Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1866)

weder an der Politik überhaupt, noch an höheren In 
teressen und Fragen der Zeit. — Dadurch, daß die Kö 
nigin Jsabetta Italien anerkannte, hat sie die Feindschaft 
der Geistlichen erregt, und dadurch eine bedeutende Stütze 
in der jetzigen Kalamität verloren. 
Der preußische Staatskutscher Bismark hatte dem 
Rechtssinne des Volkes eine Falle gelegt. Also rechnete 
er: Wir setzen uns sin Schleswig-Holstein fest, richten 
uns hauslich ein, und so gewöhnt sich die leichtsinnige 
Welt an unsere Besitznahme und melkt's nicht, daß wir 
am Ende die Herren sind. Nun aber geht die Sache 
gar zu langsam noch immer getraut man sich nicht die 
Annerirung auszusprechen. Ueber dieser Zögerung kommt 
die wandelbare öffentliche Meinung allmälig zum Be 
wußtsein, und findet, daß eine gewaltsame Einverleibung 
der Herzogtümer doch ein gar zu auffallendes Unrecht 
wäre. Diese Gedanken sind nun auch bei denjenigen 
durchgebrochen, welche anfänglich gar sehr für die Ein 
verleibung gestimmt hätten, z. B. die „Nationalzeitung", 
die „Weserzeitung" und andere mehr. — Oestreich macht 
auch keine Miene zur weiteren Unterstützung preußischer 
Pläne; im Gegentheil der östreichische Statthalter übt 
ein ziemlich mildes Regiment in Holstein und tritt den 
Ehrenbezeugungen des Herzogs gar nicht entgegen. 
Der abgeschlossene vorarlberger Landtag zeich 
nete sich vor allen östreichischen Provinziallandtagen aus 
durch die unverhüllte Sprache, welche er gegenüber den 
neuesten Rechtswandluugen im Verfassungsleben führte. 
Bittere Worte sind gefallen, aber Niemand wird da 
sein, der sagen könnte, es habe nicht aufrichtiger Pa 
triotismus die Redner beseelt. Aber es ergeht dem Land 
tag, wie es gewöhnlich ist, wenn man eine rücksichtslose 
Sprache führt. — Die Stimme des Landtages verhallt 
ungehört; seine Adresse an den Kaiser wird nicht ange 
nommen, sondern dem Landeshauptmann zurückgestellt. 
Um so bedeutender ist der Nachhall, den die Worte des 
Landtags in der Bevölkerung finden. Aus großen und 
kleinen Gemeinden des Landes erfolgen Zustimmungs 
adressen, welche bekennen, daß sie die Ansicht der Abge 
ordneten billigen,' und daß der Landtag seine Aufgabe 
in würdiger Weise gelöst habe. 
Der Berliner Landtag wurde am 45. Januar er 
öffnet; nun schon zum vierten Male, ohne daß eine Ei 
nigung zwischen König und Volk erzielt ward. 
Die Revision der schweizerischen Bundesverfassung ist 
am 14. einer allgemeinen Volksabstimmung unterlegen. 
Soviel bekannt, sind die Beschlüsse des Nationalraths 
vom Volke sanktionirt. Das Werk dürfte aber kaum 
lange halten, indem es viele Gegner findet, die auf eine 
totale Revision der Verfassung hinarbeiten werden. 
Allerhand Heiligkeiten. 
— Billiges Briefporto. Der bayrische Be 
vollmächtigte auf der Postkonferenz in Karlsruhe hat 
den Antrag gestellt, für ganz Deutschland nur eine ein 
zige Brieflare von 5 Nkr. einzuführen. In Bayern ist 
seit Juni die 10 Nkr.-Tare abgeschafft, man sollte mei 
nen die Einnahme der Post werde dadurch geschwächt. 
Allein eS war dies nicht der Fall, die Einnahme hat 
sich sogar gesteigert. 
— Zollerleichterungen! In der Behandlung 
der Verzollungen herrschen noch mancherlei Formalitäten, 
die weder Nutzen noch Schaden jür den Staat, wohl 
aber viel Unbequemlichkeit für das Publikum bringen. 
Seit dem neuen Zollvertrag ist es z. B. dem Fabrikan 
ten erlaubt, rohe Tücher nach Deutschland zu senden 
und dort drucken und appretiren zu lassen. Die ausge» 
führten Tücher werden mit dem k. k. Stempel versehen, 
und gehen dann ohne Zoll wieder zurück. Wäre eS 
nicht möglich eine ähnliche Vergünstigung für den ge- 
sammten Ileinverkehr an der Grenze zuzulassen? Wir 
meinen für alle Reparaturen u. dgl., welche die Grenz 
bewohner schnell und zweckmäßig in der nächsten Nähe 
jenseits der Grenze besorgen lassen können, während eS 
gegenwärtig nur ausnahmsweise, und meist erst nach 
eingeholter Erlaubniß möglich ist, und man z. B. 
genöthigt wird, einen Gegenstand nach Wien oder Inns 
bruck zu senden, der in St. Gatten oder Zürich besorgt 
werden könnte. Man dürfte nur die ausgehenden Ge 
genstände ebenso bestempeln oder Plombiren, wie die Tü 
cher des Großhändlers. — Verkehrserleichterungen, freie 
Bewegung wenigstens überall da, wo die Beschränkung 
eigentlich ohne Bedeutung ist! 
— Die Baukunst der Neuzeit zeichnet sich an vie 
len Orten ganz besonders dadurch aus, daß die Häuser 
sehr bald wieder zusammenfallen. Man baut über Hals 
und Kopf in den großen Städten 6—7stöckige babylo 
nische Thürme, und gar oft begraben sie bei ihrem Ein 
sturz alle Jnsaßen unter den Trümmern. In Berlin 
sind mehrere solcher Einfälle vorgekommen, und kürzlich 
wieder in Frankfurt; 14 Menschen verloren das Leben. 
Das find die Folgen der Winterbauten. 
— Im Mai 1866 wird in Wien eine große forst- 
und landwirtschaftliche Ausstellung abgehal 
ten. Bodenerzcugmsse. Thiere, Maschinen, Geräthe wer 
den zugelassen, und für werthvolle Gegenstande Preise 
bis zum Gesammtbetrag von 10,000 fl. vertheilt. Auch 
eine Verloosung findet statt. 
— Noth bricht Eisen. Die Umstände haben die 
deutschen Regentenhäuser gezwungen, das neue König 
reich Italien anzuerkennen. WaS hilft alles Widerstre 
ben? Die Bedürfnisse der Völker sind mächtiger als die 
Familieninteressen einzelner Dynastien. Allerdings sind 
die vertriebenen italienischen Prinzen sehr ungehalten 
über diese Handlung ihrer deutschen Vettern; aber die 
Weltgeschichte kümmert sich nicht um den Verdruß Ein 
zelner. 
— In Baden werden von nun an für die Schul 
lehrer ? Seminarkurse eingerichtet; für die Seminarien 
kommen in dieser Weise jährlich 45,000 ff. in Ausgabe, 
auch die Gehaltßbeträge der Volksschullehrer werden auf 
gebessert, so daß der Aufwand 180,000 fl. beträgt. 
— Durch Abschluß eines Handelsvertrag 
ges mit England hat Oestreich den ersten Schritt 
gethan, allmälig von den hohen Zöllen zurückzugehen 
oder den Freihandel anzuerkennen. Also auch in dies?? 
Richtung „Fortschritt". ES ist nur zu wünschen, daA
	        

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