Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1864)

-geben und mit allen hl. Sterbsakramenten gestärkt am 
hl. Pfingstfest (15. Mai) des Morgens früh in's bessere 
Leben hinüber schlummerte, k. I. ?. — Er ruhe im 
Frieden! 
Theures Geld. Oestreich hat bis jetzt nur 23^ 
Million ausgebracht, anstatt 70 Millionen, die es bor 
gen will; und doch hatte es 100 sl. für 77 fl. verschrei 
ben müssen. — In Amerika zahlt man für 1 Golddol 
lar 180—190 Papierdollar. — Der Zinsfuß an der 
englischen Bank steht auf 9—10^/g, ebenso in Paris. 
— Die Schweiz verwendete im v. I. nahe an 22 
Millionen Stück Briefmarken; 6 Millionen mehr als 
man vorgesehen hatte. — Die Ortsgemeinde Ragaz be 
willigte 10,000 Fr. zu ihrem Realschulfond. 
* Eine Revolution in Tunis. Tunis liegt in Afrika 
und ist von Mohamedanern bewohnt. Die Hauptstadt 
heißt Tunis, und das Land wird in ein Unterland, das 
gegen Aegypten zu liegt, und in ein Oberland, das an 
das französische Algier grenzt, eingetheilt. Der Fürst 
des Landes heißt Bey, ist zwar Oberhaupt des Landes, 
steht aber in einer Art Abhängigkeit zu einem größeren 
Reiche, nemlich zur Türkei. Das Land bildet die nörd 
liche Abdachung eines großen Gebirges und ist sehr 
fruchtbar. Dort ging es denn vor noch wenigen Jah 
ren ganz türkisch zu. Der Bey sah den Sultan als 
seinen Herrn an, gab ihm von den Zöllen und Steuern 
einen mäßigen Tribut, that aber dafür mit seinem Volke, 
den Tunislern, was er wollte. Er prügelte sie, er brand 
schatzte sie, er verkaufte sie als Sklaven; wo er erschien, 
mußte man sich vor ihm auf die Kniee werfen und den 
Boden küssen; Herr war er und alle Andern waren 
Knechte. Da kam die neue Zeit von Europa über das 
mittelländische Meer nach Tunis; vor Allem aber ward 
sie freudigst aufgenommen in der Hauptstadt. Sie ist 
der Sitz der Intelligenz, hat eine mohomedanische Schule; 
und die reicheren Jünglinge studieren an den Universitä 
ten von Paris und Orford. Man forderte eine Konsti 
tution und erhielt sie auf der liberalsten Basis. Freie 
Wahl der Abgeordneten, ein verantwortliches Ministerium, 
und was die modernen Verfassungen an politischer Glück 
seligkeit gewähren, ward errungen. Das that denn ein 
Paar Jahre gut; man machte neue Gesetze, hob das 
Schulwesen, brachte Industrie ins Land und beförderte 
die Agrikultur, schloß Handelsbündnisse, löste die Zehen 
ten der mohomedanischen Kirchen ab — das Alles ge 
fiel dem Volk. Natürlich mußte aber der Bey nun die 
Steuern erhöhen; denn der Fortschritt kostet Geld. Dazu 
kam, daß die bisherige Unordnung in den Provinzen u. 
Gemeindehaushalten bekämpft wurde, daß die Privilegien 
der Beduinen auf eigene barbarische Verwaltung gehemmt 
werden mußten, daß man das Volk auffordert, durch 
Fleiß und Arbeit, durch neue Kultivirung und bessere 
Einrichtungen im Haus und Flur sich zu bethätigen. 
Das Alles gefiel dem Volke nicht mehr. Man sehnte 
sich zu den früheren Zuständen zurück, man erhob sich 
gegen den tunesischen Landtag, vertrieb die Statthalter des 
freisinnigen Bey, man machte Revolution gegen die Kon 
stitution und den Fortschritt. Diese Revolution währt 
noch heute. Das Volk will den alten Despotismus, 
die alten Satrapen des Fürsten; es will keine Freiheit, 
keine Vertretung seiner Rechte, keine Minister, die zu 
Rede gestellt werden können, keine Ordnung; es will die 
Zurückkehr der alten Prügel, der alten Ketten. Schon ist 
der Bey gezwungen worden, die Verfassung aufzuheben, 
und er hat sie vor wenigen Tagen aufgehoben. In die 
sem Berichte, den wir einem Bekannten aus dem tunisi- 
schen Oberlande verdanken, hast du also, lieber Leser, die 
Geschichte einer seltenen Revolution zum Sturze freisin 
niger, vernünftiger Staatseinrichtungen. Daraus ist zu 
sehen, wie schwer es dem Menschen wird, alte Gewohn 
heiten abzulegen; er ist eben ein Gewohnheitsthier! 
— Im neuen Kaiserstaate Mexiko mag's eine schöne 
Wirthschaft geben. Um die vorhandenen Schulden zu 
verzinsen und die Entschädigung an Frankreich zu be 
zahlen, sind jährlich 80 Millionen Frcs. erforderlich, ehe 
das Land einen Rappen für sich verwenden kann. Und 
dazu eine halb wilde Bevölkerung! — 
In Bregenz wurde am 8. Mai die neue protestanti 
sche Kirche eingeweiht. 
— Der Feldkircber Bürgerrath beabsichtigt die städti 
schen Gebäude welche in der tiroler Brandassekuranz 
versichert sind, aus dieser Anstalt herauszunehmen und 
anderwärts zu versichern, weil in den letzten 3 Jahren 
durchschnittlich das Vierfache an die tiroler Assekuranz 
gezahlt wurde, was die Prämien bei andern z. B. der 
kiunione sär. betragen würden. 
Wegen der Alpenbahn finden fortwährende Unterhand 
lungen statt. Die Italiener sind am Meisten der Linie 
über Ehur (Lukmanier, Splügen oder Septimer) zuge 
than. Die vortheilhafteste Linie sei die über den Splü 
gen. Viele Schweizerkantone hätten die Bahn gern 
über den St. Gotthardt. Bei einer so kostspieligen Bahn 
sollte aber in erster Linie das Bedürfniß des Weltver 
kehrs ins Auge gefaßt werden und nicht dasjenige von 
ein Paar Kantonen; der große Verkehr hat aber von 
Alters her seinen Zug durchs Rheinthal. 
Ein Würdiger Volksvertreter. Von einem Abgeord 
neten, der gegenwärtig das oldenburgische Münsterland 
mit vertritt, (die Zeitungen sind so rücksichtslos, sogar 
seinen Namen zu veröffentlichen), wird erzählt, daß er, 
als im Oldenburger Landtage eine Geldverwillkgung für 
Schleswig-Holstein beantragt war, in öffentlicher Sitzung 
geäußert habe, er befürchte von seinen Wählern geprü 
gelt zu werden, wenn er für irgend eine Geldausgabe 
stimmen würde. Von demselben Volksrepräsentanten wird 
berichtet, er habe sich während der Landtagssession bei 
einem Oekonomen vor der Stadt für Kost und Logis 
als Drescher verdingt, um seine Musestunden mit nütz 
licher Beschäftigung auszufüllen. Von den ersparten 
Diäten habe der Herr „Landrath" am Schlüsse des Land 
tags ein Paar Schweine gekaust und dieselben eigenhän 
dig die zehn Stunden bis in seine Heimatb getrieben; 
bei Eröffnung des nächstfolgenden Landtags habe er mit 
den unterdeß weidlich gemästeten Schweinen seinen feier 
lichen Einzug in der Haupt- und Residenzstadt Olden 
burg gehalten, um seine Pfleglinge daselbst vortheilhaft 
zu verwerthen.
	        

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