Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1867)

— Die Vertheilung der Unterstützungsbeiträge für 
die Cholera-Beschädigten ist festgesetzt. 74,000 Franken 
wurden an baar an die Gemeinden (30,000 an Zürich 
nnd 34,290 an Außersihl) abgegeben, und 36,000 Fr. 
an baar nnd Viktualien an die Suppenanstalten. 
Thurgau. Von Romanshorn wird berichtet: Die 
längst erwarteten, ins Massenhafte gehenden Waizensen- 
dungen auS Ungarn treffen seit 14 Tagen ein, jeden 
Tag laufen nun 8 bis 10 Schleppschiffe theils mit den 
gewöhnlichen, theils mit Ertradampfern im hiesigen Ha 
fen ein; rechnet man jedes Schiff durchschnittlich 2500 
Cntr., so kann man sich eine Vorstellung von der ge 
waltigen Masse machen. Die Schiffe werden sogleich 
nach Ankunft durch zirka 400 Sackträger ausgeladen, 
und der Walzen kommt theils in die Magazine, theils 
wird er sogleich in Eisenbahnwagen geladen, um in täg 
lichen 6—8 Ertrazügen nach Frankreich spedirt zu wer 
den. Es befinden sich hier das ganze Jahr Repräsen 
tanten von Pesther, Wiener, Mannheimer, Basler ze. 
Häusern, die den Versandt nnd Verkauf der Früchte hier 
besorgen; jeden Montag und Samstag ist hier Frucht 
börse, die von Müllern und Fruchthändlern der ganzen 
Schweiz sehr stark besucht wird. Seit einigen Wochen 
sind auch Herren aus Paris, Lyon, Marseille hier, die 
theils den in Ungarn schon gekauften Waizen hier in 
Empfang nehmen, theils auch hier erst größere Quan 
titäten kaufen und nach Frankreich gehen lassen. 
Unter die Schäher in Bayern, welche durch un 
wahre Schätzungen von Gütern Hypothekengläubiger so 
oft in Schaden bringen, ist ein Heilsamer Schrecken ge 
fahren. Auf ?in von 2 Schätzmännern auf 36,000 
Gulden geschätztes Landgut wurden von der Hypothe 
ken- und Wechselbank in München 10,000 fl. auf die 
Hypothek gegeben. Das Gut kam in ConcurS und fiel 
der Bank um 8000 fl. zu; dieselbe hatte iucl. Zinsen, 
Kosten:c. einen Gesammtschaden von 3600 fl. Sofort 
erhob sie eine Entschädigungsanklage gegen die beiden 
Schätzer und diese wurden gerichtlich zur vollen Schad 
loshaltung der Bank verurtheilt. 
Ein bayerischer Soldat kam einst zu spät zum 
Aufmarsch. „I hob denkt'", sagte der Verspätete, sich 
entschuldigend - was denkt, fuhr ihn der Haupt 
mann an, hier wird nit denkt, hier wird kumma. In 
ähnlicher Lage befand sich die buyer. I. Kammer gegen 
über Bismark, als sie zum Zollverein aufmarschiren 
sollte. Herr von Hohenlohe ging nach Berlin und mel 
dete, die Herren hätten gedacht —. Sie bekamen eine 
ähnliche Antwort von Bismark, wie obiger Soldat von 
seinem Hauptmann. 
Am Ende des Jahres 1866 zählte >der Jesuiten- 
Oxdeu in 20 Provinzen 8167 Mitglieder, er vermehrte 
sich im letzten Jahre um 265 Mitglieder. Auf Oestreich 
treffen 777, aus Preußen und das übrige Deutschland 
653. 
Ueber die Verwirrung, welche die-letzten Ereignisse 
im Schoße der italien. Regierung anrichteten, schrieb eine 
Zeitung : Victor Emanuel hat den Kopf verloren. Ca- 
Vonr fehlt überall und das ist der Kopf, den der Kö 
nig verloren hat; eS ist kaum der Schnurtbart übrig 
geblieben. 
Der Einfall der Garibaldiner ins päpstliche Gebiet 
wurde durch die Truppen des hl. VaterS unter Beihilfe 
der Franzosen zurückgeschlagen. 5000 Franzosen und 
päpstliche Truppen trafen mit beiläufig 10,000 Gari 
baldiner bei Mentana zusammen. Nach vierstündigem 
Kampfe verließen die Garibaldiner das Schlachtfeld ver 
loren 500 Todte und Verwundete, 1600 Gefangne und 
6000 Gewehre. Die Sieger hatten bloß 150 Kampf 
unfähige. Die Truppen des Königs Viktor Emanuel, 
welche den Kirchenstaat schon früher wleder verlassen 
hatten, emgfingen die fliehenden Garibaldiner an der 
Grenze um sie vollends zu entwaffnen. Garibaldi wollte 
sich zurück nach Eaprera begeben. Er kam auf der Ei 
senbahn durch Figline. Da besetzten königliche Soldaten 
den Bahnhof, ihr Führer trat zu Garibaldi und sagte. 
General ich habe den Befehl Sie zu verhaften! — 
Nicht möglich! Ich bin italienischer Abgeordneter nnd 
amerikanischer Bürger, ich werde nur der Gewalt wei 
chen! — General ich muß Sie verhaften! — Ich 
weiche nur der Gewalt! — Vier Soldaten treten heran, 
heben Gartbaldi von seinem Stuhl und tragen ihn in 
den Eisenbahnwagen und fort geht's in die Festung. 
Den Seinigen hatte der General verboten Gewalt zu 
brauchen Garibaldi soll vor ein Eivilgericht gestellt wer 
den, es heißt er werde nach Amerika auswandern. — 
Uebrigens ist die Stimmung der Italiener nicht die be 
ste. In Mailand, Turin, Genua kam es zu Straßen 
kämpfen, indem das Militär gegen die Aufständischen 
einschreiten mußte. 
Über die Einmischung Napoleons in die italienischen 
Händel herrschen verschiedene Ansichten. Man sagt, eS 
sollten noch mehr Franzosen nach Rom erpedirt werden, 
aber Preußen hatte erklärt, daß es alsdann die ganze 
deutsche Grenze längs Frankreich besetzen werde. Auch 
in Frankreich gibt e6 verschiedene Ansichten über hie 
Erpedition. Man glaubt, Napoleon habe diese Erpedi 
tion als eine Art Lichtputzscheere für seine seit Meriko 
erlöschende Glorie brauchen wollen, was ihm aber nicht 
ganz gelungen sein dürfte. Die Pariser sind aber sehr 
mißgelaunt Die Arbeiter rufen, Es lebe Garibaldi! 
Gebt uns Brod! Sie rotteten sich zusammen und gin 
gen selbst nicht auseinander, als die Polizei eingnff. 
Der Respekt ist fort. Napoleon las jeden Morgen in 
der Zeitung, daß seine Pariser seinen Gast, den Kaiser 
Franz Joseph hoch leben ließen, wenn er ausfuhr. So 
fort setzte er sich zu dem Kaiser und fuhr mit ihm durch 
die Straßen, aber alles blieb still. Noch einmal Probi 
ren, sagte er, aber auch die zweite Probe fiel schlecht 
aus. 
Die originellste Reise von den vielen Hunderttausen 
den, die diesen Sommer zur Weltausstellung nach Paris 
wanderten, hat ein wohlbeleibter wackerer Gastwirth auS 
der Nachbarschaft Kemptens ausgeführt. Der Mann 
hatte nämlich in Karlsruhe zu thun. „Ei was", denkt 
er — „bist Du schon in Karlsruhe. In Paris ist die 
große Ausstellung. Fahren wir zum Zur nach Paris!" 
— Gesagt, gethan. Das Fahrbillet — „Karlsruhe 
Paris" war schnell gelöst und der brave Algäuer Aast- 
wirth dampfte nach Paris. DaS dauerte wohl lang.
	        

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