Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1865)

Liechtensteiner Landeszeitung. 
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Vaduz, Samstag Rro. v 25. Februar 1865. 
Dieses Blatt erschemt ln der Regel monatlich 3mal und kostet ganzjährig 1 fl. 50 kr. Einrückungsgebühr für die gespal 
tene Zeile 4 Nkr. Man bestellt die Zeitung in Vaduz bei der Redaktion — in Feldkirch bei der löbl. Wagnerischen Buch 
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Vom verstärkten Gemeinderath. 
Ueber die Wahl des verstärkten Gemeinderathes bin 
ich den Lesern noch eine kurze Betrachtung schuldig. Die 
Mitglieder dieses außerordentlichen Gemeinderathes wer 
den nur für einen besonderen Fall gewählt. Wenn sie 
ihren Rath und ihre Meinung ausgesprochen haben, dann 
sind sie ihres Amtes ledig. Kommt eine andere Frage, 
so kann die Gemeinde den Rath aufs Neue verstärken. 
Es ist aber nicht nöthig, daß sie dieselben Mitglieder 
wieder wählt, sondern sie hat vollkommene Freiheit solche 
Männer auszusuchen, welche Verstand und Einsicht be 
sitzen zur Beurtheilung der vorliegenden Frage. Gerade 
das ist der Grund, warum unsere Gemeindeordnung kei 
nen ständig erweiterten, keinen zweiten Gemeinderath ein 
gesetzt hat. Es ist unmöglich, daß Ein Mann über 
alles Mögliche belehrt sein kann. Dazu reicht der Men 
schenverstand nicht aus. Kenntnisse und Einsicht sind 
mannigfach vertheilt. Der Eine versteht z. B. das Wuh- 
ren, der Andere die Alpwirthschaft, der dritte das Rech 
nungswesen u. s. w. Also will es auch die Gemeinde 
ordnung. So oft eine wichtige Sache zu entscheiden ist, 
sollen dem Gemeinderath solche neue Nathgeber zugesellt 
werden, welche etwas von der Sache verstehen. Dadurch 
ist man versichert, daß etwas Vernünftiges und Gedeih 
liches heraus kommt, daß der Nagel auf den Kopf ge 
troffen wird. 
Damit hängt aber etwas Anderes zusammen. Bei 
der Wahl dieser neuen Rathgeber gelten nicht die Rück 
sichten, die bei der Wahl des ständigen Gemeinderathes 
vorgeschrieben sind. So z. B. dürfen hier auch Nieder 
gelassene gewählt werden und es ist keine Rücksicht auf Ver 
wandtschaftsverhältnisse zu nehmen. Das ist leicht be 
greiflich. Es sollen die tauglichsten Männer als 
Rathgeber ausgesucht werden. Wer die Sache am besten 
versteht, der ist der rechte. Nur diese Rücksicht gilt und 
deshalb müssen andere schweigen. 
Rundschau. 
Das merkwürdigste Ereigniß der jüngsten Zeit ist die 
Rede des Kaisers Napoleon. Am 15. Februar 
wurden die französischen Kammern (Senat und gesetzge 
bender Körper) eröffnet. Napoleon versteht es glänzende 
Reden zu halten, und wenn er spricht, lauscht ganz Eu 
ropa. Diesmal war seine Rede sehr friedlich. Er be 
klagt es, daß der Kongreß nicht zu stände gekommen ist, 
> 
den er vor Jahr und Tag empfohlen hatte, er fühlt sich 
glücklich, daß er im deutsch-dänischen Kriege es mit kei 
nem Theil verdorben hat, weder mit Preußen noch mit 
Dänemark. Ferner stellt er in Aussicht, daß die franzö 
sischen Soldaten bald von Rom abziehen werden, eS be 
dürfe der Papst keines Schutzes mehr, der König von 
Italien habe sich ja verpflichtet, das päpstliche Gebiet 
nicht anzugreifen. Vorzüglich soll demnächst in Frank 
reich das Schulwesen verbessert werden, es soll einmal 
dahin kommen, daß jeder Bürger lesen und schreiben 
kann. Mit den Bischöfen ist Napoleon nicht gar wohl 
zufrieden, weil sie das päpstliche Rundschreiben verkündigt 
haben. Er hofft, daß sie künstig gehorsamer sein werden. 
In Rendsburg wurde eine aus Schleswig und 
Holstein stark besuchte Versammlung abgehalten. Es 
war die Frage, wie das Land zu Preußen sich stellen 
müsse. Die Versammlung sprach sich dafür aus, daS 
Militärwesen müsse man Preußen überlassen. Dies war 
auch die Antwort einer Anzahl Männer, welche zum 
Herzog Friedrich nach Kiel geladen worden waren. — 
Das könnte man sich schon gefallen lassen, aber Preußen 
ist damit allein nicht zufrieden. Es will mehr, das 
ganze Schleswig-Holstein. Wie lange es aber noch 
dauern wird, bis dieser Wunsch Preußens in Erfüllung 
geht, läßt sich nicht berechnen. 
Im östreichischen Reichsrathe wurde der Staats 
voranschlag für das Jahr 1866 vorgelegt. Darin sind 
wieder mindestens 16 Millionen Mehrausgaben als Ein 
nahmen. Die außerordentlichen Steuern und Gebühren 
werden also auch im Jahre 1865 noch nicht aufhören. 
Und doch sollen im Jahre 1864 mehr als 20 Millionen 
Steuern im Rückstände geblieben sein! Der Geldmangel 
sei in einigen Ländern, besonders in Ungarn sehr drü 
ckend. 
Die nordamerikanischen Sonderbündler probirten eS 
Frieden zu machen. Sie sandten 2 Eommissäre, die mit 
Lincoln unterhandelten. Allein sie verlangten, daß man 
den Süden als einen besonderen, unabhängigen Bund 
anerkenne. Darin werden aber die Nordstaaten nie zu 
stimmen, und so gingen die südlichen unverrichteter Dinge 
wieder nach Hause. Nun wollen sie 100,000 Sklaven 
unter die Waffen rufen. 
Der Kaiser von Merico hat es mit dem Papst ver 
dorben, daß er die Kirchen- und Klostergüter als Staats 
eigenthum erklärte. Kirchen und Klöster in Merico sind 
> sehr reich. Nun erhalten die Geistlichen ihre Besoldung
	        

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