Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1865)

den Verkehr der Schweiz mit den Nachbarstaaten, ergibt 
sich, daß der jährliche Gesammtverkehr mit Frankreich 
533^g, mit dem deutschen Zollverein 4526/g, mit Ita 
lien 27Z8/ty, dagegen mit der großen so produktreichen 
östreichischen Monarchie nur Millionen Franken 
beträgt. Daran trage nicht allein das in letzterem Lande 
herrschende Prohibitivsystem (Ein- und Ausfuhrbeschrän 
kung) mit seinem verborgenen Schmuggel, sondern we 
sentlich auch der Mangel an. genügenden Kommunika 
tionsmitteln, als: Straßen, Brücken, Eisenbahnen zc. zc. 
Schuld. 
— In mehreren Staaten Nordamerikas übersteigt die 
Weibliche Bevölkerung die der männlichen um viele Tau 
sende, besonders im Staate Massachusetts, während in 
den nordwestlichen Gebieten das gerade Gegentheil statt 
findet. Dieses Umstandes hat sich die amerikanische Spe 
kulation bemächtigt, um das Mißverhältniß auszugleichen. 
Ein Herr Mercier hat nämlich 700 heiratslustige Mäd 
chen in Massachusetts zur Auswanderung nach dem Ore- 
gongebiet veranlaßt, und die dortigen Farmer und son 
stigen weibei losen männlichen Bewohner sehen der An 
kunft dieser 700 Schönen sehnsuchtsvoll entgegen, die 
auf einem von der Regierung der Vereinigten Staaten 
zur Verfügung gestellten Dampfer an ihren künftigen 
Bestimmungsort befördert werden. 
Eisenbahnunglück. Auf der Station Weidenthal 
(Pfälzische Eisenbahn) mußte am 28. Oktober ein Koh 
lenzug von Neunkirchen, an welchem auch mehrere mit 
Arbeitern dicht besetzte Personenwagen angehängt waren, 
wegen Verspätung die Ankunft des im Augenblicke fälli 
gen Personenzuges abwarten. Hierbei scheint aber von 
dem betreffenden Bahnwärter übersehen worden zu sein, 
daß der haltende Zug wegen seiner Größe mit den Hin 
teren Wageu dem ankommenden Zug im Geleise stand. 
Der Zusammenstoß war entsetzlich. Sechs Personen 
wurden auf der Stelle getödtet. Ein große Menge 
Verwundeter hat die Katastrophe geschaffen, von welchen 
wohl noch Mancher vom Leben wird scheiden müssen. 
Die Verletzungen, Armbrüche, Beinbrüche und viele an 
dere Leibesbeschädigungen sollen grauenhaft sein. Eine 
Untersuchung über die Ursache und den Umfang des 
Unglücks ist sofort angeordnet worden. 
— Die Preußen haben in Paris Eroberungen ge 
macht, doch nicht wie vor 50 Jahren mit ihren Kano 
nen, sondern mit den Instrumenten des Mustkkorps des 
34. Regiments. Am zweiten Tage nach ihrer Ankunft 
mußten sie im Schloßhofe zu St. Eloud vor der kaiser 
lichen Familie spielen. Der Kaiser kam vom Balcon zu 
ihnen herab, an der Hand den Prinzen führend, der 
eine preußische Soldatenmütze trug und unterhielt sich 
mit ihnen. Er bestellte die Ouverture zum Freischütz und 
sagte, als die Kaiserin am Schluß tapfer klatschte: Meine 
Frau ist entzückt von ihrem Spiel. Darauf begaben 
sich die Musikanten in die Reitbahn, die roth ausgesetzte 
gen und mit französischen und preußischen Fahnen ge 
schmückt war. Dort war für sie eine große Tafel ge 
deckt. Zur Seite des preußischen Musikers saß immer 
ein französischer vom 1. Grenadierregiment. Am Schluß, 
wo der Champagner reichlich floß, erschien abermals der 
Kaiser mit dem Prinzen und wurde mit unendlichen 
Hochs empfangen. Er machte die Runde und unterhielt 
sich mit vielen Preußen in deutscher Sprache. Dem 
Musikdirektor Parlow ließ er ein 1000 Frankbillet für 
sein Musikkorps einhändigen. 
— Dem „Boten am Rhein" wird von einem Augen 
zeugen versichert, daß jüngst im Bauried, Gemeinde Thal, 
eine Kuh iu einem Torkel au6 einem offenen Gefäße 
zirka zehn Maß Sauser gesoffen. Als der Eigenthümer 
dazu kam, sprach er sie mit einem naiven: „so thuost 
süserle?" an; das dumme Rindvieh gab ihm aber gar 
keine Antwort, und, was das Schlimmste war, drei 
Tage lang auch keine Milch; die ganze Zeit aber 
lag sie bewußtlos glotzend, von einem furchtbaren Rausche 
befangen, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben, im 
Stalle da, und erst am vierten Tage erwachte sie wieder 
und kehrte zu ihrer Pflicht zurück. Sehr nahe liegende 
Betrachtungen über die Kraft des „Heurigen" mag sich 
der geneigte Leser selbst machen. 
— Der Stuttgarter Gemeinderath Single, welcher 
als Reiseprediger für rationellen Weinbau in Würzburg 
wirkt, hat kürzlich in Eßlingen einer Weingärtner-Ver 
sammlung vorzügliche Kelterung empfohlen, und beson 
ders den Gebrauch von Raspeln angerathen, wobei er 
das Modell einer von einem Weingärtner erfundenen 
Raspel zeigte. Ferner empfahl er, sich der Bütten mit 
Senkboden zu bedienen. Der Landwirthverein Eßlingen 
hat Preise für sachgemäße Kelterung ausgesetzt. 
— Ein reicher Jude in Hamburg war an der Börse 
vom Schlag getroffen worden und sollte eben begraben 
werden, da fanv sich ein Taufschein, unter seinen Papie 
ren. Die Beerdigung wurde sofort eingestellt, nach einer 
Stunde aber wieder vorgenommen, weil sich fand, daß 
er ein ächter Jude war; denn den Taufschein hatte er 
sich nur verschafft, um in Schweden und Norwegen Ge 
schäftsreisen machen zu können. 
— Kaiserin Eugenie machte auch im Spital St. An- 
toine ibren Besuch und durchwanderte von Aerzten ge 
leitet alle Sääle dieser großen Anstalt, sowohl die Ab 
theilung für Männer wie für Frauen. Nur vor einer 
Thüre machte man ihr bemerklich, daß der Eintritt un 
tersagt sei. Sie war an dem Saale angekommen, in 
welchem die Blatternkranken lagen; sie nickte lächelnd mit 
dem Kopfe und bestand nicht länger aus ihrem Vorhaben. 
— Die meisten gegenwärtig aus Europa in New- 
Nork landenden Segel- und Dampfschiffe sind überfüllt. 
Ein deutsches von Liverpool anlangendes Segelschiff 
trug 1200 Passagiere. Die Dampfer haben meist mehr 
als 800 Reisende, — was übrigens als größter Miß 
brauch anzusehen ist, da Sicherheit und Gesundheit durch 
Ueberladung gleich gefährdet sind. 
— Ein Leierkasten-Spieler in Berlin war be» 
stöhlen worden und zeigte die Sache beim Gerichte an. 
Dabei kam zur Sprache, daß dieser Spielmann an einem 
Tage (31. August) eine Einnahme von 40 Thalern 41 
Sgr. gehabt habe. 
— Baselland. Die IN Gemeindekäsereien, welche 
in Baselland bestehen, die meisten erst seit wenigen Jah 
ren, produziren lm Jahr bereits über 6000 Zentner im 
Werth von Fr. 350,000.
	        

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