Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1866)

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Wind schleppte das Feuer in einige Privathäuser, die 
man aber auch ruhig brennen ließ, weil eine Gefahr 
der Fortpflanzung von dieser Seite nicht zu befürchten 
war. Man fürchtete jetzt für ein drittes Magazin mit 
viel Zucker und Hanf, konnte es aber bis gegen Abend 
halten; da indeß der Wind nicht nachließ, fing auch 
dieses Feuer und setzte ein viertes Magazin, das Fleesch 
huys, in direkte Gefahr; in letzterem lagen für Mittio 
nen Wolle, die nun mit größter Hast weggenommen 
wurde, in den Kellern überall Petroleum. Die Fenster 
des Fleeschhuys wurden zugemauert und die umliegenden 
Häuser noch während der Nacht abgerissen und dem 
Boden gleich gemacht, um wenigstens die überirdische 
Verbindung mit dem Feuer abzuschneiden. In dieser 
Beziehung war man nun ganz ruhig, fürchtete aber sehr 
für die Keller. In der Nacht gegen 3 Uhr kam denn 
auch eine zweite Erplosion mit donnerähnlichem Gekrach, 
wodurch einige kleine, zum Glück schon leere Häuser 
einstürzten. Es war das ein" neuer Keller mit 2000 
Fässern Petroleum. Jetzt kannte die Polizei keine Rück 
sichten mehr; die Einwohner der Nächstliegenden Straßen 
wurden, zum Theil mit Gewalt, aus ihren Häusern ge 
jagt, ohne daß sie auch nur noch das Geringste hätten 
retten dürfen. Die entfernteren Rachbarn wurden auf 
gefordert, Alles, in Sicherheit zu bringen, da ihnen 
vielleicht in kürzester Zeit Gleiches bevorstehe. Dieser 
Samstagmorgen war das Schauderhafteste, was ich je 
gesehen. Aus allen Häusern hingen Stricke heraus mit 
mancherlei Möbeln daran, um sie zu retten. Auf der 
Straße ein Gewühl und Geschrei von Tragenden und 
Führenden, die Wagen gingen durch einander und 
sperrten sich — kurz, ein ssuve <zui peut, wie es die 
lebhafteste Phantasie nicht ausmalen kann. An einzelnen 
Stellen war auch das Straßenpflaster aufgerissen, um 
die Kanäle und Gasleitungen abzusperren, damit nicht 
durch sie das Petroleum weiter gehe. In diesen beiden 
Kellern blieb das Feuer aber zum großen Glück kon- 
zentrirt, und obgleich nur fünf Meter Terrain zwischen 
dem Keller des Fleeschhuys und dem zuletzt erplodirten 
waren, war die Hitze doch nicht stark genug, um jenen 
ebenfalls zur Erplosion zu bringen. Wäre es zu dieser 
Erploston gekommen, so wäre die halbe Stadt verloren 
gewesen, weil das Fleeschhuys, eine ehemalige Kirche, 
in unterirdischer Verbindung mit dem Stele, dem ehe 
maligen Jnquisitionsgebäude und der mitten in der 
Stadt liegenden Wohnung Herzog Alba's steht. Das 
Petroleum sickerte überall durch die Erde, so daß in be 
nachbarten Kellern und Gemächern fortwährend Pum 
pen beschäftigt bleiben mußten, um das eindringende 
Petroleum auszupumpen. Die Brunnen der Nachbar 
schaft sind natürlich auf einige Zeit verdorben. Jetzt 
ist das Feuer gänzlich gelöscht, nachdem es über drei 
Wochen gebrannt, und vierzehn Tage lang so stark, 
daß wir stets gerötheten Himmel und einen ganz uner 
träglichen Petroleumgestank in der Stadt hatten. Man 
konnte fast keine Suppe essen, ohne den Petroleumruß 
mitzuschmecken. 
Bei dem ehemaligen König von Neapel Franz II. soll 
die Finanznoth jetzt groß sein. Die Königin Marie 
soll sogar ihren prächtigen Halsschmuck und andere Ju 
welen verkaust haben, um nur nicht den äußersten 
Mangel zu leiden. 
Die Köln. Ztg. erzählt, die altbayerischen Bauern 
hätten das Jagdhaus des Herzogs von Coburg bei 
Miesbach dem Erdboden gleich gemacht, ohne jedoch da 
bei etwas zu entwenden, sondern sie hätten Alles, Ziegel, 
Balken, Sparren u. s. w. säuberlich aneinandergeschichtet. 
Dem bayerischen Bolke ist es gewaltig in die Nase 
gefahren, daß Graf Bismark den höchsten bayerischen 
Orden erhalten hat, und man kann es ihm nicht ver 
denken; denn es sagt wie jenes Mädchen in Görlitz: er 
hat den Krieg doch angefangen! — Die Diplomaten 
kalkuliren anders. Die bayerischen Truppen haben sich 
überall schlagen lassen, die preußischen Truppen standen 
tief im Lande, hielten werthvolle Provinzen besetzt und 
die Militärpartei in Berlin erhob Ansprüche auf Abtre 
tung dieser Provinzen. Bismark trat ihr entgegen und 
vertrat die Mäßigung. Daß Bayern nur 40,000 Köpfe 
und 30 Mill. Gulden an Preußen zu zahlen hat, das 
hat Bismark bewirkt. 
Vom Lttdwigsburger (Würtemberg) Schwurgerichte 
wurde die 15jährige Christiane Mathilde Ablertine Heller 
von Rohrdorf wegen Brandstiftung zu 6 Jahren Zucht 
hausstrafe, zu erstehen in einer Strafanstalt für jugend 
liche Verbrecher, verurtheilt. Das Mädchen mit wohl 
gebildetem, intelligentem Gesicht und ausgestattet mit den 
besten Zeugnissen über ihr sonstiges Betragen, hatte eine 
wahre Wuth, Feuer zu stiften und ging ganz blind da^ 
bei zu Werk. Fünfmal hat sie bei ihren nächsten Nach 
barn, bei ihrer Dienstherrschaft und sogar bei Verwand 
ten Feuer gelegt, zweimal mit Erfolg. Unter Weinen 
gesteht sie, daß sie nicht wußte, warum? 
Die Offiziere der eroberten Staaten verlangen von 
ihrem Eide gegen ihre bisherigen Kriegsherren entbun 
den zu sein, ehe sie in die preußische Armee eintreten. 
Mit dem Eide der Untergebenen darf es keine Regierung 
leicht nehmen. Will Preußen die Eideöentbindungen 
von den vertriebenen Fürsten erlangen, so muß es ihnen 
Vortheile gewähren, die mitunter mit den Landes- und 
den preußischen Interessen im Widerspruche stehen. 
Der Civilcommiffar v. Madai in Frankfurt erließ 
auch dem Frankfurter Senat die zugemuthete Huldigung, 
als er erfuhr, daß viele Senatoren lieber ihr Amt nie 
derlegen, als huldigen würden. 
Der schwedische Reisende Hedenborg will auf der In 
sel Rhodus eine interessante Beobachtung gemacht haben. 
Er habe öfter, wenn im Herbste die Züge der Störche 
über das Meer nach RhoduS kamen, Gesang von Sing 
vögeln gehört, ohne die Sänger entdecken zu können. Einst 
sei er aber den Zügen von Störchen nachgegangen, habe 
bann gesehen, daß sie sich niederließen, daß von den Rü 
cken der Störche kleine Vögel aufflogen, welche auf diese 
Weise die Reise über das Meer machten. Die Gattung 
der Singvögel habe er wegen der Größe der Entfer 
nung nicht unterscheiden können. 
Vom Berliner botanischen Garten wurde eine über 
seeische Wasserpflanze, ^naeksris ^lsinNstrum, auch 
Iroxxe roria pestikera (Wasserpest) genannt, als Kuriosi*
	        

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