Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1865)

RüziderS. Die beim letzten Brande Verunglückten, 
welche ihre Gebäude und Mobilien versichert hatten, 
sind theilweis von den Assekuranzgesellschaften sehr übel 
behandelt worden. Die- „^ssieui-gAoni ^enerali" und 
die „kiumove aäriatiea 6i sioui-ta" haben sich allerdings 
als solid bewiesen, indem sie ihre Schäden prompt be 
zahlten. Anders hielten es „lluova soeieta eom." und 
und Von Seiten dieser Gesell 
schaften wurden alle möglichten Ausflüchte ergriffen um 
die armen Verunglückten zu prellen. Gewöhnlich sind 
in den Versicherungspapieren allerlei Winkelzüge und ge 
fährliche Klauseln, der geringste Formfehler, irgend eine 
unbedeutende Nebensache wird dann dazu benützt, um 
die Zahlungsverbindlichkeit der Gesellschaft zu läugnen. 
Einem Versicherten wurden für einen Stall 188 fl. in 
Abzug gebracht, weil in dem Versicherungsbriefe gesagt 
war, der Stall sei ganz aus Holz, während sich nach 
dem Abbrennen ein Stück Mauer vorfand u. si f. Bei 
der ,,^2ienäa" hatte ein I. B. von Nüziders unter dem 
27. April d. Js. eine Versicherung von fl. 800 bean 
tragt, am 4. Mai wurde die Polizze ausgestellt gültig 
auf 10 Jahre, die erste Jahresprämie pr. fl. 1 ö. W. 
und 70 kr. Stempel und Porto war darin quittirt. Am 
7. Mai, also 2 Tage nach dem Brande wurde dem Be 
treffenden die Polizze vom Unteragenten zugestellt und 
der schon quittirte Betrag in Empfang genommen. Bei 
. andern soliden Gesellschaften ist es Uebung, daß der 
Versicherungsvertrag mit dem Tage des Abschlusses in 
Kraft tritt, gleich viel ob die Prämie gezahlt ist oder 
nicht. Die aber zahlt Nichts. — Aus die 
sen saubern Zuständen geht die Lehre hervor, daß die 
Staatsbehörden eine genaue Prüfung der Gesellschafts 
statuten vornehmen und solchen Gesellschaften, welche es 
nur auf eine Bedrückung des Publikums abgesehen ha 
ben, keine Konzession ertheilen sollten. 
— Im militärischen Bundesausschuß ist die furcht 
bare Entdeckung gemacht worden, "daß das deutsche 
Bundesheer (712,346 Mann) 32 Offiziere, meist 
Lieutenants, zu wenig zählt. Die Bundesmilitärkom- 
mission bemängelt auch, daß nicht in allen Staaten die 
Mannschaften eine entsprechende Zeit zu Waffenübungen 
verwendet werden Unter den Staaten, welche diese 
Rüge erhalten, finden wir neben andern auch Liechten 
stein. 
— DaS II. deutsche Schützenfest, welches in ver 
gangener Woche in Bremen abgehalten wurde, war sehr 
stark besucht und der Festjubel erreichte eine nie geahnte 
Höhe. Der Zudrang von Fremden war ungeheuer, an 
manchen Tagen mehr als 20,000. Auch Amerikaner 
waren an 100 Mann eingetroffen und hatten, begleitet 
von einem Glückwunsch des Präsidenten Johnson, die 
Grüße und Festgaben der Deutschen übers Meer ge 
bracht. ^ Die Rede eines Amerikaners hob besonders her 
vor, daß Deutschland seit dem letzten Kriege ganz un 
glaublich in den Augen des amerikanischen Volkes ge 
wonnen habe, nicht nur durch die Tausende von deutschen 
Kriegern, welche auf den Schlachtfeldern für die Wieder 
herstellung der Union bluteten, sondern auch durch den 
felsenfesten Glauben, den das deutsche Volk auf die 
Dauer der Union setzte und ihn thatsächlich bewies durch 
die, vielleicht, Milliarden, welche es hergab zum Ankauf 
amerikanischer Papiere zu einer Zeit, wo Engländer und 
Franzosen den Amerikanern ihre Cassen verschloßen. 
Denselben Gedanken drückt auch ein Schreiben des Gou- 
vernors von New-Aork aus, welcher als Bestgabe zum 
deutschen Schützenfest ^eine Muskete sandte, welche auf 
einem der blutigsten Schlachtfelder M letzten Krieges 
gefunden wurde. — Ein Amerikaner, der mit seinem 
8jährigen Söhnlein zum Fest gekommen war, bekam 
beim Festzuge den Sonnenbrand und starb. — Auch die 
Schweizer schickten von ihrem Festorte Schaffhausen eine 
Gesandtschaft nach Bremen. Das nächste Schützenfest 
soll in Wien abgehalten werden. 
— Die Mitschuldigen an dem Motde Lincolns und 
Sewards sind bereits durch den Strang - der Irdischen 
Gerechtigkeit verfallen. Gegen den Sonderbundspräsi 
denten lassen sich keine Anhaltspunkte zu. einer Anklage 
wegen Theilnahme am Morde Lincolns auffinden. Der 
selbe sitzt noch im Gefängnisse. — Die Auswanderung 
nach Meriko hat-wieder nachgelassen, weil den Anwer 
bern das Geld fehlt und weil die amerikanische Regie 
rung vorläufig keine Feindschaft gegen dgs neue Kaiser 
reich beabsichtigt. Ob das aber später nicht anders 
werden kann, ist eine Frage. — Die Neger sind zwar 
keine Sklaven mehr, aber sie sind auch sonst Nichts und 
es kostet den Amerikanern viel Kopfzerbrechen, was sie 
aus ihnen machen sollen. Soll man ihnen'das Stimm 
recht geben oder nicht? — Indeß sind die Neger lange 
nicht so unschuldig, als man glauben sollte. Viele, an 
statt zu arbeiten, legen sich auf den Bettel und machen 
Strauchdiebe, andere arbeiten nur soviel, als es braucht, 
um das Leben fortzubringen. Ihre ehemaligen Herren 
müssen ihnen jetzt einen Lohn geben, dabei werden sie 
aber oft schlimmer behandelt als zuvor. <— Es wird 
noch manche schwere Stunde geben, bis die Neger zum 
Gebrauche ihrer Freiheit erzogen sind. — Jetzt erst zei 
gen sich die Folgen des Krieges recht fühlbar in den 
südlichen Staaten, indem einzelne von der Hungersnoth 
zu leiden haben. 
— Ein gräßliches Unglück hat ein Auswandererschiff 
„Nelson" betroffen, welches mit 460 Personen von Havre 
nach New-Aork segelte. Am 26. Juni Mittags brach 
beim Ausräuchern des Schiffes Feuer aus und griff 
entsetzlich rasch um sich; vier Boote wurden ins Meer 
gelassen und füllten sich schnell mit Passagieren; der 
Capitän^, einer der Letzten, der in See sprang, wurde 
aus dem Wasser gefischt. Das französische Schiff La- 
fayette rettete 44 Schiffbrüchige (2 Boote), das .russische 
Schiff Jlmori 14 Personen vom Wrack des Schiffes 
und später 37 Passagiere in einem Boot; dcts 4te Boot 
war nicht aufzufinden. Lafayette ist in Havre eingelau 
fen. Die Verwirrung auf dem brennenden Schiffe war 
schrecklich, die Meisten sprangen ins Wasser. Ein Mann, 
der zuerst seine Kinder in ein Boot gerettet hatte, schwamm 
nach dem brennenden Schiffe zurück, stürzt sseine Frau 
ins Wasser und schleppt sie schwimmend-zum Rettungs 
boot. Eine Frau hatte sich an einen Matrosen ange 
klammert, glaubend, es sei ihr Mann; der Matrose er-
	        

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