Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1865)

- SÄ- 
Präsident Schädler:Meine Herren! Ihre für mich 
so ehrenvolle Wahl nehme ich sehr dankbar im; ich 
danke ebenso Sr. Durchlaucht für das Vertrauen, wel 
ches höchst der selbe in meine Person gesetzt haben. 
Ich werde suchen auch in dieser Sandtagsperiode, soweit 
meine Kräfte zureichen, gewissenhast den hohen Funk 
tionen vorzustellen, zu denen Sie mich berufen haben. 
M. H.! Sie haben so eben vernommen, welche Vor 
lagen von der f. Regiemng in gegenwärtiger Session 
an den Landtag gebracht werden sollen. Ich zweifle 
nicht, daß wir diese Vorlagen nach denselben Grund 
sätzen erledigen werden, welche yns bisher geleitet haben 
und welche in unserer Verfassung ruhen: Freiheit der 
Person, des Eigenthums, der Gedankenmittheilung, glei 
ches Recht aller Staatsbürger. Dieses letztere Recht zu 
wahren, wird namentlich unsere Aufgabe bei der Be 
handlung eines Steuergesetzes sein. M. H.! Für die 
hohe Anerkennung seiner Durchlaucht in Bezug auf un 
sere Verhandlungen der vorigen Sitzungsperiode spreche 
ich im Namen der ganzen Versammlung unseren Dank aus 
und ich hoffe, daß die geehrten Mitglieder des Landtags 
meinen Worten beistimmen werden. (Alle Abgeordneten 
erheben sich zur Beistimmung). Zum Schluß fühle ich 
mich gedrungen auf S. Durchlaucht unseren Landesfür 
sten ein ZfacheS „Hoch" auszurufen. (Die Versamm 
lung stimmt ein). 
ES erfolgt nun die Wahl des Vizepräsidenten, als wel 
cher Hr. Pfarrer Erni von Rugell mit 9 Stimmen er 
wählt wird. — Zu Sekretären sind erwählt je mit 12 
Stimmen: Fischer und Gmelch. 
Präs. Schädler beantragt nun die Wahl der er 
forderlichen Ausschüsse für Gesetzgebung, Petition, Fi 
nanzhaushalt. 
Rg. Kommiss. bemerkt: Die diesjährigen Gesetzvorla 
gen seien sehr verschiedener Natur, sie berühren ganz 
entgegengesetzte Gebiete des allgemeinen Wohles. Es 
möchte deshalb zweckmäßig erscheinen, die Ausschüsse je 
nach Beschaffenheit der Vorlage und von Fall zu Fall 
zu. erwählen. ES wäre alsdann die Möglichkeit gebo 
ten, immer die geeignetsten Personen in den jeweiligen 
Ausschuß zu bestimmen. 
Präs. Schädler: Dieser Vorschlag des Hrn. Land 
tagskommissärs bewirkt ein abweichendes Verfahren von 
unserer bisherigen Praxis. Wir erwählten bisher eine 
Kommission für Gefetzgebungsarbeiten und diese bearbei 
tete alsdann alle einschlägigen Vorlagen. Es ist nun 
die Frage, ob mit einer Abweichung von diesem Ver 
fahren die Aufgabe des Landtags nicht erschwert oder 
die Behandlung der Gegenstände nicht verzögert würde. 
Ich eröffne darüber die Debatte. 
Kirchthaler findet den Vorschlag des Hrn. Regie- 
rungSkommissärS für praktisch, weil dadurch die gründliche 
Berichterstattung oder Vorberathung der Entwürfe ge 
sichert werden könne. 
Kind stimmt aus dem Grunde bei, weil sich so die 
Arbeiten beschleunigen lassen; eS könnten mehrere Kom 
misstonen gleichzeitig arbeiten. 
Präs.: Das letztere liege nicht in der Absicht des 
Hrn. RegierungSkommissärS und es würde die gleichzeitige 
Behandlung verschiedener Entwürfe auch wegen der ge 
ringen Mitgliederzahl nicht ausführbar sein. ES könnte 
also trotzdem eine Verschleppung der Arbeiten herbeige 
führt werden. ES könnte auch der Fall eintreten, daß 
ein oder der andere Gegenstand nicht die gqnze Zeit ei 
ner Sitzung ausfüllt, so daß man die Zahl der Sitzun 
gen unnütz vermehren müßte. 
Gmelch ist dafür wichtige Gesetze speziellen Ausschüs 
sen, minder ausgedehnte Gesetze aber nur einer Kommis 
sion zuzuweisen. 
Präs. stellt die Anfrage, ob die ^Versammlung dm 
Antrag genehmige, daß für die Gesetzgebung verschiedene 
Kommissionen von Fall zu Fall erwählt werden! — 
Einstimmig wird der Antrag genehmigt. 
Hierauf bemerkt Hr. Regierungskommissär daß er vor 
Allem den Entwurf eines „SchuldentriebgesetzeS," 
fernereiner „Gewerbeordnung" und das „allge 
meine deutsche Handelsgesetzbuch" in Vdrlage 
bringe, worauf die Versammlung bei der folgenden Wahl 
von Ausschüssen geeignet Rücksicht tragen wolle. 
Nach Verlesung der Regierungsschreiben bezüglich die 
ser Entwürfe wird die Wahl zweier Kommissionen vor 
genommen: s. einer für das Schuldentriebsgesetz, b. ei 
ner für Gewerbeordnung und Handelsgesetzbuch. 
Die Wahl für beide fiel auf dieselben Mitglieder, 
a. Keßler mit 12, Schädler mit 11, Kind mit 9, 
Marrer mit 9, Kirchthaler durch das Loos mit 7 
Stimmen, (Wanger hatte ebenfalls 7 St.). 
d. Schädler 11, Keßler 11, Kind 11, Kirchthaler 10, 
Marrer 8 Stimmen. 
Hierauf wird die Sitzung geschlossen. 
Rundschau. 
Vaduz, 19. Mai. Die letzten Wochen wurden fast 
gänzlich von dem Interesse für die nordamerikani 
schen Ereignisse in Anspruch genommen. Der Krieg 
ist am Ende, indem sich die südstaatlichen Heerhaufen 
theils ergaben, theils aufgelöst haben. Hie Wunden 
des 4jährigen Bürgerkriegs werden zwar noch eine Weile 
bluten und die Aussöhnung zwischen dem Volke in Süd 
und Nord wird nicht minder Zeit bedürfen. Doch sind 
die amerikanischen Verhältnisse ganz anders als bei uns 
im alten, engbrüstigen Europa. Der Praktische Sinn 
und die ungehemmte freie Bewegung der Individuen 
werden dort das Einigungswerk und den Wiederaufbau 
der Staatsmaschine in so viel Monaten zuweg bringen, 
als eS bei uns Jahre brauchen würde. Dort läßt man 
eS der Masse des Volks nicht entgelten durch jahrelange 
Fortdauer des Belagerungszustandes und ausgesuchte 
Polizeimaßregelungen. Wohl wird man Führer und An 
stifter der Rebellion mit Strenge behandeln. " Im Uebri- 
gen aber werden sich die Bürger des Nordens und des 
Südens bald wieder zusammenfinden. Der Süden wird, 
wie der Besiegte nach einem ehrenvollen Zweikampfe, 
die Autorität deö Siegers anerkennen. Es wird sich 
zeigen, daß in den Sklavenstaaten eine große Zahl Uni 
onsfreunde lebt und daß der 4jährige Bestand deö Son- 
derbundeS nur durch eine unerhörte Gewaltherrschast ei-
	        

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