Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1866)

Liechtensteiner.Landeszeitung. 
Vierter «sakrSaNS. 
Vaduz, Samstag Wro» ÄV« 2V. Oktober 186k. 
Dieses Blatt erscheint in der Regel monatlich 3mal und kostet ganzjährig i fl. 50 kr. Einrückungsgebühr für die gespal 
tene Zeile 4 Nkr Man bestellt die Zeitung in Vaduz bei der Redaktion — in Feldkirch bei der löbl Wagnerischen Buch 
handlung oder bei der k. k. Post. Die Redaktion besorgt auch Bestellungen auf das liechtenst. Landesgesetzblatt. 
Eine geschichtliche Erinnerung. 
Wenn die Gegenwart einerseits nur die kalte Gewalt, 
anderseits nur Thorheit oder Feigheit vor unsere Augen 
führt, dann wendet sich unwillkürlich der Blick zur Ver 
gangenheit, um aus ihr Trost und Muth zu schöpfen 
für die Zukunft. In den Geschicken Einzelner spiegelt 
sich häufig das ganzer Nationen: per aräua aä astra — 
durch Dornen zum Ziel! 
«Man martert und man tödtet sie. 
Und dann nach kurzer Zwischenzeit 
Baut man ein Denkmal dem Genie, 
Das sich dem Menschheitsdienst geweiht» 
singt der seelenvoUe Dichter Beranger. 
Es war zu Anfang des Augusts im Jahre 4807, 
als eine unübersehbare Menschenmenge zu New-Aork an 
den Ufern des Hudson stand, ungefähr in derjenigen 
Gegend, welche heutzutage Fultonstreet heißt. Diese 
Menge betrachtete ein Schiff seltsamer Gestalt, ohne Ma 
sten und Segel, mit einem Schlot und zwei Rädern 
rechts und links an der auswendigen Seite von Back- 
und Steuerbord. Ein pennsylvanischer Bürger, Namens 
Robert Fulton, war nach mehren mißglückten Versuchen 
in Europa nach Amerika zurückgekehrt, um eine, wie er 
sich ausdrückte, die Welt revolutionirende Erfindung in 
Szene zu setzen. Dieselbe plätscherte eben vor den Au 
gen der New-Aorker Bürgersame auf dem Spiegel des 
Hudson; sie spie Dampf und Wasser aus, nnd sollte 
einzig mit diesen Hülfsmitteln die Fahrt nach Albany 
von New-Aork wagen. 
Vernünftige und Unvernünftige schüttelten den Kopf: 
„Welch' ein Schwindel! — Dieser Kerl hat auch noch 
die Frechheit, 10 Dollars Fahrtgeld zu verlangen. — 
Ganz Schwindel ist es eigentlich nicht, sondern so ein 
Mittelding zwischen Traum und Wirklichkeit — Keine 
Katze wird mitfahren. — Was macht er denn jetzt der 
tolle Kerl? Weiß Gott, er stößt von der Brücke ab, 
welche Schiff und festes Land verbinden.. — Es ist ein 
Narr! — Ein Narr, ein Narr!" in solchen und ähn 
lichen Tonarten erging sich die zuschauende Menge, und 
segnete sich und ihren gesunden Menschenverstand. Ein 
einziger Passagier war auf's Schiff gekommen; die Ge 
schichte nennt leider seinen Namen nicht. „Herr Fulton, 
ich fahre mit nach Albany; hier meine 10 Dollars." 
„Was! Sie setzen Vertrauen in mein Unternehmen?" 
„Vollkommen!" .,Dank, tausend Dank!" Fulton drückte 
leidenschaftlich die Hand des Unbekannten, und sagte mit 
einem süßsauern Lächeln: „Das ist das erste Geld, 

welches ich für eine zehnjährige Arbeit einnehme." In 
zwischen wurde die Menge ungeduldig. Nach der Ge 
wohnheit aller Mengen wollte sie ihr Kommen minde 
stens durch ein Schauspiel belohnt sehen,^ sie murrte, 
grunzte und pfiff, und machte Miene, Erfinder und Er 
findung mit Steinen zu bewerfen, Da stieg aus dem 
Kamin des Schiffs eine mächtige Rauchsaule, stolz be 
schrieb es einen weiten Kreis, die Rader auf beiden Sei 
ten regten sich und peitschten zürnend die Wasserfläche, 
und gleich einem Pfeil flog die hölzerne Masse hin, 
stromaufwärts trotz Wind und Wellen. Der „Cler- 
mont" — so hieß das Schiff — legte den Weg von 
New-Aork nach Albany in 36, die Heimfahrt in 30 
Stunden zurück. Beim Hin- und Herweg, welche ein 
schließlich des Aufenthalts keine drei Tage währten, hat 
ten Tausende von Uferbewohnern der seltsamen Maschine 
mit Schrecken entgegen- und nachgesehen; die Segel 
schiffe hielten still beim Anblick der langen Rauchsäule 
und beim Vernehmen des Rädergeklappers; alte Ma 
trosen flohen ins Zwischendeck, und die Beherzteren, 
welche oben blieben, murmelten ein Gebet vor dem dä 
monischen Ungethüm. Vierzehn Tage später verrichtete 
der Clermont den regelmäßigen Postdienst zwischen New- 
Aork und Albany, und dieselbe Menge betrachtete gleich 
gültig als etwas Alltägliches den früheren „Schwindel" 
und nachhengen „Gottseibeiuns". 
Heutigen Tages durchlaufen von den Nußschaalen 
kleiner Flüsse an bis zum Meereskoloß Great-Eastern 
— achtzehntausend Dampfer die Gewässer unseres Pla 
neten, und neben ihnen lagern ungezählte Meilen Eisen 
bahnen, ihre jüngeren Geschwister. Man kann wohl 
noch da und dort Schienen aufbrechen und Schiffe in 
den Grund bohren, allein das „weltumwalzende" Werk 
Fulwns lebt fort wie die ihm zu Grunde liegende Idee, 
der vorwärts strebende Menschengeist, welcher belächelt, 
verspottet und verfolgt und manches Mal schier lahm 
gelegt, doch immer wieder seine Bahn sich bricht, und 
nach verhältnißmäßig kurzer Frist Begriffe und Formen 
als etwas ganz Natürliches und ganz Selbstverständliches 
erscheinen läßt, was früher niederer und hoher Menge 
Thorheit, Frevel und Verbrechen schien. (Nümb. Anz.) 
Allerhand Neuigkeiten. 
Vaduz, L8. Oktober. Um die Gründung eines Leh- 
rerpensionsfondes anzubahnen, hat die Regierung,
	        

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