Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1865)

alteten Zustände, welche die Junker so wohl zu erhalten 
wissen. Schon im Jahr 1861 legte ein Gutsbesitzer 
dem Landtage eine Berechnung vor, daß wegen mangeln 
der Arbeitskräste jährlich 1000 Last Korn während der 
Ernte umkämen. 
— Der Bürgermeister von Ottobeuren hat fol 
gendes Edikt ausgehen lassen, wie im Kemptner Tage 
blatt zu lesen. 1) Jedermann hat sich, wenn er bei einge 
tretener Dunkelheit ausgehen will oder muß, mit einer 
brennenden Laterne zu versehen, damit er an keine 
Deichsel renne, in keinen Abgrund falle, oder bei Hoch 
wasser gar ertrinke. 2) Jedes fremde Gefährte hat vor 
dem Orte zwei Laternen anzuzünden, damit es glücklich 
den Weg herein und wieder hinauöfinde. — Dafür ist 
ihm der Pstasterzoll erlassen. 3) Jeder Militär oder 
jeder Blinde hat statt der Laterne sich mit einem Stocke 
zu versehen daß er damit den Weg suchen kann. 
— Man hört im Kanton Wallis werde ein schmäh 
licher Handel mit Kindern getrieben. Auf dem Bahn 
hofe zu Lausanne sah man kürzlich einen Auswanderer, 
der nach dem Senegal ging und 9 Mädchen von 8 bis 
13 Jahren bei sich führte. Es waren theils uneheliche, 
theils Waisenkinder, die er in einigen dortigen Gemein 
den gekauft hatte. 
— Ein Herr M. Nauer in Schwyz gründete auf 
Aktien eine Schraubenschuhfabrik. Dieses neue 
Fabrikat wird vermittelst Maschinen gemacht, wobei die 
Sohlen aufgeschraubt werden. Eine Maschine liefert 
täglich 26 Paar Schuhe. Diese können auch wieder re- 
parirt werden und sollen sehr dauerhaft sein. Beim 
französischen Militär seien sie bereits eingeführt. 
— In wenigen Wochen hat Kaiser Napoleon sei 
nen alten vertrauten Leibarzt, seinen Privatsekretär und 
zuletzt seine Amme, Frau Büre durch den Tod verlo 
ren. Sie wurde 85 Jahre alt und hatte ein gänzlich 
sorgenfreies Alter. Napoleon, der geleistete Dienste nie 
vergißt, hat auch für seine Milchmutter gesorgt. 
— Aus München berichtet Einer: Vor einigen Ta 
gen würde ein Pensionist und täglicher Gast des könig 
lichen Hofbräuhauses plötzlich vom Schlage gerührt 
und mußte in seine Wohnung getragen werden. Es 
ist Thatsache, daß die Stammgäste dieses Trinkinstituts 
früher oder später alle dasselbe Schicksal haben — aber 
lieber früher Tod als — kein Hofbräuhausbier. 
— Eine wahre Kalamität bildet der Wasserman 
gel auf der schwäbischen Alb, wie er seit Jahrzehnten 
nicht erlebt wurde. Es ist buchstäblich wahr, daß seit 
einigen Tagen auf der ganzen Alb die noch vorhande 
nen schwachen Wasservorräthe vollständig aufgezehrt sind, 
und der ganze Bedarf aus den Thälern von einer Ent 
fernung bis zu 4 Stunden beigeführt werden muß. Wer 
eigenes Fuhrwerk hat, muß dasselbe fast ausschließlich 
zum Wasserführen verwenden; die andern helfen sich 
durch Schmelzen von Duft und bezahlen die Gelte 
Wasser in einzelnen Orten mit 6—8 kr.; diese Ausgabe 
ist um so empfindlicher, als in jetziger Jahreszeit noch 
lange keine Aenderung in der Witterung zu hoffen ist. 
— Aus Spanien berichtet man von einem außer 
ordentlichen Schneefall. Die Eisenbahn konnte mehrere 
Tage nicht befahren werden, weil sie S—7 Fuß hoch 
mit Schnee bedeckt war, an andern Orten lag der Schnee 
14 Fuß tief. 
— Wer Briefe nach Amerika schreibt, der setze 
eine deutliche Adresse darauf. Auf den Hauptpostämtern 
in Amerika liegen, vom einzigen Jahr 1863 her, 3,508,325 
Briefe, deren Adressaten nicht ausfindig zu machen, aus 
Mangel hinreichender und deutlicher Adresse. Viele ent* 
hielten Geld, Wechsel, Anweisungen, Juwelen oder sonst 
Werthgegenstände. 
— Wie ein Mährchen klingt die Kunde von dem 
Riesenbaum Lumaumeirs, welchen der deutsche Rei 
sende und Naturforscher G. Wallis am Amazonenstrom 
und dessen Nebenflüssen gefunden und beschrieben hat. 
Dieser fabelhaft große Baum hat eine Blätterkrone, de 
ren Durchmesser 173^ Fuß, deren Umfang also 520 
Fuß beträgt, woraus erhellt, daß sie einen Flächenraum 
von 33,800 Quadratfuß bedeckt. Unter diesem Blätter 
dache können 1000 Mann Schatten finden und eine 
ganze Familie kann darunter ein Landgut bebauen. Am 
häufigsten findet sich dieser Riese in der Provinz Alto 
Amazonas und wächst gewöhnlich an den Flußufern. 
Der Sulnaumeira ist der stattlichere Vetter des afrikanischen 
Affenbrodbaumes, sowie der gewaltigen Araucarien Süd 
brasiliens. 
Aus dem amerikanischen Landleben. Ein 
ausgewanderter Liechtensteiner (von Mauren) macht sei 
nen Bekannten in der alten Heimat einige Mittheilungen 
über das Thun und Treiben in Amerika. Der Brief 
ist recht anschaulich geschrieben und wir benützen ihn, 
um unsern Lesern Einiges daraus zur Unterhaltung vor 
zuführen. Der Briefschreiber ist im tiefsten Westen an 
gesiedelt, in einer Gegend, wo vor 18 Jahren noch 
Urwald angetroffen wurde, dessen Boden bis dahin kein 
weißer Mann betreten hatte. Das Ackerland des Brief 
schreibers ist erst seit sechs Jahren bepflanzt und er be 
wohnt ein Blockhaus: ähnlich unsern Alphütten, aus 
kreuzweis übereinander gelegten, unbehauenen Baum 
stämmen erbaut, die Zwischenräume mit Moos oder Ra 
senstücken ausgestopft. Die Ställe sind leichte Strohhütten. 
Aeltere Ansiedler haben indeß schon wirkliche Häuser und 
Ställe. „Mein Blockhaus ist trotz seiner luftigen Bau 
art warm und wohnlich; die Stube ist zugleich Küche 
und Schlafzimmer. Das Land ist ganz uneben, so ge- 
bühelt wie am Schellenberg, aber nicht gar so hoch. 
Man kann nicht 600 Schritte fahren, wo es eben ist. 
Die Lage ist luftig und gesund, eS gibt keine Sümpfe 
und Wässer. — Der Boden ist sehr fruchtbar und gibt 
ohne Dung die reichsten Ernten. Der Türken macht bis 
12 Fuß hohe Stengel, die Kolben sind so groß, wie die 
größten bei Euch (in Liechtenstein), die Kartoffeln sind 
sehr gut und der Weizen gibt ein sehr schönes Mehl. 
— Arbeitslöhne sind sehr hoch. Wenn Einer 80 Acker 
Land hat — der Acker ungefähr 1100 Klftr. — so 
kann er noch keinen Knecht halten, oder er würde gar 
nichts vorschlagen; denn ein Knecht kostet bis 200 Dol« 
lar (400 fl.), dabei sind die übrigeil Auslagen auch noch 
ziemlich groß. Doch wer das Geld in die Hand be-
	        

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