Liechtensteiner Landeszeitung.
Vierter ^sIirSanK.
Vaduz. Samstag Nrv. RZ 26. Mai 18K6.
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Rundschau.
Die Kriegsfackel ist noch nicht entflammt, aber die
Schrecken und das Unglück des Krieges hat Europa
schon reichlich empfunden. Der ital. Krieg vom I. 4859
erscheint geringfügig gegen das, was uns heute bevor
steht. Die deutsche Frage hat eine gewichtigere Bedeu
tung als die italienische. Der Umsturz unseres Staa^
tenbundes zieht unfehlbar alle Nachbarländer mit ins
Verderben. Den augenscheinlichen Beweis dafür liefern
die unzähligen Bankerotte in Oestreich, Preußen und
England vorweg und die Angst der Geldleute in Pa
ris, Wien und London. England hat sich für den Ab
satz seiner Erzeugnisse die Grenzen aller Reiche des Erd
bodens geöffnet und doch wurden seine Millionäre zum
Tode geängstigt, als sie den Ausbruch des Kriegs un
vermeidlich sahen. Wer Banknoten, Wechsel oder irgend
ein Werthpapier in Händen hotte, eilte, sich desselben
gegen klingende Münze zu entledigen. Die Zahlungsbe
gehren wurden so massenhaft daß die reichsten und älte
sten Handelshäuser erdrückt wurden. In London stürzte
das Haus Overend mit 100 Millionen Gulden. Eine
andere Wirkung der Kriegsrüstungen ist;der Stillstand
der Fabriken und dadurch Noth und Elend vieler tau
fende von Arbeitern.
Die Mißstimmung, der Widerwille gegen den muth
willig heraufbeschworenen Krieg sind allgemein. Am
meisten offenbart sich diese Stimmung aber in Preu
ßen. Von der verzweifelten Lage des preußischen Vol
kes kann man sich keinen Begriff machen. Mehr als
die Hälfte der Armee sind verheiratete Männer, Fami
lienväter, die ihren Familien und ihrem Berufe entzogen
wurden. Die Verzweiflung der Mütter, der Jammer
der zur Schlachtbank geführten Väter, soll nicht zu be
schreiben sein. Die Leute müssen förmlich gepreßt wer
den. In Braunschweig pafsirte ein Bahnzug von 600
Landwehrmännern, welche von regulärem Militär trans-
portirt und bewacht wurden, viele waren an Ketten ge
schlossen. Die Frau eines Arbeiters wollte sich mit ihren
Kindern vor die Maschine legen, um sich von dem Zu
ge überfahren zu lassen, der ihren Vater und Ernährer
fortführte.
Anders stellt sich das östreichische Volk zum Krie
ge. Dort weiß man, daß Preußen einen frevelhaften
Angriff auf das Kaiserreich beabsichtigt. Eine allgemeine
Empörung gegen diesen Frevelmuth geht durch die östr.
Länder und trotz so mancher bittern Erfahrung stehen
die Oestreicher muthig für die Ehre ihres Landes ein.
Viele tausend Freiwillige eilen zu den Fahnen und die
größeren Städte, ja sogar reiche Private, wetteifern in
freiwilligen Gaben für die Armee, oder für die Hinter
bliebenen gefallener Krieger. In der Armee selbst herrscht
eine gehobene Stimmung; sie fühlt sich durch die Zu
stimmung der Völker gehoben, und hat unbedingtes Ver
trauen zu ihrem Feldherrn, Benedek. Ein solches Auf
raffen und Entfalten der östreichischen Militärkräfte, und
eine solche patriotische Stimmung des Volks mochte BiS-
marck nicht erwartet haben. Er und mit ihm sein Kö
nig wurden betroffen sowohl von dem, was in Oestreich,
als was zum Gegensatz in Preußen geschieht.
Daher mag es kommen, daß in der letzten Zeit eine
Stockung eingetreten ist, die Rüstungen nehmen zwar
ihren Gang, aber das letzte Wort ist noch nicht gefpro-
chen. Da ist der Kaiser von Rußland, welcher schon
3 Briefe an den König Wilhelm schrieb, und aufs drin
gendste vom Krieg abräth. Dann der Kaiser Napoleon
im Verein mit England, welche den Vorschlag machten,
die streitenden Mächte sollten ihr Zerwürfniß auf einem
europäischen Congreß friedlich ausgleichen. Allein man
darf in diese Friedensapostel selbst wenig Vertrauen
setzen, und zudem die Forderungen Preußens und Ita
liens find derartig, daß Oestreich nicht auf dieselben ein
gehen kann. Es ist deshalb auch keine Hoffnung, daß
die Mittelstaaten, deren Minister in Bamberg versam
melt waren, eine Abrüstung und friedliche Ausgleichung
durch ihren Antrag am Bunde zuweg bringen werden.
Für die Mittel staaten wäre jetzt noch Zeit sich
unter einander enger zu verbinden, ihre Streitkräfte un
ter einheitlicher Leitung zu vereinigen und für die Volks-
Vertretung am Bunde ein Organ zu schaffen. Allein
man wartet vergeblich auf die Ergreifung solcher Maß
regeln. Zwar ist zur Berathung des preußischen Par
laments-Vorschlags eine Commission eingesetzt worden,
aber man sieht von ihr kein Lebenszeichen. Preußen
hat gedroht, es wolle bei Nichtannahme seines Vorschlags
noch weiter gehend, Konzessionen an das Volk machen.
Vielleicht greift es auf das ReichS-Wahlgesetz vom Jahr
1848 zurück. Es dürfte dann auf allgemeinen Beifall
rechnen, wie dies der Beschluß des Frankfurter Abgeord-
netentageS vom 20. d. beweist, an dem sich gegen 200
Abgeordnete betheiligt hatten.
Eine besondere Beachtung verdient gegenwärtig auch
die Lage der Schweiz. Es ist die Frage ob ihre