Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1865)

bedroht. Die Früchte bleiben nicht aus. Oestreich be 
darf eines Anlehens von vielleicht 100 Millionen, um 
die Schuld an die Nationalbank abzutragen; nur dadurch 
können die Banknoten wieder zum Silberwerth heraufge- 
hsben werden. Rothschild in Paris hatte sich will fahrig 
gezeigt, diese Summen gegen gute Prozente Herzuleihen. 
Saum aber wurde die Geschichte mit der Frankfurter 
Drohnote ruchbar, so erklärte Rothschild, er könne nun 
kein Geld leihen. Durch solche Händel erschüttere Oest 
reich das Vertrauen des Publikums und ohne Vertrauen 
könne man keine Geschäfte machen. — 
— General Kanzler, ein Württemberger, wurde zum 
päpstlichen Kriegsminister ernannt — an Stelle 
des entlassenen v. Merode. 
— Es wird von nun an innerhalb der östreichischen 
Grenze jeder Brief ohne Unterschied 5 kr. kosten. Es 
wäre zu wünschen, daß dieser Portosatz auf den ganzen 
Postverein Anwendung finde, ebenso wäre eine Revision 
der Brieftare mit der Schweiz sehr angezeigt. Ein 
Brief der in Zürich mit 40 Rappen frankirt wurde ko 
stet hier noch 5 kr., also 52 Rappen in Summa. Da 
gegen kann ein Fahrpoststück von 1 Pfund Gewicht um 
50 Rappen nach Zürich frankirt werden. 
— Aus der Schweiz. Die Schweiz hat einen 
Handelsvertrag mit Frankreich abgeschlossen; in diesem 
Vertrage hat sich Napoleon ausbedungen, daß die fran 
zösischen Juden überall in der Schweiz sich ungehindert 
niederlassen dürfen. Gegen diese Bestimmung sind in 
einigen Kantonen noch Gesetze in Kraft; diese Kantone 
würden sich nicht so leicht zur Aufhebung dieser Gesetze 
verstanden haben. So blieb nichts übrig, als eine Ab 
änderung der Bundesverfassung. Der Nationalrath hat 
nun am 27. Oktober den Beschluß gefaßt, daß in der 
Schweiz wegen der Religion kein Unterschied mehr in 
bürgerlichen Dingen gelten soll. Der Artikel heißt: 
„Die Glaubensfreiheit ist unverletzlich. Um des Glau 
bensbekenntnisses willen darf Niemand in den bürgerli 
chen oder politischen Rechten beschränkt werden. Die 
freie Ausübung des Gottesdienstes ist den anerkannten 
christlichen Konfessionen, sowie innerhalb der Schranken 
der Sittlichkeit und öffentlichen Ordnung auch jeder an 
dern Religionsgenossenschaft im ganzen Umfange der 
Eidgenossenschaft gewährleistet. 
„Den Kantonen, sowie dem Bunde bleibt vorbehalten, 
für Handhabung der öffentlichen Ordnung und des Frie 
dens unter den Konfessionen und Religionsgenossenschaf 
ten die geeigneten Maßnahmen zu treffen." 
Es war auch beantragt worden, den Geistlichen das 
Recht zu gestatten, daß sie in den Nationalrath oder 
Kantonsrath gewählt werden und ferner, daß die Jesui 
ten sich ebenfalls in der Schweiz niederlassen dürften; 
allein diese Anträge wurden verworfen. Ebenso verwarf 
der Nationalrath mit 75 gegen 25 Stimmen den An 
trag, daß alle Beschlüsse des Nationalraths durch eine 
allgemeine Volksabstimmung (Veto) fanktionirt werden 
sollten. 
Ein Stückchen Moral aus der Diploma 
tenwelt. Der König von Preußen hat einen Statt 
halter nach Schleswig gesandt. Manteuffel heißt er. 
Bei einem Gastmahl brachte Hr. Manteuffel zur Spra 
che, wie nützlich es für Schleswig werden könnte, wenn 
es sich mit Preußen vereinigen wollte. Das würde 
auch nicht schwer gehen, wenn man den Schleswig- 
HolsteilM'n ihre Gewissensbedenken nehmen könnte. Es 
sei Pflicht der Geistlichkeit, diese Gewissensbedenken 
zu lösen. (Das Volk der Herzogtümer ist des Glau 
bens, daß nur Herzog Friedrich ein Recht auf den Thron 
habe; diesen oder gar keinen.) Es ist bemerkenswerth, 
dieses Wort Manteuffel's. Wunderbar darf man es 
aber nicht finden, man hat von daher oft schon stärkere 
Proben der Moral und des Rechtsgefühles erhalten. 
Aus Meriko vernimmt man schlimme Nachrichten. 
Die Anhänger des früheren Präsidenten Juarez unter 
halten einen beständigen Kampf gegen die Regierung 
des Kaisers. Neuestens hat man eine weitverzweigte 
Verschwörung entdeckt. Die Verschwörer wollen Meriko 
mit den nordamerikanischen Freistaaten vereinigen. Mehr 
als 500 Personen sind verhaftet, der Kaiser Mar hat 
die Hauptstadt verlassen. — Da wird er aufs Neue die 
Hilfe seines kaiserlichen Beschützers Napoleon anrufen 
müssen. Dem aber liegt die mexikanische Affaire wie 
Kieselstein im Magen; sie hindert ihn aller Orten und 
seine Soldaten wollen auch nichts mehr davon hören. 
Zwei Pariser Regimenter erhielten vor mehreren Wochen 
Marschbefehl nach Meriko, aber sie nahmen den Befehl 
sehr ungünstig auf und ließen es frei merken, daß sie 
ungern nach Meriko gingen. 
Noch einmal Mecklenburg! Im neuesten Hefte 
der „Beiträge zur Statistik Mecklenburgs" findet sich 
eine schatzenöwerthe Arbeit über den Bildungszustand 
der von 1853 — 62 eingestellten Rekruten, welcher der 
sicherste Maßstab für die Schulbildung eines ganzen 
Volkes ist. Von je 100 eingestellten Rekruten hatten in 
den Städten 70, im Dominium (Herrschaftsgütern) 90 
und in der Ritlerschaft sogar 94 eine mangelhafte oder 
gar keine Schulbildung. In der Ritterschaft konnten 
39 Prozent der eingestellten Rekruten weder lesen noch 
schreiben noch rechnen. Das Gesammtergebniß für das 
ganze Land ist, daß Schulbildung hatten 15, eine man 
gelhaste 59 und gar keine 26 Prozent! Es hatten also 
85 Prozent der eingestellten Rekruten nicht die nothdürf 
tigste Bildung. Welchen Schatten werfen diese einfachen 
Zahlen auf die Zustände Mecklenburgs, wenn man sie 
mit denen der übrigen deutschen Staaten vergleicht! 
„Was", ruft der Berichterstatter aus, „was thun geist 
liche und weltliche Behörden, unter denen das Schul 
wesen steht, um solchen Zuständen abzuhelfen, die an 
die Rohheit der Ureinwohner Mecklenburgs, der alten 
Obotriten, erinnern!" 
Ist es zu verwundern, daß unter solchen Umständen, 
verbunden mit dem obligaten Prügelsystem, sich die Ein 
wohnerzahl Mecklenburgs von Jahr zu Jnhr durch mas 
senhafte Auswanderung in mehr als bedenklicher Weise 
vermindert? — Dagegen vergleiche man Hohenzollern- 
Hechingen, wo jeder Rekrut die nöthige Schulbildung 
hatte. 
— Nach den kurzlich veröffentlichten Zusammenstel 
lungen des schweizerischen statistischen Bureaus, betreffend
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.