Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1866)

Allerhand Neuigkeiten. 
Aus Groß- Skalitz erhält die „Schles. Ztg/ fol 
genden Bericht vom 5. d.M.: „SoebenAbends 8 Uhr, 
langen die ersten Verwundeten von Kukus an. Die Stadt 
ist nunmebr nichts weiter als ein Lazareth. Ein gro 
ßer Theil der Einwohner flüchtete beim Herannahen des 
Kampfes schon am 27. v. M. und nur wenige sind zu 
rückgekehrt; die Fensterscheiben sind zerschossen, die Dächer 
von Granaten abgedeckt und theilweise abgebrannt, die 
Zimmer leer und in ihnen, auf einem elenden Bündel 
Stroh gebettet — kaum 1 Zoll hoch — wimmern die 
verstümmelten Krieger, sterben vor Schmerz, Entkraftung 
und Mangel an Pflege und Erquickung. Nackt werden 
die gestorbenen Helden zu Vieren auf Bretterwagen ge 
worfen und auf dem Feld verscharrt! (Die auf dem 
Schlachtfeld Gefallenen werden in voller Uniform zur 
Erde gebracht, wenn sie nicht vorher den Leichenschän 
dern in die Hände fallen. Red.) Die Luft ist verpestet 
und bald gibt es hier keine Nahrungsmittel mehr. Ich 
sah heute, 6 Tage nach der Schlacht, noch Todte in zer 
stampften Getreidefeldern und hinter Hecken. Kohl 
schwarz waren die Körper, die Augen aus ihren Höhlen 
getreten, der Leib von Granatsplittern zerfleischt und von 
raubgierigem Gesindel, meist Weibern der letzten Klei 
dung beraubt. Ewig werden diese Blder vor meinen 
Augen schweben, sie sind markerschütternd! Das Gesin 
del der Umgegend hat gleich nach der Schlacht gräulich 
auf dem Schlachtfelde gewüthet, es hat sich sogar mit 
den herumliegenden Gewehren bewaffnet, die Munition 
aus den zerstreut daliegenden Tornistern genommen und 
sich in die Wälder versteckt, um zu marodiren. Sie ste 
cken sich in die den todten Preußen und Oestreichern ge 
nommenen Uniformen und üben Pressionen auf die Um 
gegend aus. Bei Lewin waren mehrere sogar über die 
Grenze gedrungen. Heut fand hier durch den Komman 
danten des Orts, der leider nur 50 Mann Landwehr 
des 23. Regiments zur Verfügung hat, eine Haussu 
chung auf den umliegenden Dörfern statt, und man hat 
daselbst Hunderte von Gewehren und Munition gefun 
den. Wild und öde sieht die Gegend aus. Die Bäu 
me auf den Chausseen sind zerschossen, die Eisenbahn 
zerstört, die Telegraphendrähte flattern im Winde umher 
und ganze Dörfer sind niedergebrannt. Die Felder sind 
von den Rossen zerstampft und verwüstet. Dort liegen 
halb zerrupfte Gänse, da aufgeschnittene Lammer und 
halbgeschlachtete Kühe, und um die aufgeworfenen Koch- 
heerde herum liegen tausend kleine Bedürfnisse des Sol 
daten, zertreten und vernichtet. Große Blutlachen be 
zeichnen die Stellen, wo die Braven zu 10 und 15 zu 
sammengeschossen worden, und der verzehrende Feind der 
Cadaver — die Made — ist in Milliarden vorhanden! 
Ich glaube Ihnen hiermit wahr das Bild des ver 
lassenen Schlachtfeldes gezeichnet zu haben, obgleich es 
eigentlich keine Feder zu thun im Stande ist. Unter den 
Todten' hat man am dritten Tage noch Verwundete le 
bend hervorgezogen. Im Begriff, die Braven zu ver 
scharren — was nur 2—3 Fuß tief geschieht — fand 
man mitunter noch Wimmernde. Ich selbst habe einen 
solchen -- einen östreichischen Feldwebet —- gesprochen, 
der drei Tage und zwei Nächte ohne Erquickung und 
Verband schmachten mußte. Selbstredend werden unsere 
eigenen Braven zuerst vom Schlachtfelde entfernt. Da 
sich von der hiesigen verthierten Bevölkerung nur wenige 
um die Verwundeten kümmern, so lastet auf uns auch 
die Sorge um die Oestreicher, deren immer viel mehr vor 
handen sind. Bei dem fortwährenden siegreichen Vor 
dringen der Unseren sind alle Schlachtfelder von uns im 
Besitz und müssen demnach auch von uns geräumt 
werden. 
Nach dem Pulverrauch kommt bei den Preußen der 
Tabaksrauch; er kommt sie billiger zu stehen; denn 
zwischen Pardubitz und Prag haben sie die Borräthe ei 
ner kaiserlichen Tabaksfabrik weggenommen: 38,000 
Zentner Tabak und , 27 Millionen Zigarren. Sie wer 
den an die Truppen vertheilt. Die Zahl der genomme 
nen Kanonen beträgt jetzt 145. 
In der Schlacht bei Königgrätz haben die Preußen 
an 19000 noch unverwundete Oestreicher gefangen. 
Die Oestreichs gestehen einen Gesammtverlust ihrer 
Armee von wenigstens 40000 Mann zu. Die Zahl 
der Verwundeten ist auf beiden Seiten sehr groß, doch 
treffen infolge des Zündnadelgewehrs auf Oestreich fast 
8mal mehr Todte und Verwundete. Die Behandlung der 
Gefangenen und Verwundeten ist auf beiden Seiten eine 
sehr milde und menschenfreundliche. Auf Befehl des 
Königs von Preußen werden die verwundeten kaiserlichen 
Offiziere, welche ihr Ehrenwort geben, daß sie nicht 
mehr gegen Preußen kämpfen wollen, in Freiheit gesetzt, 
so auch die unverwundeten Offiziere. Die Zahs der von 
Preußen gewonnenen Fahnen beträgt 11. Nach Aus 
sagen der preußischen Soldaten würden noch mehr ero 
bert worden sein, wenn nicht die Oestr. Fahnenträger 
im Augenblicke des Angriffes, wenn sie keine Rettung 
mehr sahen, das Fahnentuch abgerissen, die Stange 
zerbrochen, und sich mit dem unter den Mantel gesteck 
ten Fahnentuche zu retten versucht hätten. Als sehr 
braven Soldaten hat sich der Fahnenträger Kopanic 
im Regiment Giulay gezeigt. Bei Gitschin gerieth sein 
Bataillon in ein sumpfiges Gewässer, viele ertranken; 
Kopanic steckte bis tief in die Nacht bis an die Brust 
im Wasser, trennte die Fahne von dem Stocke, wickelte 
sie sich um den Leib und suchte zu entkommen. Von 
den Preußen im Korn gefangen entkam er wieder, ver 
tauschte unterwegs seine Uniform mit einem Bauern 
kittel, marschirte Tag und Nacht, schlich sich auf Händen 
und Füßen kriechend bei Jungbunzlau durch die preu 
ßischen Vorposten und langte endlich mit der geretteten 
Fahne in Prag an. Der Statthalter telegraphirte dem 
Kaiser die brave That und dieser telegraphirte zurück, 
er wolle den Mann selbst sehen und ihm danken. — 
Einen andern Fahnenträger fanden die Preußen ver 
wundet in einem Graben mit Wasser. Er bat, sie 
möchten ihn liegen lassen, es sei ihm so besser. Man 
gewährte ihm die Bitte. Später kamen die Leute zu 
rück, der Fahnenträger war todt. Als man ihn her 
auszog, fand man seine Fahne unter ihm. 
Die Preußen erzählen von einer Verrätherei in
	        

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