ausgenommen — dort ein Asyl fin 
den wus lvs psuvres et wus les Misere«. Trotzdem 
ist die von der Regierung angenommene Durchschnitts 
zahl von 36 Personen nicht zu nieder gegriffen, denn 
glücklicher Weise hat das Land nicht soviele Elende — 
BalzerS mit 4a. 1000 Seelen höchstens 3—4, was auf 
Seelen höchstens 30 abgibt. 
d. Vermisse ich noch, daß die Landesmrttel herbei ge 
zogen wurden. Es leistet zwar der Armenfond sein 
Mögliches, aber nicht die eigentlichen Landesmittel. So 
hätte ich die Ansicht, wenn in einem Jahre Ueberschüsse 
im Staatsbudget sich ergeben, so sollten sie für das 
Armenhaus verwendet werden. Bezüglich der Benützung 
des Armenfondes hätte ich geglaubt, man solle nicht 
alle Interessen desselben nur zum Armenhause verwen 
den, sondern einen Theil zurückhalten, um in einzelnen 
dringenden Fällen an Hilfsbedürftige eine momentane 
Unterstützung gewähren zu können. 
e. Außer der Errichtung eines Armenhauses möchte 
ich noch eine Revision der Armengesetzgebung anregen. 
In den Gemeinden geht nicht alles nach dem Gesetze, 
und vielfach wird dasselbe gar nicht beachtet. Ich 
wünschte, daß der Landtag die hohe Regierung ersuche, 
später ein neues Armengesetz vorzulegen." 
Kind will nur Einiges zurückweisen, was der Vor 
redner über die Armenpflege gesagt habe. Er glaube 
nicht, daß die Bittsteller nicht ernstlich gesonnen seien, 
den Armen Hilfe zu gewähren, daß man sich durch Ge 
meindearmenhäuser nur möglichst billig der Sache ent> 
ziehen wolle. 
Gmelch: Diese Ansicht lege ich allerdings den 
Bittstellern nicht unter, das kommt von selbst. 
Rgg.-Commissär: Ich muß Hrn. Kind, doch 
noch um eine Erklärung bitten. Ich kenne keine Ver 
ordnung, welche den Gemeinden verbietet ihxe Armen 
zu versorgen, im Gegentheil es besteht das Gesetz v. 
1845, welche es den Gemeinden zur Pflicht macht, die 
Armen zu unterstützen. Wie kommt es nun, daß die 
Gemeinden bisher gar nichts in dieser Sache thaten, 
namentlich aber die Gemeinde Gamperin! Woher kommen 
die Klagen, daß all die Armen von Gemeinde wegen so 
schlecht behandelt werden? Warum hat man nicht längst 
das unmenschliche Verpachten der Ortsarmen an den 
Wenigstnehmenden abgeschafft? Wenn von diesen Din 
gen die Rede dann schwindet alle Hoffnung auf eine 
ausreichende Hilfe durch die Gemeinden. 
Kind: Bisher waren diese Mißstände, aber gerade 
die Bittschrift gibt den Beweis, "daß man Abhilfe schaf 
fen will. 
Schlegel: Man will eben durch die Erstellung von 
OrtSarmenhäusern die Mißstände heben, und den Armen 
eine ausreichende Hilfe gewähren. Und die Gemeinden 
sind im Stande es durchzuführen, wie dies Nachbarge 
meinden in der Schweiz und Vorarlberg Ach konnten. 
Ich habe mit dortigen Gemeindebürgern gesprochen und 
vernommen daß ihre Anstalten recht gut gedeihen. 
Rgs. Eommissär: Ich bin nicht gegen die Ar- 
mmanftalten in den Gemeinden. Ich glaube auch daS, 
was Vorredner von den Gemeindeanstalten der Nach 
barschaft sagt. Allein die dortigen Anstalten sind do- 
tirt. Dagegen aber habe ich erfahren, daß neu einge 
führte Anstalten z. B. in Sevelen, ohne Dotation, zu 
einet fast unerträglichen Belastung deS Gemeindehaus 
halts führten, und daß diese Anstalten nicht mehr errichtet 
würden, wenn man sie nochmal errichten sollte. Ich 
glaube auch, daß bei uns eine oder die andere Gemeinde, 
die nicht mit Wuhrlaften überbürdet ist, und ein großes
	        

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