Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1866)

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denen Strecke gar nicht mehr vottvätts, so daß die Pas 
sagiere aussteigen mußten. Welchen Zweck die EinHe 
bung deS Weggeldes bei solchen Umständen hat, begrei 
fen die Pferdebesitzer nachgerade nicht mehr. 
Seit einigen Jahren werden in Liechtenstein die Stra 
ßen im Herbst und Vorwinter beschottert. Es ist die 
Folge, daß unsere Straßen auch bei gegenwärtiger naßer 
Witterung im besten Zustande sind. Hätte man die Be 
schotterung bis zum Frühling verschoben, so würden sie 
ein Kothmeer geworden sein, wie in Vorarlberg. Und 
doch, wie viel ward schon raisonnirt, wenn infolge der 
Herbstbeschotterung eine 8tägige Schlittbahn Schaden 
nahm? 
In Wien hat ein Angestellter der Creditanstalt 
300,000 fl. entwandt. Die Aktionäre können sich trö 
sten, die Anstalt soll anno 65 an 20 Gewinn ge 
macht haben. 
Der Gemeinderath Hard im vorarlberger Unter 
lande soll wegen seiner Adresse an den Landtag zur 
Strafe gezogen werden, Anklage auf Störung der öffent 
lichen Ruhe (§. 65 St. Ges. B.) Zwei der berühmte 
sten östr. Vertheidiger stehen dem Gemeinderath zur Sei 
te. — Belkredi! — Bismark! 
Von 100 schulpflichtigen Kindern besuchen nur 75 
die Schule in Oestreich. Da wäre auch eine „Sisti- 
rung" am Platz, meint die Feldk. Ztg. 
In Krain droht der Hungertyphus auszubrechen. — 
Der Triester Landtag bittet um Handelsverträge mit 
Italien. — Für das östr. Ministerium gibt es kein Ita 
lien auf der Landkarte fondern nur erst ein Sardinien. 
— Der östr. Gesandte beim hl. Vater gab zu seinem 
Amtsantritt einen Ball, auf dem an ^000 Menschen 
gastirt wurden. — Zwischen den Deutschen und Eze- 
chen in Böhmen steigt die Erbitterung und dringt in 
alle Verhältnisse ein. Die Czechen sind oft roh und 
übermüthig, die Deutschen kleinmüthig und von ihren 
natürlichen Führern, den großen adeligen Grundbesitzern 
im Stiche gelassen. Den Deutschen kommt es böhmisch 
und spanisch zugleich vor, daß ihre Kinder in den Schu 
len czechisch sprechen lernen sollen; sie können's nur aus 
der Gasse und nicht in der Welt brauchen. 
Schweiz. In Zürich studire'n gegenwärtig zwei 
russische Damen Medizin. — Das Geschenk, wel 
ches der Kanton Zürich der Eidgenossenschaft mit dem 
neuen Polytechnikumsgebäude macht, hat einen Werth 
von 21/4 Mill. Frs.; so hoch laufen die Baukosten. 
Seidenraupen eier. Freunde der Seidenzucht 
und intelligente Landwirthe werden nicht ohne Interesse 
vernehmen,, daß das schweiz. Handels- und Zolldeparte 
ment eine Sendung von etwa 12 Pfd. Raupetteier, von 
der Sorte der Thanca Mai (Eichenspinner genannt, 
weil sie sich von Eichenlaub ernähren) aus Japan be 
zogen hat, um einen Versuch zur Einbürgerung dieser 
werthvollen Seidenraupe in unserm Baterlande zu 
machen. 
Aus Dresden vom 13. Februar berichten die 
Dresdner Nachrichten: „In einer wahrhaft furcht 
baren Situation befand sich gestern ein junger Mann, 
der als geschickter Arbeiter bei einem hiesigen Schlosser- 
meistet Geldschränke anfertigt Und deren schon über IM 
angefertigt hat. Eben war wieder eins jener ehernen 
Diebsärgernisie der Neuzeit unter den nervigen Fäusten 
der -Söhne Vulkans blank und spiegelglatt hervorge 
gangen nnd man schritt zur Schloßprobe. Dieselbe fiel 
aber nicht zur Zufriedenheit des eigensinnigen Arbeiters 
aus. Die Riegel und Federn griffen ihm nicht erakt 
genug ein; es klappte und schnappte ihm mit Einem 
Worte noch 'nicht so recht. Gleichwohl ließ sich auch 
nicht ermitteln, wo ein Fehler lag. Weil von außen 
sich nichts entdecken ließ, begibt er sich mit einem bren 
nenden Talglicht ins Innere und läßt von außen schlie 
ßen. Er beobachtet, sondirt, leuchtet hin und her, kann 
aber nicht wegkriegen, wo es hängt. „Nun, so muß 
das Schloß wieder herunter, macht auf!" Die draußen 
stehenden Gehülfen fangen an zu schließen, allein die 
Riegel weichen nicht mehr. Einer nach dem andern 
versucht, aber keinem gelingt es. Eine lange bange 
Viertelstunde ist schon vergangen. Der Eingeschlossene, 
von Natur muthig und nervenstark und deshalb unver 
zagt, bemerkt jetzt zu seinem Schrecken, daß ihm daS 
Athmen schwer fällt und das Licht aus Mangel an Le 
bensluft zu verlöschen droht. Er wird angstlich und bit 
tet den Meister zu holen. Derselbe erscheint sofort und 
arbeitet an dem Schlosse herum, müht sich aber ebenso 
erfolglos wie vorher die Gesellen. Mittlerweile flackert 
drinnen das Licht noch ein par mal auf und verlischt. 
Dem Unglücklichen bricht der kalte Schweiß aus allen 
Poren, die Athnmngsbeschwerden werden nahezu uner 
träglich — und ringsum Grabesnacht, Licht, nur Licht! 
denkt er — vielleicht brennt es doch und du entdeckst 
die Ursache deiner schrecklichen Lage. Er sucht in den 
Taschen, findet ein Päckchen Zündhölzer und fängt hastig 
an zu streichen, in der namenlosen Angst nicht bedeutend, 
daß der Phosphor und Schwefelgeruch die Luft ver 
schlechtert. Alle Versuche, Licht zu schaffen, waren ver 
geblich. Draußen arbeiteten sämmtliche Schlosser schweiß 
triefend, nur manchmal mit der Frage sich unterbre 
chend: „G., lebst du noch?" — Ja, aber — eilt um 
Gottes willen — sonst ist's vorbei mit — mir. Ich 
kriege — keine Luft — mehr!" Und angestrengter 
würgen und wuchten die Freunde mit Bohrer, Meißel 
und Dietrich. Es ist vergebens. Jetzt packt den Armen 
drinnen im eisernen Sarge die Verzweiflung! So jung 
und lebenslustig auf so ent 
das ist zu viel. Mit Nie 
etzliche Art sterben zu müssen, 
senkraft stemmt er sich gegen 
die Thür, doch die metallenen Wände spotten der Ohn 
macht ihres Verfertigers. Keuchend läßt er ab vom 
thörichten Versuch. Roch einmal sammelt er sich, ^wie 
der will er Licht, sucht nach Zündhölzchen — und fin 
det — 0 gütige Vorsehung — einen Schraubenzieher, 
der vergessen am Boden liegen geblieben war. Jetzt ist 
noch Hülfe möglich. Er rafft sich auf und innig vertraut 
mit Befestigung des verhängnißvollen Schlosses, fängt 
er an, dasselbe loszuschrauben. Wohl wanken ihm die ' 
Kniee, die Brust droht ihm zu zerspringen, aber die 
Hand zittert nicht, sie findet jedes Schräubchen und 
dreht — und dreht fort mit Blitzesschnelle. Jetzt fällt daö 
Schloß, die Thür springt auf und der Gefolterte wirst 
sich seinen jubelnden Freunden tn die Arme."
	        

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