Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1865)

Liechtensteiner Landeszeitung. 
Dritter »k»I»rSAvS. 
Vaduz, Samstag Rro. RR. 8. April 186S. 
Dieses Blatt erscheint in der Regel monatlich 3mal und kostet ganzjährig 1 fl. 50 kr. Einrückungsgebühr für die gespal 
tene Zeile 4 Nkr Man bestellt die Zeitung in Vaduz bei der Redaktion — in Feldkirch bei der löbl- Wagner'schen Buch 
handlung oder bei der k. k. Post. Die Redaktion besorgt auch Bestellungen auf das liechtenst. Landesgesetzblatt. 
Der erste Preßprozeß in Liechtenstein. 
Die Nr. 4 der Landeszeitung brachte einen Artikel „vom 
Triesnerberg", worin die Amtsführung des Vorstehers 
Nagele kritisirt wurde. Nach dem Erscheinen dieser Nr. 
wurde unser verantwortlicher Redaktor Hr. Dr. Schädler 
vor das f. Landgericht vorgeladen und ibm bedeutet, das 
Gericht sehe sich veranlaßt, gegen den Artikel 5„vom Tries 
nerberg" auf Grund des 8. 300 des östr. Strafgesetz 
buches wegen des Vergehens der lAuswiegelung durch 
Verspottung des Gemeindevorstehers von Triesnerberg 
einzuschreiten. Da der Urheber des Artikels die Verant- 
wortlichkeit übernommen hatte, so wurde die Untersuchung 
gegen denselben, 'Hrn. Lehrer Beck vom Triesnerberg, 
eingeleitet. Die in dem inkriminirten Artikel enthaltene 
ziemlich beißende und spottende Kritik über die Amtsfüh 
rung des Vorstehers einerseits und die Dehnsamkeit des 
§. 300 des St. G. B. anderseits, mußte es mehr als 
zweifelhast erscheinen lassen, ob eine Freisprechung des 
Angeklagten erfolgen werde. Sie ist erfolgt in der Ge 
richtssitzung vom 29. v. Mts. und wir müssen anerken 
nen, daß das Gericht die weitgreifenden Bestimmungen 
des §. 300 mit der verfassungsmäßigen Preßfreiheit in 
Einklang zu setzen wußte. Wir führen aus den Ent 
scheidungsgründen Folgendes an: „Der 8. 8 der Ver 
fassungsurkunde vom 26. September 1862 gewährleistet 
die Preßfreiheit. Das östr. Strafgesetzbuch vom Jahre 
1852 ist zu einer Zeit im Fürstenthume relizirt worden, 
wo noch keine Preßfreiheit gesetzlich bestand. Die Be 
stimmungen des Strafgesetzbuches über die Gedankenmit- 
thetlungen durch die Presse, und insbesondere die des §. 
300 des St. G. B. können nicht mehr eine so beschrän 
kende Anwendung finden, wie zur Zeit wo die Verfas 
sung noch nicht eristirte. Eine öffentliche Kritik der Ge 
meindeverwaltung muß zufolge §. 8 der Verfassung zu 
gelassen werden. Die in dem inkriminirten Artikel ent 
haltene Kritik ist allerdings beißend und spottend, allein 
sie bezieht sich nicht auf loyale behördliche Anordnung, 
sondern auf erwiesene Ordnungswidrigkeiten in der Amts 
führung eines Ortsvorstehers." Soweit die Entschei 
dungsgründe. 
Ein Preßgesetz haben wir noch nicht, wünschen uns 
aber Glück, daß wir auch das östr. nicht haben. Wie wir 
hören, wird dem nächsten Landtage wegen anderer drin 
genden Gesetzgebungsarbeiten noch kein solches vorgelegt 
werden. Bestände Hierlands ein Geschworenengericht für 
Preßvergehen, so wäre im vorliegenden Falle eine Frei 
sprechung nie zweifelhaft gewesen; jedoch wirken zwei 
von dem Gerichte ernannte und beeidete nicht rechtsge- . 
lehrte Beisitzer als Stimmführer mit bei der Urtheils 
schöpfung. 
Dies Einschreiten des Gerichts gegen die Kritik der 
Amtsführung eines Richters hat in unserem Lande viel 
fache Bedenken hervorgerufen. Man glaubte sich im 
Besitze größerer Preßfreiheit und war erstaunt den bereg- 
ten, im Ganzen doch nicht aus Leidenschaft und böser 
Absicht erflossenen Artikel verfolgt zu sehen. Gar Man 
cher wollte in dem Verfahren des Gerichts eine allzu- . 
strenge Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen erken 
nen. Allein es ist nicht zu vergessen, daß der 8. 300 
des östr. St. G. B., und mit ihm das ganze Gesetz, 
bei uns in Geltung ist, und daß die Fassung dieses 8. 
dem Gerichte keine andere Wahl ließ als einzuschreiten 
oder das Gesetz unberücksichtigt zu lassen. Wenn daher 
eine andere Stellung der Presse in unserem Lande ge 
schaffen werden soll, so handelt es sich um eine andere, 
zeit- und verfassungsmäßige Strafgesetzgebung, es ist ^ 
diese so wichtig als ein Preßgesetz. 
Noch eine Bemerkung sei uns im Anschlüsse an. (Ane 
ersten Preßprozeß erlaubt! Manche unserer Lesehanien die 
schen mehr Kritik in Bezug auf unsere heimatlich überlassen 
Hältnisse. Die Landeszeitung ist ihnen zu scho/at verlieren 
allzu maßvoll gehalten gegenüber einzelnen L* 
des öffentlichen Lebens. Es ist richtig, unser . . 
bisher mehr auf dem Gebiete der Belehrung? A . ^ " 
stattung, der Debatte von Gesetzartikeln, al ^ 
kritischen Felde geleistet. Es hängt das mit d^ ^ers. 
lichen Alter unseres Verfassungslebens zusammen s, / 
fortdauernden Entwicklung der konstitutionellen 
tungen wird sich indeß auch die Kritik einstellen. ^ 
sollten sich zur Ausführung dieses Zweiges journalijt. 
Thätigkeit, mehr als bisher, sach- und landkundige ^ 
arbeiter mit uns vereinigen, vom Schreibtische Hinweg s 
läßt sich über öffentliche Verhältnisse nicht immer ein 
stichhaltiges Urtheil fällen. Wie das sich auch gestalten 
möge, so dürfen wir aber nie vergessen, daß sich für un 
sere kleinen Verhältnisse und mit Rücksicht auf die an 
derweitige öffentliche Stellung der Persönlichkeiten, welche 
zu der Landeszeitung in näherem Bezug stehen, eine nutz 
bringende Kritik nur innerhalb gewisser, mitunter seHr 
enger Grenzen ausüben läßt. In diesem Punkte sind 
die Verhältnisse stärker als des Menschen Wille. Trotz 
dem kann man sich aber überzeugen, daß die Landeszei-
	        

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