Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1866)

de Ragaz respektirten. — Die Rhein fähre Vaduz- 
Sevelen ist gegenwärtig im besten Zustande und für' 
jede Art Fuhrwerk praktikabel. 
— Nagaz. Durch das hiesige Post- und Telegra 
phenbureau wurden im verflossenen Jahr fpedirt: 
Telegraphische Depeschen im Innern der 
Scbweiz 3l74 
Telegraphische Depeschen nach und von 
dem Ausland 587 
Tolal: 3761 
Fabrpoststücke 9509 ohne die angekommenen. Geld 
anweisungen 1778 mit einem Geldumsatz von Fr. 
102,389 56 Rp. Briefmarken wurden verkauft für die 
schöne Summe von Fr. 5582 40. 
Die Gewerbe-Ausstellung für den Bezirk Sar 
gans soll in Ragaz stattfinden. 
Neligions - Streitigkeiten. In letzter Zeit 
wurde vom bischöflichen Generalvikar in Solothurn eine 
Verordnung erlassen, daß Protestanten künftig nicht 
mehr in geweihter Erde begraben werden sollten. Dar> 
auf versammelten sich an 4000 Katholiken in Solothurn 
und erklärten, daß sie mit diesem Acte des Generalvikars 
nicht, einverstanden seien, sondern auch ferner den Pro 
testanten Ruhestätten auf kathol. Friedhöfen gestatten 
würden. — Andrerseits aber berichten die Zeitungen, 
daß noch heutzutage in Zürich und Basel die Glocken 
der katholischen Kirche nicht in das Geläute der pro 
testantischen Gotteshäuser einstimmen dürfen. Noch 
schlimmer sei es aber in Basel, wo man von den Ka 
tholiken, welche um das Bürgerrecht einkommen, ver- 
langt, daß sie ihre Kinder protestantisch erziehen lassen. 
— In Böhmen sind Judenhetzen ausgebrochen. In Be- 
raun zwang man Jüdinnen den Spruch: „Gelobt sei 
Jesus Christus" auszusprechen. — An andern Orten 
wurden den Juden die Fenster eingeworfen. Es mußte 
Militär zum Schutze der Juden eingelegt werden.^ 
— Die neue Tiroler Gemeindeordnung be 
schränkt die Wahlfähigkeit der Bürger in den Gemeinde 
rath in unglaublicher Weise. Von 72 Bürgern der Ge 
meinde Matrei waren nur 25 in den Gemeinderatth 
wählbar. Mit genauer Noth sollen in einzelnen Gemein 
den kaum soviel wahlfähig gewesen sein, um die Zahl 
der Gemeinderäthe und Ersatzleute herauszubringen. 
— Leidenschaftliche Kartenspieler. Ihrer drei 
haben in Tamins unlängst einen Ochsen ausgespielt. 
Sie wurden deshalb vor Gericht gezogen. 
— Der diesjährige Winter hinterläßt einen allgemein 
fühlbaren Mangel an Eis. Die Gletscher der Schwei- 
zer-Atpen müßen aushelfen. Ein Basler Spekulant lie 
fert ganze Eisenbahnladungen nach Paris und macht ein 
gutes Geschäft. 
-^Eine heut zu Tage, wo Tausende der ledigew Manner 
auf dem nicht „ungewöhnlichen Wege" der Annonce sich 
Gattinnen suchen, selteneUneigennützigkeit verdient jedenfalls 
einer öffentlichen Erwähnung. Vor mehreren Jahren hatte 
Hr. P., ein reicher Pariser Kaufmann, das Fest von St. 
Cloud besucht. Den Rückweg machte er zu Fuß. In 
der Nahe von Versaille begegnete er einem ältern Manne 
und einem Mädchen von etwa 15 Jahren, die ihn um 
ein Almosen ansprachen. Kleidung und Sprache verrie 
then Menschen, denen diese Erwerbsart noch wenig ge- 
läufig war. Der gutmüthige Kaufmann läßt sich mit dem, 
den er für den Vater des Mädchens hielt, in ein Gespräch 
ein und erfuhr, daß eine Reihe von Unfällen sie aus 
dem früheren Wohlstand in diesen Zustand des Elends 
versetzt habe. Gerührt von der Erzählung dieser unver 
schuldeten Armuth, nahm Hr. P. die Leute mit nach 
Hause. Den Vater stellte er in seinem Geschäfte.an, 
wo dieser ibm sehr gute Dienste leistete, die junge Tochter 
brachte er in die Pension nach Romainville, damit sie dort 
ihre unterbrochene Erziehung vollende. Vor einigen Ta 
gen wurde die ehemalige Bettlerin die glückliche Gattin 
ihres Wohlthäters. Am Hochzeitstage fuhren sie an den 
Ort ihrer ersten Begegnung, wo Hr. P. ein Stück Land 
gekauft und darauf ein elegantes, reich meublirtes Land 
haus hatte bauen lassen, um das Andenken an jenen 
Augenblick zu verewigen, der ihm seine jetzige Gattin 
zugeführt hatte. 
— Die Amerikaner sind abscheuliche, aber sehr prak 
tische Leute. Herr Jamison hatte sich's in den Kopf 
gesetzt, es müsse an den Haushaltungskosten gespart wer 
den; Frau Jamison erklärte, kein Heller könne gespart 
werdendste wisse nicht wo und wie. — Da küßte eines 
Morgens Herr Jamison, als ihn seine Frau belauschte, 
das hübsche Dienstmädchen. Die Folge war, daß Frau 
Jamison, das Mädchen auf der Stelle entließ und Herr 
Jamison monatlich 12 Dollar sparte. 
— * Zn Grafen stein ( Kärnthen ) warf, wie die 
Grazer „Tagesp." erzählt, ein Weib ihr Kind, das es 
nicht mehr ernähren konnte, in den Gurkfluß, Das Kind 
kam ein paarmal auf die Oberfläche des Wassers und 
schlug die Händchen bittend zusammen, worauf die Mut 
ter aus Schmerz und Verzweiflung dem Kinde nach 
sprang und mit ihm ertrank. Die gerichtliche Obduktion 
ergab, daß Mutter und Kind dem Hungertode nahe ge 
wesen waren. — Als ein weiteres Zeichen der Noth führt 
das genannte Blatt an, daß in einem einzigen Bezirke 
des Laventthales, im Wolfsberger, mehr als 600 Dienst 
boten seit Neujahr dienstlos geworden sind. 
— Daß ein Eisenbahnzug wegen Schulden von 
Gerichtswegen weggenommen wird, dürfte zu den Sel 
tenheiten gerechnet werden; so geschab es aber kürzlich 
der nordspanischen Eisenbahngesellschast, der auf Antrag 
französischer Fabrikanten ein Zug mit 6 Personenwagen 
sammt Locomotive beim Ueberschreiten der französischen 
Grenze abgepfändet wurde. Die Gesellschaft zahlte sofort. 
Auswanderung in 'die Türkei. Im vorigen 
Herbste machten sich 251 deutsche Familien, nebst 10 
bulgarischen aus dem südlichen Ungarn auf, um mit 
Sack und Pack auf ihren eigenen Wägen und mit eige 
nem Gespann nach der Türkei zu wandern. Dort er 
hält jede Familie soviel Land als sie bebauen kann, 
außerdem noch Wiesengrund, Boden für Haus- und 
Weingärten, aus den Wäldern das Bau- und Brenn 
holz unentgeldlich. Dafür nimmt die Regierung den 
Zehenten von allen Feldfrüchten und Uy der Grund 
herr, die übrigen 6/y gehören dem Bauern. Die gegen 
3000 Seelen zählende Wander-Genossenschaft hat sich in
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.