Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1866)

versteht der merkwürdige Mann immer zu nehme» und 
zu geben zugleich und Freunden und Feinden ein Räthsel 
zu bleiben. Die kürzeste und ge streichste Kritik über die 
Zustünde in Frankreich gibt der Schriftsteller Theodor 
Barriere in Paris. Er schreibt den Zeitungen: „Ich 
hatte ein Stück verfaßt, welches den Titel trägt: „Wehe 
den Besiegten!" ES wird darin von Treue, Tugend 
und Ehre gesprochen. Aber auf den Theatern wird 
nur Zeitgemäßes zugelassen und mein Stück wurde 
verboten." DaS Theater ist der Spiegel der öffentlichen 
Sitte, die Pariser Theater spiegeln wider das Jagen 
nach Gold, den Lurus, die liederliche Frauenwelt und 
deren Herrschaft. Das sind die Früchte des öffentlichen 
Lebens, dem die Freiheit fehlt. 
Allerhand Wenigkeiten. 
Kindsmord. Eine ledige Weibsperson von Sch a a'n 
ist des Kindsmordes verdächtig gesanglich eingezogen wor 
den. Wie man vernimmt, habe sie in der Untersuchung 
die That bereits eingestanden. Näheres über die Um 
stände wird sich bei Gelegenheit der gerichtlichen Ver 
handlung ergeben. 
— Der Landtag von Vorarlberg hat die Einführung 
einer vorarlberg ischen Landesbrandafsekuranz 
beschlossen. 
— Es will alles gelernt sein, auch die Kunst eines 
Gemeinderaths. In einer vorarlbergischen Gemein 
de war die Frage vom Gemtinderath verhandelt, ob die 
Gemeinde dem Postbezirk Feldkirch zugetheilt werden solle 
oder nicht. Der Gemeinderath spricht sich für Feldkirch 
aus. Der Beschluß wird geschrieben und die Sache ist 
abgethan. Unterdeß aber vereinigen sich der Vorsteher 
und einige Gemeinderathe zu einer Eingabe, man wolle 
bei dem Bezirk Bludenz bleiben. 
Herabsetzung der Zölle. Ein Handelsver 
trag mit England wird die Folge haben, daß die östrei 
chischen Zölle etwas ermäßigt werden. Es ist z. B. 
festgesetzt, daß kein Zollsatz mehr als 25 Prozent des 
Werthes einer Waare betragen darf. Die Vortheile die 
ses Vertrages kommen allen denen zu gut, welche Waa 
ren verbrauchen; der Rachtheil aber für die Produzenten 
wird sich durch einen lebhaften Handel von selbst aus 
gleichen. 
Gewerbsausstellung in Sargans. In Sar 
gans wurde eine Versammlung von Gewerbetreibenden 
des Sarganser Landes abgehalten, um im heurigen Jahre 
eine Gewerbsausstellung zu machen. Herr Lehmann 
von Sargans nimmt sich besonders der Sache an. 
Wirklich gibt eS kaum ein besseres Mittel, um dem ge 
schickten Handwerker zu Absatz und Verdienst zu helfen, 
als Ausstellungen. 
— Im Zuger See (Schweiz) ist eine Forelle von 
nahezu 27 Pfund Gewicht gefangen und als Präsent 
für den bekannten Hecht nach Paris geschickt worden. 
Deutschland und Italien befreunden sich wieder 
mit einander. Es wird demnächst ein Handelsvertrag 
zwischen beiden zum Abschluß kommen. Vielleicht ist 
dies ein Mittel, um für eine Bündtner Alpenbahn Un 
terstützung in Deutschland zu gewinnen. Man glaubt 
auch, Oestreich werde sich endlich wieder mit Italien aus 
söhnen. Wozu noch langer grollen? Verloren ist ver 
loren, durch das unnachbarliche Benehmen beider Länder 
haben die östreichischen Provinzen am adriatischen Meere 
schon schwere Verluste erlitten. 
Ratt en v ertilger, ein neuer. Unter der Stad^ 
Paris sind viele lausend gewölbte unterirdische Abzugs 
gräben zum Abzug des städtischen Unraths. In diesen 
Kanälen, an deren Seiten Fußwege angebracht sind, le 
ben Millionen von Ratten, die sich von Jahr zu Iah 
vermehren und eine unerträgliche Plage der Pariser sind. 
Neuerlich hat man Telegraphendrähte!durch die gewölb 
ten Räume geführt. Von Zeit zu Zeit wird irgend ein 
Lockmittel, Fleisch ze. an diesen Dräbten befestigt. Die 
Ratten wissen nicht, woran sie sind mit diesen himmel 
langen Drähten. Aber kaum, daß sie daran naschen, 
thuts einen Zuck und Schlag und todt sind sie. Ster 
bend lernen sie die Elektrizität kennen. 
— König Leopold von Belgien hat das „Hausen" 
verstanden; er hinterläßt ein Vermögen von 32 M itl. 
fl. — Der junge König hat die Regierung 8 Tage 
nach dem Tode seines Vaters angetreten. In dieser Zeit 
regierten die Minister im Namen des Volkes. Erst 
dann, als der König die Verfassung beschworen, und die 
Herrschergewalt aus den Händen des Volkes übernom 
men hatte, durfte er die Regierung führen. Er zeigte 
sich bei der Antrittsrede sehr ergriffen. Die Worte, wel 
che auf die Selbständigkeit Belgiens und die Stütze des 
Volkes Bezug hatten, fanden einen ungeheueren Beifall, 
dergleichen die anwesenden Prinzen und Gesandten frem 
der Höfe nie gesehen hatten. Der Kronprinz von Preu 
ßen soll sich seltsame Gedanken bei dieser Gelegenheit 
gemacht haben. Es habe ihm der Thron eines solchen 
Königs, der die freie Zuneigung und Liebe seines Vol 
kes besitze, fester geschienen, als der eines andern Königs, 
welcher Gehorsam und Treue erzwingen will und 
bei jedem Anlaß mit der Thatsache argumentirt, daß er 
seine Krone vom Tische des Herrn genommen habe. 
— Als die Kardinale dem Papste zur heil. Weihnacht 
gratulirten und auf die Stürme der Zeit hinwiesen, er 
innerte sie Pius IX. an den auf dem See von Gene- 
zareth schlafenden Jesus. Auch jetzt scheine der Heiland 
zu schlafen, aber er wache beständig über der Kirche und 
steure das Schifflein. 
— Pionier Buggisch half mit seinem guten Kamera 
den und Nebenmann Zierold die Düppeler Schanzen 
tapfer stürmen, „eine Kugel kam geflogen" und riß ihm 
den Kameraden weg. Schade um die schönen neuen 
Stiefeln! dachte Buggisch, zog sie ihm aus, brachte sie 
ins Quartier und verkaufte sie. Als er aber ausgeklei 
det wurde und heimkehrte, wurde er vom Staatsanwalte 
in Potsdam des Diebstahls angeklagt und vom KreiS- 
gerichte zu l Monat Gefängniß verurtheilt. Er appel- 
lirte und erzählte dem Kammergerichte in Berlin, sie 
hätten vor dem Sturme als Kameraden ausgemacht, 
der Ueberlebende solle deS Fallenden Erbe sein. Beweise! 
sagte das Kammergericht, und bestätigte den Spruch der 
Potsdamer, als er eS nicht konnte.
	        

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