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Wind schleppte das Feuer in einige Privathäuser, die
man aber auch ruhig brennen ließ, weil eine Gefahr
der Fortpflanzung von dieser Seite nicht zu befürchten
war. Man fürchtete jetzt für ein drittes Magazin mit
viel Zucker und Hanf, konnte es aber bis gegen Abend
halten; da indeß der Wind nicht nachließ, fing auch
dieses Feuer und setzte ein viertes Magazin, das Fleesch
huys, in direkte Gefahr; in letzterem lagen für Mittio
nen Wolle, die nun mit größter Hast weggenommen
wurde, in den Kellern überall Petroleum. Die Fenster
des Fleeschhuys wurden zugemauert und die umliegenden
Häuser noch während der Nacht abgerissen und dem
Boden gleich gemacht, um wenigstens die überirdische
Verbindung mit dem Feuer abzuschneiden. In dieser
Beziehung war man nun ganz ruhig, fürchtete aber sehr
für die Keller. In der Nacht gegen 3 Uhr kam denn
auch eine zweite Erplosion mit donnerähnlichem Gekrach,
wodurch einige kleine, zum Glück schon leere Häuser
einstürzten. Es war das ein" neuer Keller mit 2000
Fässern Petroleum. Jetzt kannte die Polizei keine Rück
sichten mehr; die Einwohner der Nächstliegenden Straßen
wurden, zum Theil mit Gewalt, aus ihren Häusern ge
jagt, ohne daß sie auch nur noch das Geringste hätten
retten dürfen. Die entfernteren Rachbarn wurden auf
gefordert, Alles, in Sicherheit zu bringen, da ihnen
vielleicht in kürzester Zeit Gleiches bevorstehe. Dieser
Samstagmorgen war das Schauderhafteste, was ich je
gesehen. Aus allen Häusern hingen Stricke heraus mit
mancherlei Möbeln daran, um sie zu retten. Auf der
Straße ein Gewühl und Geschrei von Tragenden und
Führenden, die Wagen gingen durch einander und
sperrten sich — kurz, ein ssuve <zui peut, wie es die
lebhafteste Phantasie nicht ausmalen kann. An einzelnen
Stellen war auch das Straßenpflaster aufgerissen, um
die Kanäle und Gasleitungen abzusperren, damit nicht
durch sie das Petroleum weiter gehe. In diesen beiden
Kellern blieb das Feuer aber zum großen Glück kon-
zentrirt, und obgleich nur fünf Meter Terrain zwischen
dem Keller des Fleeschhuys und dem zuletzt erplodirten
waren, war die Hitze doch nicht stark genug, um jenen
ebenfalls zur Erplosion zu bringen. Wäre es zu dieser
Erploston gekommen, so wäre die halbe Stadt verloren
gewesen, weil das Fleeschhuys, eine ehemalige Kirche,
in unterirdischer Verbindung mit dem Stele, dem ehe
maligen Jnquisitionsgebäude und der mitten in der
Stadt liegenden Wohnung Herzog Alba's steht. Das
Petroleum sickerte überall durch die Erde, so daß in be
nachbarten Kellern und Gemächern fortwährend Pum
pen beschäftigt bleiben mußten, um das eindringende
Petroleum auszupumpen. Die Brunnen der Nachbar
schaft sind natürlich auf einige Zeit verdorben. Jetzt
ist das Feuer gänzlich gelöscht, nachdem es über drei
Wochen gebrannt, und vierzehn Tage lang so stark,
daß wir stets gerötheten Himmel und einen ganz uner
träglichen Petroleumgestank in der Stadt hatten. Man
konnte fast keine Suppe essen, ohne den Petroleumruß
mitzuschmecken.
Bei dem ehemaligen König von Neapel Franz II. soll
die Finanznoth jetzt groß sein. Die Königin Marie
soll sogar ihren prächtigen Halsschmuck und andere Ju
welen verkaust haben, um nur nicht den äußersten
Mangel zu leiden.
Die Köln. Ztg. erzählt, die altbayerischen Bauern
hätten das Jagdhaus des Herzogs von Coburg bei
Miesbach dem Erdboden gleich gemacht, ohne jedoch da
bei etwas zu entwenden, sondern sie hätten Alles, Ziegel,
Balken, Sparren u. s. w. säuberlich aneinandergeschichtet.
Dem bayerischen Bolke ist es gewaltig in die Nase
gefahren, daß Graf Bismark den höchsten bayerischen
Orden erhalten hat, und man kann es ihm nicht ver
denken; denn es sagt wie jenes Mädchen in Görlitz: er
hat den Krieg doch angefangen! — Die Diplomaten
kalkuliren anders. Die bayerischen Truppen haben sich
überall schlagen lassen, die preußischen Truppen standen
tief im Lande, hielten werthvolle Provinzen besetzt und
die Militärpartei in Berlin erhob Ansprüche auf Abtre
tung dieser Provinzen. Bismark trat ihr entgegen und
vertrat die Mäßigung. Daß Bayern nur 40,000 Köpfe
und 30 Mill. Gulden an Preußen zu zahlen hat, das
hat Bismark bewirkt.
Vom Lttdwigsburger (Würtemberg) Schwurgerichte
wurde die 15jährige Christiane Mathilde Ablertine Heller
von Rohrdorf wegen Brandstiftung zu 6 Jahren Zucht
hausstrafe, zu erstehen in einer Strafanstalt für jugend
liche Verbrecher, verurtheilt. Das Mädchen mit wohl
gebildetem, intelligentem Gesicht und ausgestattet mit den
besten Zeugnissen über ihr sonstiges Betragen, hatte eine
wahre Wuth, Feuer zu stiften und ging ganz blind da^
bei zu Werk. Fünfmal hat sie bei ihren nächsten Nach
barn, bei ihrer Dienstherrschaft und sogar bei Verwand
ten Feuer gelegt, zweimal mit Erfolg. Unter Weinen
gesteht sie, daß sie nicht wußte, warum?
Die Offiziere der eroberten Staaten verlangen von
ihrem Eide gegen ihre bisherigen Kriegsherren entbun
den zu sein, ehe sie in die preußische Armee eintreten.
Mit dem Eide der Untergebenen darf es keine Regierung
leicht nehmen. Will Preußen die Eideöentbindungen
von den vertriebenen Fürsten erlangen, so muß es ihnen
Vortheile gewähren, die mitunter mit den Landes- und
den preußischen Interessen im Widerspruche stehen.
Der Civilcommiffar v. Madai in Frankfurt erließ
auch dem Frankfurter Senat die zugemuthete Huldigung,
als er erfuhr, daß viele Senatoren lieber ihr Amt nie
derlegen, als huldigen würden.
Der schwedische Reisende Hedenborg will auf der In
sel Rhodus eine interessante Beobachtung gemacht haben.
Er habe öfter, wenn im Herbste die Züge der Störche
über das Meer nach RhoduS kamen, Gesang von Sing
vögeln gehört, ohne die Sänger entdecken zu können. Einst
sei er aber den Zügen von Störchen nachgegangen, habe
bann gesehen, daß sie sich niederließen, daß von den Rü
cken der Störche kleine Vögel aufflogen, welche auf diese
Weise die Reise über das Meer machten. Die Gattung
der Singvögel habe er wegen der Größe der Entfer
nung nicht unterscheiden können.
Vom Berliner botanischen Garten wurde eine über
seeische Wasserpflanze, ^naeksris ^lsinNstrum, auch
Iroxxe roria pestikera (Wasserpest) genannt, als Kuriosi*