Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1865)

ergreifende Rede, in welcher er hauptsächlich die Jüng 
linge und jungen Männer aufforderte, die Verstorbenen 
zum Muster zu nehmen, um auch einst tüchtige Männer 
zu werden, die man immer seltener findet. Er nannte 
auch einige Äugenden, z. B. Religion, Gerechtigkeit, 
Liebe :c., welche den Mann tüchtig machen und die auch 
die soeben Beerdigten zierten. Balzers verlöt an Herrn 
Saufmann einen tüchtigen, allgemein geachteten Vorsteher 
und seine Familie einen guten, weisen, sorgsamen uüd 
liebevollen Vater. 
Richt Freundschaft, sondern Wahrheitsliebe ringt mir 
dieses Urtheil ab. Daß die Gemeinde einsteht, was sie 
an Herrn Kaufmann verloren hat, kann aus dem gro 
ßen Leichenbegängnisse und den Thränen, welche an sei 
nem Grabe flößen, entnommen werden. 
Kein alter Mann erinnert sich, daß in Balzers an 
einem Tage zwei Männer beerdigt worden sind. 
Ruhe und Friede ihrer Asche und uns einen würdigen 
Nachfolger! 
Vorarlberg. Feldkirch, 9. Juni. Die>Auswan- 
derungslust nach Nordamerika greift in Vorarlberg, ins 
besondere in den Bodenseeortschaften stark um sich. Aus 
Hard sind schon gegen 100 Personen nach Amerika aus 
gewandert; in Höchst sollen etwa 40 die gleiche Absicht 
haben. Ja selbst in die entlegenen Thäler Montafons 
hat sich die moderne Völkerwanderung verzweigt. F. Ztg. 
— Feldkirch wurde jüngst von einer Zigeunerbande, an 
40 Kopse stark, heimgesucht. Die braunen Gäste wan 
derten in einem Anzüge daher, welcher lebhast an vor- 
sündfluthliche Zeiten erinnerte. 
— Geheime Ausgaben taugen gewöhnlich nicht 
viel. Dieser Ansicht waren die preußischen Abgeordneten, 
als die Minister 35,000 Thlr. zu geheimen Ausgaben, 
von denen Niemand nichts weiß, als der Minister des 
Innern, verlangte; sie schlugen, jeden Thaler ab. Die 
Minister behaupteten, ohne geheime Ausgaben könne 
keine starke Regierung auskommen, die Abgeordneten er 
klärten, die Minister möchten es lernen. Die Ablehnung 
ist kein Wunder; denn eine Volksvertretung, die zu den 
öffentlichen Ausgaben einer Regierung kein Vertrauen 
hat, wird ihnen schwerlich zu geheimen Geld anvertrauen. 
In.Oestreich verlangte die Regierung für geheime Aus 
gaben fast das Idfache. 
— St. Gallen. In Rorschach kam mit der Ei 
senbahn ein todtkranker Reisender an, der bald darauf 
starb. Weder von ihm noch aus seinen Papieren konnte 
nnm entnehmen, wer oder woher er sei. — Am gleichen 
Ort fand eine unzurechnungsfähige Weibsperson ihren 
Tod unter den Rädern eines Bahnzugs, indem sie eben, 
als derselbe heranbrauste, unter den Barrieren des 
Straßenübergangs durchkroch und auf die Schienen lief. 
Pater Theodosius hatte sich bei der Lebensversi 
cherungsanstalt „Suisse" um 50,000 Fr. versichert. Er 
zahlte die Jahresprämie nur ein Mal, weil er im glei 
chen Jahre starb. Nun zahlt die Gesellschaft die 50,000 
Fr. aus. 
— Rom. Der Erkönig Franz beschwere sich, daß 
der Papst im Königreiche Neapel Bischöfe ernennen 
Druck von Z. Graff's 
wolle, ohne seine, des Königs, Mitwirkung; damit sei 
ja der Raub seines Landes anerkannt. Gleiche Beschwerde 
erhob der Erzherzog von Toskana. 
— Ein unverheirateter Sonderling in Rom vermachte 
sein großes Vermögen testamentlich demjenigen Priester, 
der am Morgen nach dem Todestag in einer gewissen 
Kirche die erste Messe lesen werde. Vergebens protestir, 
ten die besorgten Erben beim Papste selber, HaS Testa 
ment war unanfechtbar. Wer aber stellte sich am To 
destage in aller Frühe in der Kirche ein und las die 
Messe? — Papst Pius IX. in eigener Person. Ei 
wurde der gesetzliche Erbe, aber nur eine Stunde; denn 
in der nächsten antwortete er den Verwandten die ganze 
Erbschaft aus. 
— Graf Gondrecourt, der Kommandeur der ei 
sernen Brigade, war seither der Erzieher des östreichischen 
Kronprinzen Rudolph, ists aber nicht mehr; er wollte 
den 'Prinzen möglichst abhärten, nahm aber zu wenig 
Rücksicht auf dessen schwache Konstitution. Der frühe 
Tod des russischen Kronprinzen, welcher auch einer über 
triebenen Abhärtung zugeschrieben wird, hat das östrei 
chische Kaiserpaar stutzig gemacht. 
— Der junge König von Bayern- machte kurz 
vor Pfingsten von Berg einen Ausflug zu Pferde nach 
Tegernsee. Auf dem Rückwege wurde er von einem 
Gewitter überrascht und das Pferd des Reitknechts setzte 
denselben, vom Donner erschreckt, ab und ging durch. 
Der König ritt zur Stelle zurück, wo sein Reitknecht 
lag und reichte ihm die Hand. In demselben Augen 
blick fuhr ein Blitz mit gewaltigem Donner hernieder, 
das Pferd des Königs wurde auch scheu, setzte ihn ab 
und ging ebenfalls durch. Der König und sein Knecht 
gingen nun zu Fuß und waren froh, ein Bäuerlein zu 
treffen, dem sie den Regenschirm abkaufen konnten, um 
sich gegen den Regen etwas zu schützen. Sie trafen 
spät in der Nacht in Berg wieder ein. 
— Die schöne Prinzessin Dagmar von Dänemark, 
die ihren Bräutigam tief betrauert, hat den höchsten rus 
sischen Orden, den Daznen tragen dürfen, .und eine le 
benslängliche Rente von 40,000 Silberrubel jährlich 
von dem russischen Kaiser erhalten. 
-— Die englische Kronprinzeß ist von einem 
„Knaben" entbunden worden. Wie unhöflich der Te 
legraph ist. 
— Ein ehrliches Kammermädchen, Therese Fravillot, 
hat eine gefundene Brieftasche mit Fr. 100,000 sofort 
dem Eigenthümer zugestellt, der ihm, von dieser Redlich 
keit gerührt, das Anerbieten machte, diese Summe mit 
ihm zu theilen und seine Frau zu werden. Letzte Woche 
fand die Hochzeit statt. 
Curs. 
Für 100 fl. Silber wurden in Wien bezahlt: 
Samstag,.den 10. Juni . . . fl. 107.75 Banknoten. 
Mittwoch, den 14. Juni . . . . fl. 107. » 
Herausgeber: Gregor Fischer. 
Verantwortlicher Redaktor: vr. Schädler. 
Wittwe in Feldkirch.
	        

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