Zur Auswanderung.
New-York, im Dezember. Bei dem ernst patriotischen
Interesse, welches Sie — so schreibt der bekannte Be
richterstatter der „Köln. Ztg." von hier — stets der
Deutschen Auswanderungsfrage gewidmet haben, halte
ich es für meine Pflicht, Sie auf ein Dokument auf
merksam zu machen, welches speziell für Deutschland be
rechnet ist und dort durch Spezialagenten verbreitet wer
den soll. Es hat sich nämlich in Montgomery, im
Staate Alabama, unter dem Namen „Agentur für weiße
Arbeit" eine Gesellschaft gebildet, welche den südlichen
Pflanzern an Stelle der durch den Krieg frei gewordenen
Sklaven weiße Arbeiter verschaffen will, und sich zu die
sem Ende nach Deutschland, dem grsßen Menschenmarkte,
wendet. Mit anderen Worten soll der arme Deutsche
die Plan:agenbesitzer für die Verluste entschädigen, welche
ihnen die Emanzipation gebracht hat, Deutschland soll
dem Süden das Königreich Dahomey ersetzen. So em
pörend die Zumuthung an sich ist, so sind ihre speziel
len Bedingungen noch cynischer. Danach hat sich jeder
Arbeiter kontraktmäßig auf ein Jahr zu verpflichten, wo-
Kr der Arbeitgeber an Männer 150, an Frauen 100
Doll. und an Kinder von 12—Jahren 40—50
Dollars nach Ablauf deS Jahres zu zahlen verspricht;
davon werden indessen 16 Doll. per Kopf für Reiseko
sten abgezogen. Als Beköstigung erhalten die Arbeiter
Negerwtionen und als Wohnungen die seither von den
Sklaven benutzten Negerhütten. Eine solche Ration be
steht für den Mann pro Monat in 12 Pfd., für
Frauen 8 Pfd., für Kinder 6 Pfd. Speck, 1 Bushel
Maismehl, etwas Reis und zuweilen etwas Sirup. Die
Ncgerhütten sind elende Löcher, haben selten Fenster und
selbstredend nie ein Bett. Bei Krankheiten hat der Ar
beiter selbst für Arzt und Medizin zu sörgen und der
durch Krankheiten verursachte Zeitverlust wird vom Ar-^
beitgeber berechnet und abgezogen. Nun müssen Sie wis
sen, daß die Arbeitszeit auf den Baumwollenplantagen
von Tagesanbruch bis Abends 8 Uhr dauert, daß die
Arbeit selbst unter einer glühenden Sonne und auf ei
nem heißen Sandboden sehr anstrengend und die gebo
tene Beköstigung nicht ausreichend ist, die Kräfte des
Körpers zu erhalten. Außerdem sind fast alle nicht ans
Klima gewöhnten Arbeiter, also sämmtliche Einwanderer,
Krankheitsanfällen unterworfen, die ohne ärztlichen Bei
stand leicht gefahrlich werden können. Würde nun ein
Arbeiter auf einer nur 10 englische Meilen von der
Stadt entfernten Plantage krank und müßte nach dem
Arzte senden, so - würde die Doktorrechnung allein in
wenig Wochen das Gehalt eines Jahres verschlingen
und der Arbeiter am Ende desselben noch der Schuld
ner des Arbeitgebers sein. Ein paar Jahre vor der
Rebellion belief sich der Werth eines brauchbaren schwar
zen Feldarbeiters auf 12—1800 Doll.; Sklaven, welche
Handwerker waren, brachten mehrere tausend im Markte.
Der Herr zahlte also für seinen Arbeiter, wenn wir nur
10 Prozent für Zinsen des Kapitals und Abnutzung
der Arbeitskraft rechnen, 120—180 Doll..pro Jahr.
Zugleich aber lief er die Gefahr des Entrinnens deS
Druck von Z. Graff's
Sklaven, verlor das ganze Kapital, wenn dieser starb,
hatte dir Kosten und Zeitversäumnisse für wirkliche und
singirte Krankheiten^ zu tragen und schließlich den un
brauchbar gewordenen Neger bis zu seinem Tode zu füt
tern. Der jetzt an deutsche Adressen gerichtete Plan
stellt den Herrn viel günstiger und schafft einen Zustand,
welcher wo möglich die brasilische Sklaverei noch über
bietet. Trotzdem wird es in Deutschland noch Gimpel
genug geben, die sich bereitwillig einfangen lassen, und
eben so wenig wird es an gewissenlosen Subjekten feh
len, welche für ein paar Silberlinge Blutgeld ihre
Landöleute der Knechtschaft überantworten. Warum er
läßt man wohl derartige Aufrufe nicht" an den Franzo
sen, Schweizer und andere Europäer? Einfach, weil
die „^Vkite I^ador recht gnt weiß, daß matt
ihnen nicht solche Infamien zumuthen kann, die sie un
gestraft uns Deutschen bietet. Die „Nation der Den
ker" zählt eben im Rathe der Völker kautn. anders mit
denn als Objekt, als Waare, als Fleisch und Knochen,
aus welchem der fremde Arbeitgeber seinen Vortheil her
ausschindet. Oestreich und Preußen haben hier ihre
diplomatischen Vertreter, einen Grafen und einen Ba
ron, welche zu den südlichen Baronen in den freund
schaftlichsten Beziehungen stehen, aber mit der Pflege
freundschaftltchen Verhaltens zu den Washingtoner Be
hörden zu beschäftigt sind, als daß sie um Dinge wie
die obige Arbeiterfrage sich viel zu kümmern Zeit hätten.
Sämmtliche deutsche Staaten und Stätchen haben in
jeder größern Stadt der Vereinigten Staaten ihre Kon
suln und Generalkonsuln; aber die Herren sind Kauf
leute und begünstigen die Auswanderung, weil sie ihnen
direkt und indirekt Nutzen bringt, und treten ihr deshalb
auch in ihrer verwerflichsten Form nicht entgegen. Sie
kümmern sich um ihre Landsleute oft nur so weit, als
diese für jede Beglaubigung drei Thaler bezahlen. Wo
her soll aber Abhülfe kommen, wenn die unabhängige
deutsche Presse den Schwindet nicht brandmarkt und
nicht den in der Montgomery'schen Aufforderung dem
ganzen deutschen Volke in's Gesicht geschleuderten In
sult gebührend zurückweist?
Zur Nachricht.
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tigstellung ersucht. Wer diese Nummer behält, wird auch
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Curs.
Für 100 fl Silber wurden in Wien bezahlt:
Samstag, den 30. Dezember . . fl. 104. Banknoten.
Mtttwpch, den z. Jänner . . fl. 104. »
Herausgeber: Gregor Fischer.
Verantwortlicher Redaktor: vr. Schädler.
Wittwe in Zeldkirch. "