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Präsident Schädler:Meine Herren! Ihre für mich
so ehrenvolle Wahl nehme ich sehr dankbar im; ich
danke ebenso Sr. Durchlaucht für das Vertrauen, wel
ches höchst der selbe in meine Person gesetzt haben.
Ich werde suchen auch in dieser Sandtagsperiode, soweit
meine Kräfte zureichen, gewissenhast den hohen Funk
tionen vorzustellen, zu denen Sie mich berufen haben.
M. H.! Sie haben so eben vernommen, welche Vor
lagen von der f. Regiemng in gegenwärtiger Session
an den Landtag gebracht werden sollen. Ich zweifle
nicht, daß wir diese Vorlagen nach denselben Grund
sätzen erledigen werden, welche yns bisher geleitet haben
und welche in unserer Verfassung ruhen: Freiheit der
Person, des Eigenthums, der Gedankenmittheilung, glei
ches Recht aller Staatsbürger. Dieses letztere Recht zu
wahren, wird namentlich unsere Aufgabe bei der Be
handlung eines Steuergesetzes sein. M. H.! Für die
hohe Anerkennung seiner Durchlaucht in Bezug auf un
sere Verhandlungen der vorigen Sitzungsperiode spreche
ich im Namen der ganzen Versammlung unseren Dank aus
und ich hoffe, daß die geehrten Mitglieder des Landtags
meinen Worten beistimmen werden. (Alle Abgeordneten
erheben sich zur Beistimmung). Zum Schluß fühle ich
mich gedrungen auf S. Durchlaucht unseren Landesfür
sten ein ZfacheS „Hoch" auszurufen. (Die Versamm
lung stimmt ein).
ES erfolgt nun die Wahl des Vizepräsidenten, als wel
cher Hr. Pfarrer Erni von Rugell mit 9 Stimmen er
wählt wird. — Zu Sekretären sind erwählt je mit 12
Stimmen: Fischer und Gmelch.
Präs. Schädler beantragt nun die Wahl der er
forderlichen Ausschüsse für Gesetzgebung, Petition, Fi
nanzhaushalt.
Rg. Kommiss. bemerkt: Die diesjährigen Gesetzvorla
gen seien sehr verschiedener Natur, sie berühren ganz
entgegengesetzte Gebiete des allgemeinen Wohles. Es
möchte deshalb zweckmäßig erscheinen, die Ausschüsse je
nach Beschaffenheit der Vorlage und von Fall zu Fall
zu. erwählen. ES wäre alsdann die Möglichkeit gebo
ten, immer die geeignetsten Personen in den jeweiligen
Ausschuß zu bestimmen.
Präs. Schädler: Dieser Vorschlag des Hrn. Land
tagskommissärs bewirkt ein abweichendes Verfahren von
unserer bisherigen Praxis. Wir erwählten bisher eine
Kommission für Gefetzgebungsarbeiten und diese bearbei
tete alsdann alle einschlägigen Vorlagen. Es ist nun
die Frage, ob mit einer Abweichung von diesem Ver
fahren die Aufgabe des Landtags nicht erschwert oder
die Behandlung der Gegenstände nicht verzögert würde.
Ich eröffne darüber die Debatte.
Kirchthaler findet den Vorschlag des Hrn. Regie-
rungSkommissärS für praktisch, weil dadurch die gründliche
Berichterstattung oder Vorberathung der Entwürfe ge
sichert werden könne.
Kind stimmt aus dem Grunde bei, weil sich so die
Arbeiten beschleunigen lassen; eS könnten mehrere Kom
misstonen gleichzeitig arbeiten.
Präs.: Das letztere liege nicht in der Absicht des
Hrn. RegierungSkommissärS und es würde die gleichzeitige
Behandlung verschiedener Entwürfe auch wegen der ge
ringen Mitgliederzahl nicht ausführbar sein. ES könnte
also trotzdem eine Verschleppung der Arbeiten herbeige
führt werden. ES könnte auch der Fall eintreten, daß
ein oder der andere Gegenstand nicht die gqnze Zeit ei
ner Sitzung ausfüllt, so daß man die Zahl der Sitzun
gen unnütz vermehren müßte.
Gmelch ist dafür wichtige Gesetze speziellen Ausschüs
sen, minder ausgedehnte Gesetze aber nur einer Kommis
sion zuzuweisen.
Präs. stellt die Anfrage, ob die ^Versammlung dm
Antrag genehmige, daß für die Gesetzgebung verschiedene
Kommissionen von Fall zu Fall erwählt werden! —
Einstimmig wird der Antrag genehmigt.
Hierauf bemerkt Hr. Regierungskommissär daß er vor
Allem den Entwurf eines „SchuldentriebgesetzeS,"
fernereiner „Gewerbeordnung" und das „allge
meine deutsche Handelsgesetzbuch" in Vdrlage
bringe, worauf die Versammlung bei der folgenden Wahl
von Ausschüssen geeignet Rücksicht tragen wolle.
Nach Verlesung der Regierungsschreiben bezüglich die
ser Entwürfe wird die Wahl zweier Kommissionen vor
genommen: s. einer für das Schuldentriebsgesetz, b. ei
ner für Gewerbeordnung und Handelsgesetzbuch.
Die Wahl für beide fiel auf dieselben Mitglieder,
a. Keßler mit 12, Schädler mit 11, Kind mit 9,
Marrer mit 9, Kirchthaler durch das Loos mit 7
Stimmen, (Wanger hatte ebenfalls 7 St.).
d. Schädler 11, Keßler 11, Kind 11, Kirchthaler 10,
Marrer 8 Stimmen.
Hierauf wird die Sitzung geschlossen.
Rundschau.
Vaduz, 19. Mai. Die letzten Wochen wurden fast
gänzlich von dem Interesse für die nordamerikani
schen Ereignisse in Anspruch genommen. Der Krieg
ist am Ende, indem sich die südstaatlichen Heerhaufen
theils ergaben, theils aufgelöst haben. Hie Wunden
des 4jährigen Bürgerkriegs werden zwar noch eine Weile
bluten und die Aussöhnung zwischen dem Volke in Süd
und Nord wird nicht minder Zeit bedürfen. Doch sind
die amerikanischen Verhältnisse ganz anders als bei uns
im alten, engbrüstigen Europa. Der Praktische Sinn
und die ungehemmte freie Bewegung der Individuen
werden dort das Einigungswerk und den Wiederaufbau
der Staatsmaschine in so viel Monaten zuweg bringen,
als eS bei uns Jahre brauchen würde. Dort läßt man
eS der Masse des Volks nicht entgelten durch jahrelange
Fortdauer des Belagerungszustandes und ausgesuchte
Polizeimaßregelungen. Wohl wird man Führer und An
stifter der Rebellion mit Strenge behandeln. " Im Uebri-
gen aber werden sich die Bürger des Nordens und des
Südens bald wieder zusammenfinden. Der Süden wird,
wie der Besiegte nach einem ehrenvollen Zweikampfe,
die Autorität deö Siegers anerkennen. Es wird sich
zeigen, daß in den Sklavenstaaten eine große Zahl Uni
onsfreunde lebt und daß der 4jährige Bestand deö Son-
derbundeS nur durch eine unerhörte Gewaltherrschast ei-