Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1866)

Kaiserwort. Die östreichische Reichsverfassung war ge 
geben für ewige Zeiten und wenn je, so sollte sie nur 
mit Zustimmung deS Volkes abgeändert oder eingestellt 
oder aufgehoben werden können. Oestreichs Deutsche 
wissen, wie lange dieses „ewig" währte; vielleicht haben 
die Ungarn das wahrgenommen und weichen deshalb 
nicht von ihrem alten Rechtsboden. Es ist- ein gar 
sonderbar Ding mit dem Recht; eS muß fest und starr 
sein wie daS Naturgesetz, wenn eS bestehen und wirken 
soll. 
Auch in Preußen praktizirt man auf eigenthümliche 
Art mit Recht und Gesetz. In §. 84 der preußischen 
Verfassung steht geschrieben, daß kein LandtagSabgeord- 
neter wegen seiner Rede im Landtag bestraft oder zur 
Rechenschaft gezogen werden soll. So steht'S geschrie 
ben, so hat man es ausgelegt und geübt. Dem Will 
kürregiment des Königs Wilhelm und seiner Minister 
paßt dieser Paragraph nicht. Die schneidige Rede deS 
Präsidenten Grabow und anderer Abgeordnete» hat die 
Minister vor aller Welt ins rechte Licht gestellt und ihre 
gesetzlose Willkür gebrandmarkt. Man will sich diese 
Peiniger vom Halse schaffen, also wird der §. 84 miß 
deutet und verdreht und die Abgeordneten wandern auf 
die Anklagebank und ins Gefängniß. 
Der Handelsvertrag zwischen Deutschland und 
Italien ist gesichert; auch die widerspänstigen Regie 
rungen von Hannover und Hessen haben sich mit der 
Nothwendigkeit abgefunden. 
Zwischen Frankreich und Nordamerika sind 
scharfe Worte gewechselt worden wegen Meriko. Die 
Amerikaner wollen einmal nicht gestatten, daß "Europäer 
sich in ihre Händel mischen. 
Während die französischen Soldaten allmählig auS 
Rom zurückkehren, hat Napoleon gestattet, daß für den 
hl. Vater französische Miethtruppen angeworben wer 
den dürfen. — ES verlautet, daß der Papst ein neues 
Anlehen von 5V Millionen Franken bei deutschen Ban- 
kieren machen will. 
Friedrich Nnckert 
starb am 3i. Januar in NeufeS bei Coburg. Er war 
der größte deutsche Dichter der Gegenwart. Rückert und 
Uhland waren die beiden letzten auS jener Zeit, die man 
daS goldene Zeitalter der deutschen Literatur nennen darf. 
— Lange Jahre find verflossen, seit den deutschen Frei 
heitskämpfen gegen den Völkertyrannen Napoleon. Wie 
Blitze zündeten damals RückertS Freiheitsgesänge in den 
Herzen der deutschen Jünglinge, und der Erbfeind wurde 
hinweggefegt von Deutschlands Marken. Aber er kam 
nicht wieder, mit „des Reiches Herrlichkeit", der Kaiser 
Barbarossa, .... „die alten Raben fliegen noch im 
merdar um den Kvffhäuser." Rückert erlebte eS nicht, 
was er in seinen Jugendliedern besungen: die Einheit 
und Größe des Vaterlands. Ja die Aussichten aus deS 
„Reiches" Wiedergeburt sind gerade jetzt, am Todestage 
RückertS, trostloser denn je; Barbarossa muß noch schla 
fen, „verzaubert hundert Jahr!" 
Allerhand Neuigkeiten. 
Vaduz 13. Februar. In Begleitung der Mitglieder 
deS SchulratheS und der Lehrerschaft zog die hiesige 
Schuljugend gestern Nachmittags auf das Schloß, 
wo dieselbe mit Wein zc. regalirt ward. Viele 
Eltern und Jugendfreunde hatten sich daselbst^ eingefun 
den. Unter Musik, Gesang und Deklamationen eilten 
die Stunden schnell dahin. Die hoffnungsvollen Spröß 
linge unserer Gemeinde waren durch dieses neue, unge 
wohnte Ereigniß ungemein erfreut und gaben ihre mun 
tere Stimmung auf das Nachdrücklichste zu erkennen. 
Herr Pfarrer de CurtinS, welcher diese Vergnügungs 
fahrt mit Unterstützung deS SchulratheS eingeleitet hatte, 
kann des Dankes der Kleinen und der Anerkennung der 
Großen sicher sein. Es läßt sich hoffen, daß hiemit der 
Anfang gemacht ist, Kinderfeste auch bei uns einzuführen, 
deren wohlthätige Einwirkung auf die Erziehung von 
allen Pädagogen anerkannt ist. Nicht nur kommt da 
durch eine wohlthuende Abwechslung in die trockne Ein 
tönigkeit deS SchullebenS, sondern die Schule wird auch 
den Eltern und dem Leben mehr befreundet, und Theil 
nahme für sie erregt. Und wie gering sind die Opfer, 
welcher eS bedarf, um der Jugend einen frohen 
Tag' zu bereiten? Wahrlich eS wäre ein trauriges 
Zeugniß, wenn man nur Aug' und Ohr hätte für den 
ökonomischen Theil deS menschlichen Lebens, für Land- 
wirthschaftSfeste und GewerbSausstellungen! In der Ju, 
gend liegt unsere Zukunft — in der Jugend lebt die 
Unsterblichkeit eines Volks! 
Vaduz 14. Febr. Die „Gartenlaube" (Leipzig, Keil) 
bringt in ihrer letzten Januar-Nummer eine Zeichnung 
von Schloß Vaduz und eine sonderbare Schilderung von 
Land und Leuten. Man erinnert sich auf einen Touristen 
oder Maler, welcher sich im vorigen Sommer mehrere 
Tage hier aufhielt und sich auf nicht näber zu bezeich 
nende Weise besonders bemerklich machte. Seine Schil 
dereien in der „Gartenlaube" sind denn auch wirklich 
ganz danach ausgefallen. Mit Benutzung einer mähr- 
chenhaften Schilderung, welche der Siecle im letzten 
Sommer über Lichtenstein brachte, sodann mit Einmi 
schung passender Dichtungen und Entstellungen hat er 
denn ein OpuS erzeugt, welches nicht verfehlen wird, 
die Leser auf Kosten der deutschen Kleinstaaterei zu amüsiren. 
Nur schade, daß er die Farben so grell auftrug, und 
den Unsinn so weit votenzirte, daß kein Vernünftiger 
dem Geschreibsel einen Schimmer von Wahrheit beilegen 
kann. Was er von Unterhandlungen mit Sr. Durch 
laucht dem regierenden Fürsten von Mißregierung, n. 
fabelt, ist Hierlands keiner Seele fühlbar geworden; eine 
Wiederlegung solcher Dinge lohnt sich, wie bemerkt, nicht 
der Mühe. — Daß Liechtenstein, seiner Kleinheit wegen 
als ein äußerst merkwürdiges politisches Phänomen gilt, 
ist man gewohnt. Im Vergleich mit manchen deutschen 
BundeSstaaten indeß finden wir unsere politischen Zu 
stände nsch recht leidlich, ja noch mehr! Um Vergleiche 
anstellen zu können darf man nicht einmal bis Mecklen 
burg reisen! 
— Als eine seltene Erscheinung verdient notirt »u
	        

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